SPOX: Frau Neuner, Sie haben nun über zwei Wochen Wettkampfpause hinter sich. Beim letzten Weltcup in Antholz haben Sie Ihre ersten beide Saisonsiege eingefahren. Zur Belohnung gab es noch auf dem Siegerpodest Weißbier aus einem Dreiliterglas. Hat's geschmeckt?
Magdalena Neuner: Ja, schon. (lacht) Aber ich muss dazu sagen, dass da alkoholfreies Weißbier drin war. Sonst hätte es mich wahrscheinlich gleich wieder vom Podest herunter gedreht.
SPOX: Das Weißbier gab's vom Veranstalter, womit belohnen Sie selbst sich nach Siegen?
Neuner: Wenn man den ganzen Sommer über so hart trainiert, dann sind erfolgreiche Rennen und am besten Siege eigentlich schon Belohnung genug. Wir Mädels trinken dann hin und wieder mal ein Gläschen Sekt, aber du kannst natürlich nicht nach jedem erfolgreichen Wettkampf eine Flasche köpfen. Darum ist meine Belohnung: Völlig abschalten, meine Familie anrufen und es mir in meinem Zimmer gemütlich machen.
SPOX: Bis zum letzten Weltcup vor Olympia in Antholz verlief die Saison nicht unbedingt nach Wunsch für Sie. Wie wichtig war es, unmittelbar vor Vancouver noch mal ganz oben auf dem Podest zu stehen?
Neuner: Für mich war das super. Ich weiß nun, ich bin auf jeden Fall in Top-Form. Allerdings muss ich auch sagen, vorher war auch nicht alles so schlecht, wie es von vielen gemacht wurde. Ich hatte ein bisschen Pech mit einem Virus und der Verletzung, aber ich hatte trotzdem vor Antholz schon vier Podestplätze, und das ist verdammt viel für die wenigen Rennen, die ich bestritten habe.
SPOX: Die Form stimmt. Zwischen dem letzten Weltcup und den Olympischen Spielen waren drei Wochen Pause. Was macht man in dieser Zeit? Noch mal hart trainieren?
Neuner: Für mich war es in erster Linie wichtig, dass ich gesund geblieben bin. Ich habe ein wenig regeneratives Training gemacht, denn ich wusste ja, dass ich in Form bin. Von daher war nichts Besonderes geplant. Ich muss nicht mehr zaubern. Für den Kopf war es wichtig, noch ein paar Schüsse zu machen.
SPOX: Sie haben vor der Saison gesagt, das Ziel ist eine Goldmedaille in Vancouver. In welcher Disziplin ist das am realistischsten?
Neuner: Im Endeffekt in jeder. Ich habe in Antholz auch im Einzel gezeigt, dass ich es kann. Ich möchte natürlich so viele Wettkämpfe wie möglich bestreiten, was bei unserer Mannschaft allerdings etwas schwierig ist, weil wir sechs Leute haben, die auf dem Podest ganz oben stehen können. Aber leider dürfen nicht immer alle starten. Von daher glaube ich nicht, dass ich in allen Wettkämpfen zum Einsatz kommen werde. Aber klar ist: Wenn ich dabei bin, will ich nicht nur Fünfte werden.
SPOX: Eng könnte es vor allem in der Staffel werden, zumal Sie in Ruhpolding mit den zwei Strafrunden ein kleines Schockerlebnis hatten.
Neuner: Ja, das kann man wohl sagen.
SPOX: Ist es für Sie im Einzel leichter, weil Sie dort nicht den Druck haben, auch noch für drei Teamkolleginnen verantwortlich zu sein?
Neuner: Ja, das ist schon so. In Ruhpolding habe ich mich selbst unter Druck gesetzt. Ich habe immer daran gedacht, dass drei andere nun erwarten und natürlich auch hoffen, dass ich es gut mache. Da habe ich mir irgendetwas eingeredet, das mich belastet hat. Wie es dann gelaufen ist, war natürlich schade. Allerdings wird man solche Erfahrungen als Sportler immer wieder machen. Das passiert ja nicht nur mir. Wichtig ist, dass man so etwas schnell abhaken kann. Und das gelingt mir eigentlich immer recht gut.
