SPOX: Zwei Spiele, zwei Siege - so lautet die bisherige Olympia-Bilanz. Trotzdem sagten Sie nach dem zweiten Sieg gegen Polen, die deutsche Mannschaft hätte "noch viel Unsinn" gemacht. Was meinten Sie damit?
Hanning: Ich habe einfach den Eindruck, dass wir noch lange nicht da sind, wo wir sein müssen, um ein Viertelfinale zu gewinnen. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass wir vorne schon gut zueinander gefunden haben, aber das Team in der Abwehr noch nicht so gut funktioniert, wie es funktionieren sollte. Es fehlt noch die letzte Konsequenz, wir machen noch zu viele Fehler. Daran müssen wir arbeiten.
SPOX: Das hat gegen Polen insgesamt aber schon besser geklappt als im Spiel gegen Schweden, oder?
Hanning: Das ist sicherlich richtig. Das war sowohl in Abwehr als auch in Angriff ein deutlicher Schritt nach vorne.
SPOX: Das DHB-Team schlägt Schweden und Polen und trotzdem werden verschiedene Dinge noch bemängelt. Zeigt das, wie sehr sich die Mannschaft in der bisherigen Zeit von Dagur Sigurdsson und Ihnen entwickelt hat?
Hanning: Seit Dagur und ich den Job machen, haben wir vier oder fünf Pflichtspiele verloren. Mehr waren es nicht. Dadurch sind die Ansprüche gestiegen. Dieser hohe Anspruch wird von uns nach innen getragen, den hat auch die Mannschaft. Es ist doch schön, wenn es das Gefühl gibt, dass es selbstverständlich wird, gegen Polen zu gewinnen, ohne dass es selbstverständlich ist. Mit dieser Mentalität wollen wir bis 2020 gemeinsam mit der HBL eine große Mannschaft aufbauen.
SPOX: Das heißt für Olympia 2016?
Hanning: Es heißt natürlich nicht, dass wir jetzt nichts mitnehmen wollen, wenn die Chance dazu besteht. Also müssen wir die Fehler ganz konsequent ansprechen, um uns alle gemeinsam zu verbessern. Ich glaube, desto länger das Turnier dauert, wird die Physis einer jungen Truppe wie der unseren zumindest nicht schlechter.
SPOX: Das Team hatte in den ersten beiden Spielen Hochs und Tiefs. Auch darin zeigt sich die Qualität einer Mannschaft. Nämlich dass sie aus Tiefs herausfindet und nicht auseinander bricht. Oder sehe ich das falsch?
Hanning: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich fand es in beiden Spielen bemerkenswert, dass wir zwar Unsinn gemacht, es dann aber doch hinbekommen haben. Einmal gegen Schweden mit den vier Tempogegenstoß-Toren von Tobias Reichmann, einmal gegen Polen, als Andreas Wolff ein paar ganz wichtige Bälle herausgeholt hat. Es war bisher immer einer da, wenn es gebrannt hat. Wir waren bisher immer in der Lage, es zu korrigieren. Aber: Wer zu oft mit dem Feuer spielt, kann sich auch mal verbrennen. Mir wäre lieber, wenn wir es einfach mal sein lassen würden, auf die heiße Herdplatte zu fassen.
SPOX: Reichmann und Wolff waren in den ersten beiden Partien in den entscheidenden Situationen zur Stelle. Gab es noch andere Schlüsselspieler für Sie?
Hanning: Die Mannschaft ist geschlossen gut aufgetreten. Vor den Olympischen Spielen habe ich Steffen Weinhold, Patrick Wiencek und Fabian Wiede als solche angesehen. Weinhold war verletzt und kommt jetzt erst dazu. Er wird ein, zwei Spiele brauchen, dann wird er uns helfen. Wiencek ist auch aus einer Verletzungsphase herausgekommen und noch nicht da, wo ich ihn mir wünsche. Ich hoffe, dass er 20 oder zumindest 10 Prozent im Turnier noch entwickeln kann, die ihm fehlen.
SPOX: Und Wiede?
Hanning: Auch wenn man mir wieder nachsagen wird, ich hätte die Füchse-Brille auf: Man merkt bei ihm, dass er nicht nur Tore macht, sondern auch gut verteidigt und gute Anspiele hat. Er war sicherlich derjenige, der konstant auf hohem Niveau diese ersten beiden Spiele bestritten hat.
SPOX: Im dritten Spiel geht es am Donnerstag gegen Brasilien. Ein gefährlicher Gegner?
Hanning: Brasilien hat sich in den letzten Jahren extrem gut entwickelt. Für mich war von vorneherein klar, dass sie um die ersten drei Plätze mitspielen werden. Sie spielen im eigenen Land mit ihrer ureigenen Emotionalität. Wenn wir diesen Unsinn, den wir bisher ab und zu gemacht haben erneut machen, werden sie das über den Tempogegenstoß bestrafen. Wenn wir den Ball diszipliniert laufen lassen, werden wir das Spiel gewinnen. Dann würden wir gegen Slowenien um Platz eins spielen. Das ist es, was wir wollen.
SPOX: Abschließende Frage: Wie machen sich aus Ihrer Sicht eigentlich die neuen Regeländerungen bemerkbar?
Hanning: Einige Dinge erweisen sich bereits jetzt als sehr positiv. Das Thema Sechs-Pass-Regel finde ich gut. Das Thema des verletzt liegen bleibenden Spielers macht die Ärzte arbeitslos. Früher sind die Ärzte mindestens sieben bis zwölf Mal draufgelaufen, heute sind sie ein oder zwei Mal drauf. Das zeigt doch, dass die Regel sinnvoll ist. Die Regel des siebten Feldspielers finde ich nach wie vor nicht gut. Diesen Kampf Eins-gegen-Eins halte ich einfach für spannender als ein Sieben-gegen-Fünf in Überzahl. Aber es hilft ja nichts: Wir müssen und werden uns damit arrangieren.