"Sorry an alle, die heute vor dem Rennen über Gold geschrieben hatten - ihr habt mehr Ahnung vom Skifahren als ich!" Eine falsche Einschätzung zuzugeben, gehört nicht unbedingt zu den leichtesten Übungen eines Menschen. Und trotzdem dürfte Marcus Höfl bei seinem Tweet während der Medaillenzeremonie mehr als nur geschmunzelt haben.
Schließlich war er es, der zwölf Stunden zuvor noch ein wenig Druck von seiner Ehefrau nehmen wollte: "Wie kann man nach den Trainingsergebnissen hier ständig von 'Gold' reden!?"
Im Nachhinein dürfte auch Maria Höfl-Riesch über diese Episode lachen können - und ihrer besseren Hälfte das fehlende Vertrauen vielleicht noch scherzhaft ab und zu um die Ohren hauen. Schließlich holte sie am dritten Tag in Sotschi unsere zweite Goldmedaille. Für Deutschlands Ski-Königin war der Erfolg in der Super-Kombination insgesamt sogar schon der dritte Olympiasieg ihrer Karriere.
Damit zog Höfl-Riesch mit der großen Katja Seizinger gleich. Und auch auf Kjetil Andre Aamodt und Janica Kostelic, die beiden erfolgreichsten Alpinen aller Zeiten, fehlt nur noch eine Goldene. "Das war wie ein Märchen aus dem Bilderbuch", so die 29-Jährige, der man die Erleichterung deutlich anmerkte.
Es blieb leider die einzige Medaille am Montag. Simon Schempp kämpfte sich in der Biathlon-Verfolgung zwar stark nach vorne, verballerte aber ausgerechnet den 20. Schuss - nach 19 Treffern in Folge. "Ich habe gedacht, dass ich ihn getroffen habe, es war ganz knapp. Natürlich bin ich enttäuscht, weil ich so nah dran war", sagte Schempp, der beim Sieg von Martin Fourcade Sechster wurde.
Dafür könnte der vierte Tag (6.30 Uhr im LIVE-TICKER) für einen wahren Medaillenregen sorgen. Rodel-Gold durch Natalie Geisenberger ist eh bereits so gut wie fix. Im Eisschnelllauf hoffen wir zudem auf Jenny Wolf über 500 Meter, im Langlauf-Sprint könnte dank Denise Herrmann und Josef Wenzl auch was gehen. Slopestyle-Schnuckelchen Lisa Zimmermann und Skispringern Carina Vogt hegen ebenfalls Ambitionen aufs Podium. Und vielleicht erinnern sich die DSV-Jägerinnen in der Verfolgung ja auch noch an die erfolgreiche deutsche Biathlon-Historie. Aus internationaler Sicht blickt natürlich jeder auf das Halfpipe-Finale mit US-Superstar Shaun White.
Die Entscheidungen des Tages:
Wettbewerb | Entscheidung |
Ski alpin/Super-Kombi, Frauen | Gold! Höfl-Riesch macht sich unsterblich |
Biathlon/Verfolgung, Männer | Fourcade triumphiert - Schempp Sechster |
Shorttrack/1500 m, Männer | Dritter Olympiasieg für Hamelin |
Eisschnelllauf/500 m, Männer | Nächster Dreifacherfolg für die Niederlande |
Freestyle/Buckelpiste, Männer | Bilodeau verteidigt Titel |
Was sonst noch wichtig war:
Eishockey:
Über zu wenig Arbeit kann sich Florence Schelling momentan nicht beklagen. Zwei Tage nach ihrer 64-Saves-Gala gegen Team Canada kam die Schweizer Torhüterin diesmal auf 44 Paraden. Das Problem an der Sache: Auch im Duell mit den US-Girls zogen die Eidgenossen deutlich den Kürzeren. Die Amerikanerinnen stehen nach dem 9:0-Erfolg bereits im Halbfinale. Und für Schelling bleibt die Hoffnung, vielleicht im letzten Vorrundenspiel gegen Finnland, das den Kanadierinnen mit 0:3 unterlag, einen angenehmeren Nachmittag zu erleben. Spätestens ab Mittwoch rücken die Mädels aber in den Hintergrund. Dann beginnt das mit NHL-Stars gespickte Turnier der Männer - Sidney Crosby und Co. absolvierten am Montag das erste Training in Sotschi. Crosby stürmte dabei an der Seite von Chris Kunitz und Jeff Carter.