SPOX: Nach dieser Staffel in Ruhpolding gab es harte Worte von Schwedens Trainer Wolfgang Pichler, der meinte, Sie werden das Stehendschießen nie mehr lernen.
Neuner: Das stimmt so nicht. Er hat das so nie gesagt. Leider hat ihn eine Zeitung aber so zitiert. Wir haben das hinterher mit ihm geklärt. Es hätte mich schon ein wenig geärgert, wenn er es so gesagt hätte, muss ich zugeben. Andererseits weiß ich ja, dass ich es kann.
SPOX: Schießen ist die eine Sache, das Laufen die andere. In der Loipe sind Sie quasi nicht zu schlagen. Woran liegt das? Können Sie sich mehr quälen als andere?
Neuner: Vielleicht liegt es auch ein bisschen daran. Bei mir ist aber vielleicht auch noch ein Quäntchen Talent dabei. Ich habe schon als Kind gemerkt, dass ich den anderen beim Laufen ein Stück voraus bin. Dafür bin ich unheimlich dankbar. Aber nur auf seinem Talent ausruhen darf man sich nicht. Gerade in einer letzten Runde geht es häufig auch darum, wer besser beißen kann.
SPOX: Woran denken Sie in so einer letzten Runde, womit motivieren Sie selbst sich, wenn jeder Schritt weh tut?
Neuner: Manchmal ist es so, dass ich jemanden vor mir sehe. Dann schalte ich das Hirn aus und blende alle Schmerzen aus. Da kriege ich dann auch nicht mehr viel mit. Manchmal feuere ich mich aber auch selbst an und sage mir immer wieder: Komm, das ich schaffe ich jetzt noch!
SPOX: Mit Krankheit und Verletzung lief in dieser Saison bislang sicher nicht alles nach Wunsch. Mit schlechter Laune sah man Sie allerdings dennoch nicht.
Neuner: Dazu gibt es doch auch keinen Grund. Natürlich ist man erstmal frustriert, wenn es sportlich nicht so läuft. Aber was bringt es mir, wenn ich mich dann zu Hause auf die Couch lege und rumheule? Davon habe ich nichts. Man muss sich eben auch immer wieder vor Augen führen, dass es dabei "nur" um Sport geht und es auch noch wichtigere Dinge im Leben gibt. Ich bin grundsätzlich kein Mensch, der schnell schlechte Laune kriegt.
SPOX: Und was macht Ihnen richtig gute Laune, worüber können Sie herzhaft lachen?
Neuner: (überlegt) Hape Kerkeling finde ich zum Beispiel schon ziemlich lustig. Aber auch, wenn ich zuhause mit Freunden zusammen bin. Dann kommt es schon mal vor, dass ich Tränen lache und fast unterm Tisch liege.
SPOX: Nun stehen Ihre ersten Olympischen Spiele an. Haben Sie Olympia früher immer fleißig vorm Fernseher verfolgt?
Neuner: Oh ja! Ich kann mich noch an Nagano erinnern. Da war ich gerade mal elf Jahre alt und bin natürlich zur Schule gegangen. Ich bin dann immer extra früher aufgestanden, um um sechs Uhr morgens Biathlon zu schauen. Dann saß immer die ganze Familie beim Frühstück vor dem Fernseher und hat mitgefiebert.SPOX: Hat Sie nur Biathlon interessiert?
Neuner: Das nicht. Aber Biathlon durfte ich gucken, danach musste ich in die Schule. (lacht) Interesse war und ist für fast alles da. Wenn Olympia ist, dann interessiert einen irgendwie alles. Bei den Olympischen Sommerspielen in Peking hab ich mir auch gerne Turnen oder den modernen Fünfkampf mit Lena Schöneborn angeschaut. Olympia ist einfach etwas Besonderes.