Tragisch, Tragisch, Tragisch

Von Florian Regelmann
Erlebt absolute Albtraum-Spiele: Turner Philipp Boy
© Imago

Britta Heidemann erlöst Deutschland mit ihrer Silbermedaille im Degenfechten, aber der dritte Tag der Olympischen Spiele in London war auch ein Tag der tragischen Figuren. Philipp Boy, Timo Boll und Shin A Lam wollen alle nur eines: heulen!

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Der Bann ist gebrochen! Deutschland hat seine erste Medaille und katapultiert sich dank Britta Heidemann im Medaillenspiegel mal ganz locker an der Mongolei, Aserbaidschan und Usbekistan vorbei. Rang 21!

Und am Dienstag (9 Uhr im LIVE-TICKER) wird es dank der bärenstarken Vielseitigkeitsreiter fast sicher das erste Mal Gold geben. Es gab aber auch schon wieder jede Menge Enttäuschungen.

Der ganze Tag zum Nachlesen im Ticker

Für das Aus von Timo Boll fehlen nicht nur ihm selbst die Worte. Die Turner waren ebenso weit weg von einer Medaille wie die Synchronspringer. Und Weltrekordler Paul Biedermann muss seinen fünften Platz über 200 Meter Freistil jetzt schon als Erfolg verbuchen.

Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 4):

 

WettbewerbEntscheidung
Fechten, Frauen, Degen-EinzelHeidemann holt Silber
Gewichtheben, Frauen, 58 kg
Drei deutsche Rekorde: Rang 13!
Gewichtheben, Männer, 62 kgNordkoreaner: Gold mit Weltrekord
Judo, Frauen, bis 57 kgErste Goldmedaille für Japan
Judo, Männer, bis 57 kgRusse überrascht den Weltmeister
Schießen, Männer, LuftgewehrRumäne wird Olympiasieger
Schwimmen, Frauen, 100m RückenMissy Franklin holt Gold für die USA
Schwimmen, Frauen, 100m BrustMit 15! Wunder-Litauerin triumphiert
Schwimmen, Männer, 200m FreistilBiedermann 5. - Agnel überragend
Schwimmen, Männer, 100m RückenMeeuw bei Grevers-Sieg Sechster
Synchronspringen, Männer, TurmHausding/Klein nur auf Rang sieben
Turnen, Männer, MannschaftDeutschland verpasst Bronze klar

Was sonst noch wichtig war:

Badminton: Es läuft für die deutschen Asse! Juliane Schenk hat auch ihr zweites Match gewonnen. 21:12, 21:14 gegen Larissa Griga aus der Ukraine. Damit steht Schenk als Gruppenerste souverän im Achtelfinale. Und: Unser Mixed Fuchs/Michels steht sogar schon im Viertelfinale. 21:18, 12:21, 21:19 gegen die Russen Nikolaenko/Sorokina. Bockstark!

Basketball: Die US-Girls vernichteten die armen Frauen aus Angola mit 90:38. Superstar Candace Parker war mit 14 Punkten die beste Werferin. Im Spiel des Tages gewann Frankreich mit 74:70 nach Verlängerung gegen Australien. Belinda Snell hatte die Aussie-Girls mit einem Sensations-Wurf 1,9 Sekunden vor dem regulären Ende des Spiels von der Mittellinie erst in die Verlängerung gerettet.

Beachvolleyball: Julius Brink und Jonas Reckermann haben auch ihr zweites Spiel gewonnen. 2:1 (13:21, 21:19, 15:8) gegen die Chinesen Wu Penggen und Xu Liuyin. Damit stehen die Deutschen fast sicher im Achtelfinale. Katrin Holtwick und Ilka Semmler verloren dagegen erwartungsgemäß gegen die brasilianischen Weltmeister und Goldfavoritinnen Larissa/Juliana mit 0:2 (18:21, 13:21).

Hockey: Wie die Damen sind auch die deutschen Herren mit einem 2:1-Sieg ins Turnier gestartet. Gegen Belgien geriet man zwar früh in Rückstand, drehte aber dann die Partie durch Tore von Florian Fuchs und Christopher Zeller. Nächster Gegner ist am Mittwoch Südkorea.

