"Enttäuschung ja, aber Frust habe ich nicht", behauptete die 16-malige Weltmeisterin nach ihrem neunten Platz im 1500-m-Rennen - das könnte sich allerdings schnell ändern.
Bundestrainer Markus Eicher stellte nach der zweiten schwachen Vorstellung Friesinger-Postmas im Richmond Oval öffentlich die Tauglichkeit der 16-maligen Weltmeisterin und zweimaligen Olympiasiegerin für die Teamrennen am Freitag und Samstag infrage.
"Ich bin unsicher, ob das etwas bringt mit Anni", sagte der ehemalige Privattrainer der 33-Jährigen: "Im Moment würde ich sagen, es laufen Daniela Anschütz-Thoms, Stephanie Beckert und Katrin Mattscherodt, Anni ist mir zu unsicher."
Eicher: "Mit Anni ein gewagtes Ding"
Eicher verwies auf die zuletzt starken Leistungen seines eingespielten Trios und darauf, dass Friesinger-Postma in dieser Saison kein einziges Mal mit dem Team trainieren konnte: "Mit Anni wäre das ein gewagtes Ding. Wenn das schiefgeht, dann sagen doch alle: Ja seid ihr denn eigentlich bescheuert?" Bei all seinen deutlichen Worten ließ sich der 55 Jahre alte Bayer aber auch Rückzugsmöglichkeiten.
Das 5000-m-Rennen am Mittwoch, wenn seine drei bevorzugten Kandidatinnen laufen, will er abwarten. Er werde sich noch mit seinen Trainerkollegen besprechen. Auch taktische Überlegungen spielten eine Rolle, je nachdem, wer der Gegner ist. Noch am Abend nach dem Rennen traf sich Eicher mit Friesinger-Postma und deren Coach Gianni Romme zu einem Sechs-Augen-Gespräch.
"Wir haben lange über alles gesprochen. Natürlich will sie unbedingt laufen. Ich glaube aber, wir waren grundsätzlich auf einer Linie", sagte er. Man habe verabredet," noch ein, zwei Nächte über die Sache zu schlafen".
Im Viertelfinale zum Auftakt wartet am Freitag entweder Südkorea oder das Prestigeduell mit den Niederlanden. In einem möglichen Halbfinale am Samstag wäre höchstwahrscheinlich das Weltrekord-Team von Gastgeber Kanada der Gegner.
Friesinger: "Habe Lust aufs Team"
"Wir wollen auf jeden Fall eine Medaille, um nichts anderes geht es", sagte Eicher und betonte: "Die letzte Entscheidung liegt bei mir." Nach Friesinger-Postmas Meinung geht kein Weg an ihr vorbei.
"Ich habe definitiv noch Lust aufs Team. Der Teamlauf ist eine Mischung aus Lang- und Mittelstrecke, und auf 1000 und 1500 m war ich hier die beste Deutsche", sagte sie und verschwand in der Umkleidekabine, bevor Eicher mit seinen Ausführungen begann.
Ihr Manager Klaus Kärcher sagte, er akzeptiere zwar die Entscheidung Eichers, aber dem Bundestrainer müsse klar sein: "Anni würde sich beide Beine ausreißen, um bei ihren letzten Spielen doch noch eine Medaille zu bekommen." Eichers Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Nicht nur Friesinger-Postmas Defizite an Kraft und Spritzigkeit, die im 1500-m-Rennen wieder überdeutlich wurden, bereiten ihm Kopfzerbrechen.
Sein ehemaliger Schützling passt vom Typ her sportlich auch nicht zu Stephanie Beckert, die im Team gesetzt ist. "Wenn Anni schnell ist, nämlich am Anfang des Rennens, dann ist Steffi zu langsam. Wenn aber Steffi richtig schnell wird, nämlich am Ende, dann bekommt Anni Probleme", sagte Eicher.
Entscheidung eventuell erst kurz vor dem Start
Am Dienstag muss er vier Läuferinnen für die Teamrennen nominieren. Zu diesem Quartett soll die zweimalige Olympiasiegerin auf jeden Fall gehören.
Wen er tatsächlich einsetzt, darf er auch noch kurz vor dem Start entscheiden. Friesinger-Postmas Enttäuschung über Platz neun in ihrem letzten oylmpischen Einzelrennen drei Tage nach dem Stolperlauf zu Rang 14 über 1000 m hielt sich in Grenzen."Wäre ich Top-Favoritin gewesen wie in Salt Lake City oder Turin, dann hätte ich jetzt Frust", sagte sie. Selbstkritisch erkannte sie aber auch: "Das bin nicht ich, die da gelaufen ist, nicht so kräftig, nicht so dynamisch wie sonst, wenn ich richtig fit bin. Dieses Ergebnis zeigt das, was ich momentan leisten kann."