Curling:
Feierabendsportler? Von wegen! Skip John Jahr und sein Team hat gegen den großen Favoriten Kanada nur knapp den Kürzeren gezogen. Bis zum letzten End hatte Deutschland Chancen auf die Sensation, am Ende hieß es im Duell mit dem Olympiasieger und Rekordweltmeister 8:11. "Das Spiel war bis zum letzten Stein offen, das ist nicht so schlecht. Und wenn das gegen Kanada der Fall ist, sowieso nicht", so Jahr. Am Dienstag wartet Großbritannien - der nächste Medaillenanwärter. Eigentlich auch eine klare Sache - aber wer weiß das schon beim fröhlichen Steine schieben.
Rodeln:
Vielleicht sollte es Natalie Geisenberger mal mit einem normalen Schlitten probieren. Oder einem Wok. Ansonsten hat die Konkurrenz ja gar keine Chance. Die amtierende Weltmeisterin zerstörte die Konkurrenz in den ersten beiden Läufen regelrecht. 0,766 Sekunden hat sie vor der Entscheidung am Dienstag Vorsprung auf Tatjana Hüfner. Die kommt bekanntermaßen auch aus Deutschland und machte damit ihre katastrophalen Trainingsergebnisse vergessen. Einem Doppelsieg (und der fünften Goldmedaille bei den Frauen in Folge) steht also nichts mehr im Weg. Nicht zu vergessen: Auch bei den Doppelsitzern gab es im Training dank Tobias Wendl und Tobias Arlt das bekannte Bild.
Mann des Tages: Martin Fourcade
Es gab auch an Tag 3 wieder einige Kandidaten für diese Rubrik: Snowboarder Alexey Sobolev zum Beispiel, der in den letzten Tagen 2000 SMS inklusive vieler eindeutiger Bilder von weiblichen Fans bekam, nachdem seine Handynummer in der Slopestyle-Qualifikation auf dem Helm abgebildet war. Oder Badezimmertür-Liebhaber Johnny Quinn, der diesmal offenbar im Aufzug stecken blieb.
Trotzdem gebührt diese Auszeichnung am Montag Martin Fourcade - aber nicht nur wegen seines Olympiasiegs. Der Franzose lieferte eine unfassbare Szene, als er sich nach seinem letzten Schuss beim vierten Schießen umdrehte, in Richtung seines Trainers blickte und mehrmals den Finger in die Luft reckte.
Ganz nach dem Motto: Ich bin hier der Boss! Dass er dabei mehrere Sekunden verlor - who cares?!? SPOX meint: Der Typ hat einfach Eier. Deswegen dürfte ihm auch der kleine Shitstorm über Twitter ("Asozial", "Unsympath") relativ egal sein.
Frau des Tages: Julia Mancuso
Klar, Maria Höfl-Riesch wäre die einfache und logische Wahl gewesen. Aber bei SPOX läuft ja nicht alles einfach ab, und logisch schon gleich gar nicht - außerdem ist Julia Mancuso ganz offiziell einfach die abgezockteste Sau auf diesem Planeten.
Das US-Girl gehört nämlich zu einer besonderen Spezies. Die Saison kann noch so schlecht laufen, sobald ein Großereignis ansteht, ist Jules zur Stelle. In Sotschi fuhr sie zum ersten Mal in diesem Jahr aufs Podest - und lieferte danach ihre ganz eigene Show ab.
Wie ein wild gewordenes Kaninchen auf Speed feierte sie ihre Bronzemedaille im Zielbereich und grinste dabei über beide Ohren. Dass sie bei der Medaillenzeremonie einige Stunden später auch noch mit einem kleinen Diadem auftauchte, passte einfach zu ihrem Auftritt. Insgesamt war es das vierte Olympische Edelmetall (1x Gold, 2x Silber, 1 Bronze) - und es dürfte nicht das letzte bleiben.