Reiten: Gibt es am Dienstag Doppel-Gold? Die deutsche Vielseitigkeits-Mannschaft blieb auch nach dem Geländeritt in Führung. Es folgen Großbritannien und Schweden. Auch im Einzel sieht es vor dem abschließenden Springen bestens aus: Ingrid Klimke (mit Butts Abbraxxas) teilt sich die Führung mit der Schwedin Sara Algotsson Ostholt (die Frau von Vielseitigkeitsreiter Frank Ostholt), und Weltmeister Michael Jung hat sich mit Sam auf Rang vier nach vorne geschoben.

Schwimmen: Silke Lippok belegte in in ihrem Halbfinale über 200 Meter Freistil nur Rang sieben und verpasste als insgesamt 13. das Finale klar. Auch Theresa Michalak (200m Lagen) schied im Halbfinale aus. Die 16-jährige Wunder-Chinesin Shiwen Ye ist schon wieder olympischen Rekord geschwommen. Bei den Männern gab es die Halbfinals über 200m Schmetterling. Michael Phelps gewann sein Rennen vor dem Österreicher Dinko Jukic.

Tennis: Angelique Kerber und Sabine Lisicki erreichten die zweite Runde. Kerber führte gegen Petra Cetkovska 6:1, 3:0, dann musste die Tschechin verletzungsbedingt aufgeben. Lisicki mühte sich gegen die völlig unbekannte Tunesierin Ons Jabeur zu einem 4:6, 6:0, 7:5. In der nächsten Runde trifft Kerber auf die Ungarin Timea Babos, Lisicki bekommt es mit Yaroslava Shvedova aus Kasachstan zu tun. Auch weiter: das Doppel Görges/Grönefeld (6:3, 6:1 gegen das britische Duo Baltacha/Keothavong). Philipp Petzschner verlor dagegen sowohl sein Einzel (6:3, 3:6, 4:6 gegen Janko Tipsarevic) als auch sein Doppel an der Seite von Christopher Kas (5:7, 5:7 gegen die Russen Davydenko/Youzhny). Roger Federer feierte Siege im Einzel (6:2, 6:2 gegen den Franzosen Julien Benneteau) und an der Seite von Stan Wawrinka im Doppel (6:7, 6:4, 6:4 gegen die Japaner Nishikori/Soeda).

Tischtennis: Katastrophe! Timo Boll ist wie in Peking bereits im Achtelfinale ausgeschieden. 1:4 gegen den Rumänen Adrian Crisan! 9:11, 11:8, 13:15, 10:12, 6:11. Ein echtes Debakel. Im Viertelfinale steht dagegen Dimitrij Ovtcharov nach einem klaren 4:0 (11:8, 16:14, 11:8, 11:5) gegen den Österreicher Chen Weixing. Sein nächster Gegner ist der Däne Michael Maze. Die letzte deutsche Dame, Jiaduo Wu, schied im Achtelfinale mit 2:4 gegen die frühere Team-Weltmeisterin Feng Tianwei aus.

Mann des Tages: Philipp Boy

Der Sportsoldat aus Cottbus würde sich am liebsten vergraben. In London fiel er in den letzten Tagen so ziemlich von jedem Gerät runter, das man sich so vorstellen kann. In der Quali ging der ganze Mist schon los. Nach drei Stürzen verpasste Boy, immerhin Mehrkampf-Vizeweltmeister, alle Gerätefinals.

Noch schlimmer: Er versuchte einen ganz schwierigen Sprung, den sogenannten Dragulescu, und verpatzte ihn so sehr, dass er sich böse verletzte. Seine Fußverletzung stellte sich als Einblutung, Schwellung und Entzündung im Sprunggelenk heraus. Im Team-Finale wollte sich Boy durchbeißen, aber es ging schon wieder total in die Hose. Beim Pferd musste Boy absteigen, am Reck stürzte er böse runter. Totaler Wahnsinn: Es war im achten Reck-Wettkampf der Saison Boys siebter Absturz. Der Pechvogel ist mental komplett blockiert und steht völlig neben sich. Hoffentlich fällt er nicht aus dem Bett. Tragisch.

