"Und Müller hat nur 86?!"

Von Marc Hauser
Marc Hauser erklärt die Entstehung der Werte von Timo Werner (l.) und Thomas Müller (r.)

Es ist für viele FIFA-Zocker jedes Jahr auf's Neue eines der spannendsten Themen, wenn ein neues Spiel der Fußballsimulation von EA Sports auf den Markt kommt: die Spielerstärken beziehungsweise Bewertungen der einzelnen Spieler und Mannschaften. Doch wie kommen die Werte überhaupt zustande? Auf welche Kriterien wird besonders Wert gelegt und auf welche weniger? Ein Insider beantwortet die wichtigsten Fragen.

Cookie-Einstellungen

Wer ist für die Stärken zuständig?

Es gibt für die Mannschaften im Spiel so genannte "Data Editoren". Diese sind für die Attribute der einzelnen Spieler zuständig, jedoch auch für Dinge wie die Auswahl der richtigen Fußballschuhe, Frisuren, Aufstellung oder auch der taktischen Ausrichtung. Ich bin derzeit einer der Verantwortlichen für den VfB Stuttgart.

Das Editieren der Attribute ist jedoch keine One-Man-Show. Dadurch wird sichergestellt, dass ein möglich realistisches Bild der Stärken und Schwächen der einzelnen Spieler im Spiel abgebildet werden kann.

Zusätzlich zu den Editoren gibt es daher noch die "Data Reviewer". Das sind Experten für die einzelnen Mannschaften, die Zugang zu den Teams haben, für die sie sich beworben haben, jedoch keine Editier-Rechte. Ihre Aufgabe besteht darin, den Editoren Vorschläge zu machen, welche Werte man ändern könnte und warum.

Wie kommen die Stärken zustande? Auf welche Kriterien wird besonders geachtet?

Eine wichtige Regel beim Editieren besagt, dass die Einzelattribute auf jeden Fall Vorrang vor der Gesamtstärke (=Overall) haben. Durch diese Fokussierung auf die Einzelattribute gelingt es, die besonderen Stärken und Schwächen eines Spielers herauszuarbeiten. Natürlich wird auch geschaut, dass die Verhältnisse der Gesamtstärken der Spieler untereinander einigermaßen passen und zum Beispiel nicht der Ersatztorwart ein Jahr lang um drei Punkte besser dasteht als der erste Torhüter. Allerdings soll vermieden werden, dass Spieler künstlich hochgepusht oder abgewertet werden, nur um eine bestimmtes Overall zu erreichen.

SPOX bei Facebook - schau vorbei!

Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist Thomas Müller vom FC Bayern. Müller ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Münchener und des deutschen Nationalteams und bringt konstant Leistungen auf sehr hohem Niveau. Trotzdem ist er mit einem Overall von 86 verglichen mit anderen Spielern auf seinem Leistungslevel eher niedrig eingestuft. Auch wenn er von seinen Leistungen und seinem Wert für die Mannschaft vielleicht eine höhere Gesamtstärke verdient hätte, wäre dies nur möglich, wenn er in einigen Attributen gepusht werden würde. So gehört er zwar bei Abschluss oder Stellungsspiel, wie in echt, auch bei FIFA zur absoluten Weltspitze. Bei Attributen wie Dribbling, Ballkontrolle oder Passspiel hat er jedoch keine Weltklasse-Werte, weil er in diesen Bereichen einfach gewisse Schwächen hat und dort nach Einschätzung der Data Editoren und Data Reviewer kein Weltklasse-Niveau verkörpert. Um ein höheres Overall als 86 zu erreichen, müsste er also bei diesen Werten gepusht werden, da sie für seine Position in FIFA wichtig sind. Da jedoch realistische Einzelattribute wichtiger sind als das Overall, wird dies vermieden.

Wie entscheidend ist die aktuelle Form?

Der Einfluss der Leistungen in der realen Fußballwelt auf die Stärken der Spieler wird häufig missverstanden. Ein erfahrener Spieler, der vielleicht gerade ein schlechtes Halbjahr hinter sich hat, wird nicht direkt in allen Attributen um 10 Punkte gekürzt, da er seine Fähigkeiten in den Jahren zuvor bewiesen hat. Genauso wenig werden junge Talente, die gerade ihre ersten Schritte im Profifußball machen, nach einigen starken Spielen gleich auf das Niveau eines Spielers gehoben, der sich bereits seit Jahren in der Bundesliga oder einer anderen Liga etabliert hat.

Neben diesen beiden wichtigen Grundsätzen gibt es noch weitere Kriterien, auf die Wert gelegt werden muss. So wird ein Spieler zum Beispiel ausschließlich danach bewertet, was er bisher geleistet hat und nicht, was er in Zukunft vielleicht einmal leisten könnte. So steht ein Top-Talent wie Timo Werner bei einem Overall von 72 (Stand: Release FIFA 16), obwohl ihm ja von vielen nicht zu Unrecht eine große Zukunft vorausgesagt wird. Das grundsätzliche Entwicklungspotenzial eines Spielers hat dabei allerdings keinerlei Einflüsse auf die Attribute eines Spielers. Es wird durch den Potenzial-Wert dargestellt, der aussagt, welcher Wert einem Spieler auf dem Höhepunkt seiner Karriere zugetraut wird. Hierbei handelt es sich natürlich um einen sehr subjektiven Wert, da man nie hundertprozentig voraussagen kann, wie sich ein Spieler entwickeln wird.

Wie wirken sich Verletzungen aus?

Ein weiterer Grundsatz besagt, dass verletzte Spieler nicht drastisch abgewertet werden dürfen, nur weil sie verletzt sind. Hier gilt dann auch das Argument der fehlenden Spielpraxis nicht. Erst wenn der Spieler wieder fit ist, kann man sich eine verlässliche Einschätzung erlauben, inwiefern die Verletzung dem Leistungsvermögen des Spielers geschadet hat.

Es gibt natürlich noch viele weitere Gesichtspunkte und Einzelfälle, die beachtet werden müssen, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Artikel einen kurzen Einblick geben konnte, wie das Editieren der Spielerstärken abläuft und worauf besonders Wert gelegt wird.

Falls ich euer Interesse geweckt haben sollte, als Data Editor oder Data Reviewer tätig zu werden, könnt ihr euch hier bewerben:

Data Reviewer gesucht

Football Analyst gesucht