Laufwunder Magdalena Neuner hat sich mit ihrem zweiten Biathlon-Gold zur Königin der Winterspiele von Vancouver gekrönt und für die abschließende Staffel eine Fortsetzung ihrer goldenen Serie in Aussicht gestellt.
Mit einer grandiosen Schlussrunde in einem dramatischen Massenstart-Rennen wurde die 23-Jährige nach ihrem Triumph in der Verfolgung erneut Olympiasiegerin und übernahm damit buchstäblich im Vorbeigehen auch die Führung in der Weltcup-Gesamtwertung.
Mit einem strahlenden Lächeln und emporgereckten Armen überquerte Magdalena Neuner die Ziellinie. Den deutschen Jubeltag im Sonnenschein von Whistler rundete Simone Hauswald mit Bronze ab, dazwischen schob sich die Russin Olga Saizewa.
Neuner: "Hab nicht damit gerechnet"
"Ich habe vorher überhaupt nicht damit gerechnet, und schwupps habe ich meine zweite Goldmedaille", sagte Neuner überglücklich. Geht es nach ihr, soll das beileibe noch nicht der Schlusspunkt in Whistler gewesen sein: "Wir haben eine sehr, sehr gute Chance, am Dienstag in der Staffel zuzuschlagen. Ich glaube auch, dass es passt, ich habe ein sehr gutes Gefühl."
Dazu müssen sich die anderen allerdings noch ein bisschen steigern: Andrea Henkel wurde im Massenstart Neunte, Kati Wilhelm landete nach einer schwachen Schießleistung nur auf Platz 25.
Simone Hauswald, die schon bei der Blumenzeremonie im Skistadion von ihren Gefühlen überwältigt wurde, kündigte auch für die Medaillenvergabe große Emotionen an: "Da werde ich meinen Tränen freien Lauf lassen. Ich habe ja schon geweint, als ich über die Ziellinie fuhr. Es war so ein schönes Rennen."
DOSB-Präsident Thomas Bach verneigte sich vor seinen Athletinnen: "Die Mädels sind einfach phantastisch. Das war ein grandioser Schlussspurt." Noch 7,3 Sekunden Rückstand hatte Neuner nach dem letzten Schießen auf Olga Saizewa gehabt, im Ziel waren es 5,5 Sekunden Vorsprung auf die Silbergewinnerin.
"So sehen Sieger aus"
Die sechsmalige Weltmeisterin Neuner hat in Whistler bereits dreimal Edelmetall (zweimal Gold, dazu einmal Silber im Sprint) gewonnen und befürchtet auf der Heimreise Probleme mit dem Handgepäck: "Die Medaillen sind so schwer." Die deutsche Kolonie auf der Tribüne stimmte das Lied "So sehen Sieger aus" an, während Bundestrainer Uwe Müssiggang seine Frauen in den Arm nahm.
"So sehen Champions aus. Beim letzten Stehendschießen haben die beiden extrem gut gearbeitet", sagte der Goldschmied, der nach der Saison zum Oberboss für Frauen und Männer aufsteigt. Sein Sportdirektor Thomas Pfüller hatte Tränen in den Augen: "Unglaublich, wie die Mädels dem großen Druck standgehalten haben."
Neuner fühlt sich in der Form ihres Lebens und schickte vor der Staffel eine deutliche Kampfansage an die Konkurrenz: "Ich bin im Rennen momentan sowas von sicher, ich habe überhaupt keinen Stress, nur Spaß. Ich weiß, was ich kann, ich habe soviel Kraft, ich denke, das geht so weiter."
Wilhelm erneut ohne Medaille
Mit dem Selbstbewusstsein eines WM-Titels von 2008 und drei Weltcup-Siegen war Neuner in ihr Lieblingsrennen Massenstart gegangen ("Da geht es auch mal sehr eng zu. Das gefällt mir"). Zuerst übernahm die Teamkollegin Kati Wilhelm die Führung, doch dann machte Neuner das Tempo. Beim ersten Schießen leistete sich die Topfavoritin genau wie Wilhelm und Henkel einen Fehler.
Ohne Fehlschuss kam nur Simone Hauswald durch, die fortan als Spitzenreiterin das Tempo bestimmte. Neuner hatte 20 Sekunden Rückstand und musste von hinten auf die Jagd gehen. Auch beim zweiten Liegendschießen fielen bei Hauswald alle Scheiben.
Magdalena Neuner bleib bei ihrer Schnellfeuer-Einlage ebenfalls fehlerlos und ging als Achte mit 19 Sekunden Rückstand auf Spitzenreiterin Hauswald zurück auf die Strecke. Die dreimalige Olympiasiegerin Kati Wilhelm ließ dagegen gleich drei Scheiben stehen und büßte so frühzeitig die letzte Chance auf die ersehnte Einzelmedaille ein.
Henkel: "Auf der Strecke ging gar nichts"
"Der Druck war riesig. Ich wollte unbedingt eine Einzelmedaille", hatte Kati Wilhelm vor dem Rennen gesagt. Doch die Vierte über 15 km verfehlte dieses Ziel bei ihrer letzten Chance klar. Hauswald forcierte derweil vorn das Tempo und versuchte, sich von ihren Verfolgerinnen abzusetzen. Beim ersten Stehendschießen ließ Hauswald allerdings zwei Scheiben stehen und fiel zurück.
Auch Neuner patzte einmal, womit plötzlich Andrea Henkel auf Platz sechs die beste Deutsche vor Hauswald und Neuner war. Am Ende war Henkel mit ihrem Rennen alles andere als zufrieden: "Auf der Strecke ging gar nichts, zumindest sind die Scheiben heute gefallen."
Neuner: "Medaille in Staffel fast Pflicht"
Neuner und Hauswald holten bis zum finalen Stehendschießen wieder ein paar Sekunden auf.
Beide gingen am Schießstand volles Risiko und schossen null. Neuner machte sich auf die Jagd, holte Saizewa ein und ließ sie am Anstieg einfach stehen. Hauswald war zwischenzeitlich sogar Zweite, musste die Russin aber dann doch wieder vorbeiziehen lassen.
Wie bei den letzten beiden Winterspielen von Turin und Salt Lake City stehen nach den Einzelrennen vier Medaillen für die deutschen Biathletinnen zu Buche. Am Dienstag soll die vierte hinzukommen - sagt Magdalena Neuner: "Eine Medaille in der Staffel ist ja nach diesem Mannschaftsergebnis fast schon Pflicht."Diese Medaille muss aber ausgerechnet ohne die Doppel-Olympiasiegerin gewonnen worden. "Für mich war das heute mein letztes Rennen. Ich bin mit den Olympischen Spielen fertig. Es war meine Entscheidung. Aber ich denke, dass die Mädels alle heiß sind und sich eine Medaille sichern wollen", sagte Neuner nach ihrem Triumph im Massenstart.