Frau des Tages: Shin A Lam

Es gibt Bilder, die werden einem lange in Erinnerung bleiben. Das Bild der hemmungslos heulenden Shin A Lam gehört definitiv dazu. Es ist das Bild der Olympischen Spiele von London bislang. Da denkt die Südkoreanerin, dass sie doch im Finale stehen müsste. Und dann DAS! Britta Heidemann trifft in der längsten letzten Sekunde der Fecht-Geschichte und Shin A Lam ist raus. Nach dem Eklat folgt ein 45-minütiger "Sitzstreik" der Koreanerin, als sie abwarten muss, was der Protest einbringt.

Wie sie da sitzt... Diese Emotionen. Ein Wahnsinn. Auch dieses Bild ist um die Welt gegangen. Dass Shin A Lam dann ihr Gefecht um Bronze verlor, war vorher klar. Die Arme war durch. Fertig mit der Welt. Bitterer kannst du keine olympische Medaille verlieren. Ach ja, eines noch: Dass es überhaupt diese abartige "Los-Regel" gibt und dass man unfähig ist, eine Uhr zu haben, die Zehntelsekunden anzeigt, ist ein schlechter Witz, liebes Fechten.

Sprüche des Tages:

"Ich habe Silber gewonnen, nicht Gold verloren nach all diesen engen Gefechten." (Britta Heidemann nach ihrer Silbermedaille)

"Eigentlich habe ich gewonnen." (Shin A Lam nach ihrer "Skandal"-Niederlage gegen Heidemann)

"Ich würde am liebsten losheulen, aber ich probiere, mich zusammenzureißen. Mir fehlen die Worte." (Timo Boll nach seinem Aus)

"Ich habe die entscheidenden Fehler gemacht und weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Der Schmerz im Herzen ist jetzt größer als der im Fuß. Ich habe seit langem eine Blockade, kaum jemand kann sich vorstellen, wie fertig mich das macht." (Ein völlig frustrierter Philipp Boy nach seinen nächsten Stürzen)

"Es ist wie es ist. Damit muss ich jetzt leben." (Paul Biedermann nach seinem 5. Platz)

"Bei der Queen auf eine Tasse Tee vorbeigehen und die Hunde streicheln." (Degenfechterin Imke Duplitzer nach ihrem Einzel-Aus auf die Frage, was sie bis zum Mannschaftswettbewerb am 4. August noch machen wolle)

Zahlen des Tages:

1 Medaille hat das deustche Team auf dem Konto. Ein Traum ist wahr geworden.

3 Am 3. von 28 Hindernissen des Geländeritts stürzte die Kanadierin Hawlett Bennett-Awad und musste mit dem Krankenwagen abtransportiert werden. Ihr Pferd Gin & Juice galoppierte nach dem Sturz noch lange allein über die Strecke, ehe es eingefangen werden konnte.

4 Dreier trafen die Basketball-Frauen aus den USA und Angola in ihrem Spiel. Jeweils 2. Sie brauchten dafür aber 35 Versuche!

8 Punkte in Folge verlor Timo Boll zum Ende seiner Partie.

20 Zentimeter zu früh dran war das 49er-Duo Tobias Schadewaldt/Hannes Baumann im Segeln. Ergebnis: Frühstart im ersten Rennen. Folge: ein enttäuschender 17. Rang.

25 Buchstaben hat der mit Abstand beste Name der Olympischen Spiele. Christian Donfack Adjoufack. Der Boxer aus Kamerun verlor gleich in Runde eins gegen Enrico Kölling vom SC Berlin.

3000 Tickets sollen zusäzlich in den öffentlichen Verkauf gehen. Grund: Die leeren Ränge sind so offensichtlich, dass teilweise das britische Militär als Füll-Personal aushelfen muss. Peinlich.

23.221 Journalisten berichten von den Spielen.

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