Sprüche des Tages:
"Er kann sich nicht gscheid volllaufen lassen." (Sportlich sind sie schon auf einem Niveau. Nur beim Feiern hat der Hackl-Schorch gegenüber Olympiasieger Felix Loch noch die Nase vorne)
"Zum Glück sind unsere Rennen erst nachts, denn es dauert den ganzen Tag, um mit dem Shuttle dorthin zu kommen." (US-Biathlet Tim Burke kann auf der langwierigen Fahrt ins Biathlon-Stadion Laura zumindest die Landschaft genießen)
"Normalerweise macht er immer etwas Dummes." (Matthias Mayers Olympiasieg überraschte selbst seinen Cheftrainer Mathias Berthold)
"Ich glaube, meine Freunde finden es fast cooler als ich, dass ich dabei bin." (Cool, cooler, Lisa Zimmermann)
"Die Lisa scheißt sich einfach nix." (Ski-Slopestyle-Trainer Thomas Hlawitschka über Miss Coolness)
"Er war glücklich, mich zu sehen. Und dann musste er schnell wieder fort." (Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Ireen Wüst nahm ihre Begegnung mit Wladimir Putin locker hin)
"Er ist Single und sehr schüchtern. Bitte sprecht ihn an!" (Der Vater von US-Rodler Brett West kümmert sich um die zwischenmenschlichen Belange seines Sohnes)
"All jene (im Team oder außerhalb des Teams, Anm. d. Red.), die nicht die Meinung von Claudia und ihrem Lebensgefährten teilen, haben schnell ein Problem. Er verhält sich wie ihr Beschützer. Seine Einschüchterungen haben schon einige Menschen spüren dürfen." (Beste Freunde werden Anna Friesinger-Postma und Claudia Pechstein wohl auch in Zukunft nicht mehr)
"Sportler sollen einen besseren Platz finden, um ihre Trauer auszudrücken." (IOC-Sprecher Mark Adams zu den Trauerbekundungen. Ein wenig Fingerspitzengefühl wäre nicht schlecht gewesen)
Zahlen des Tages:
3 Millimeter fehlten Simon Schempp im Sprint, um auch seinen 20. Schuss im Ziel unterzubringen - und sich damit womöglich Bronze zu sichern.
15 Jahre alt ist Gianina Ernst - und damit die jüngste deutsche Teilnehmerin in Sotschi. Umso bitterer, dass die Skispringerin die Qualifikation krankheitsbedingt absagen musste.
30 Olympiasiege haben die niederländischen Eisschnellläufer mittlerweile auf dem Konto. Das bedeutet Platz eins in der ewigen Rangliste vor den USA.
90 Prozent der Plätze waren an den ersten Tagen in Sotschi besetzt. Das klingt ganz nett, angesichts vollmundiger Ankündigungen von ausverkauften Wettkampfstätten im Vorfeld klingeln beim IOC aber bereits die Alarmglocken.
1984 gewannen Phil und Steven Mahre als erstes Zwillingspaar Medaillen in derselben Disziplin. Die Niederländer Michel (Gold) und Ronald Mulder (Bronze) machten es ihnen nun über 500 Meter im Eisschnelllauf nach.
1992 hat die Sbornaja das letzte Mal Olympisches Gold gewonnen. Am Montag landeten Ovechkin, Malkin und Co. in Sotschi - ihr Auftrag ist klar.
Name des Tages: Macarena Simari Birkner
Rechter Arm nach vorne, linker Arm nach vorne, rechte Hand auf linken Arm und umgekehrt. Danach die rechte und die linke Hand in den Nacken, dann die rechte und linke Hand auf den Hintern, dreimal mit den Hüften gewackelt, eine Drehung zur Seite, und alles beginnt von vorne.
Na, wer erinnert sich noch daran? Macarena eroberte 1996 die Welt - wohin man auch kam, überall sah man verrückte Menschen beim verzweifelten Versuch, ihre Hüften kreisen zu lassen. Damit dürfte Senorita Birkner keine Probleme haben. Erstens lautet ihrer Vorname genauso wie die Altersversorgung der Band Los del Rio, zweitens hat man als Südamerikanerin ja sowieso Musik im Blut.
Nur eine Sache muss uns die Argentinierin, die am Montag die Super-Kombination immerhin auf Platz 20 beendete, erklären: Was hat sich ihr Verband bloß bei ihrem Rennanzug gedacht? Eine gepunktete Tapete aus den 60er Jahren? Dann doch lieber unsere Regenbogenjacken.