Auf der Suche nach Leo

Von Sebastian Hahn
Die Jacksonville Jaguars haben bereits ordentlich invetiert
© getty

Erneut haben die Jacksonville Jaguars in der Free Agency einige Millionen locker gemacht, in der kommenden Saison sollen die ersten Playoffs seit 2007 her. Allerdings fehlt weiterhin ein Schlüsselspieler für Gus Bradleys Defense, darüber täuschen auch die Verpflichtungen von Malik Jackson, Prince Amukamara und Tashaun Gipson nicht hinweg. Denn: Noch ist die größte Attraktion im EverBank Field der Stadion-Pool.

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2013 sollte das Jahr der Veränderungen in Jacksonville werden. Die Jaguars wurden mit einem neuen Logo ausgestattet, mit Gus Bradley übernahm ein Sprössling der Pete-Carroll-Coaching-Schule die Position des Head Coaches in Florida. Bradley hatte unter Carroll zuvor vier Jahre lang das Fundament für jene Defense gelegt, die kurz nach seinem Wechsel nach Jacksonville als "Legion of Boom" zwei Super-Bowl-Teilnahmen in Folge einheimsen sollte. Ihm zur Seite gestellt wurde David Caldwell, ehemaliger Chefscout der Atlanta Falcons und mit reichlich Erfahrung hinter den Kulissen ausgestattet.

Drei Jahre später stehen beide nur unwesentlich besser da, als vor ihrer Ankunft in Jacksonville. 12-36 lautet die Bilanz nach drei Spielzeiten, die Fans der Jags müssen weiter auf den ersten Playoff-Auftritt seit 2007 warten. Trotz hoher Draft-Picks und reichlich Offseason-Ausgaben macht die junge Franchise, die in der abgelaufenen Saison ihr 20-jähriges Jubiläum feierte, nur kleine Fortschritte, Caldwells Draft-Picks stechen größtenteils nicht.

Ein Umstand, der Caldwell und Bradley wohl längst den Job gekostet hätte, wären da nicht Blake Bortles und Allen Robinson. Beide wurden von Caldwell im Draft 2014 gepickt, beide lieferten jeweils eine überzeugende Sophomore-Saison ab - und hielten die Jags in der schwachen AFC South sogar im Playoff-Rennen. Fünf Siege stellten einen neuen Bestwert der Bradley-Ära dar - und ließen den Coach bei allen Entlassungen in der Liga während der Offseason etwas ruhiger im Sattel sitzen.

Vollgas in Richtung Playoffs

Die Jaguars wollten die teils vielversprechenden Ansätze der abgelaufenen Saison nutzen, um in der Free Agency den Kader weiter zu verbessern - und legten dafür reichlich Kohle auf den Tisch. Broncos-Defensive-End Malik Jackson, der im Super Bowl half, Cam Newton andauernd unter Druck zu setzen und dessen Fumble in der End Zone unter sich begrub, wurde für stolze 90 Millionen Dollar über sechs Jahre aus Mile High losgeeist. Browns-Safety Tashaun Gipson (35,5 Millionen Dollar Gehalt) unterschrieb genauso für fünf Jahre wie Ex-Jet und Running Back Chris Ivory (32,5).

Während alleine diese drei Verträge 158 Millionen Dollar verschlingen, bewies Caldwell bei einigen Signings auch ein feines Gespür: Der Einjahresvertrag für Cornerback Prince Amukamara (vorher New York Giants) über sechs Millionen Dollar ist genauso sinnvoll wie die 4,5 Millionen Dollar, die Left Tackle Kelvin Beachum (Pittsburgh Steelers) im ersten Jahr seines neuen Vertrags verdient, bevor die Jags seinen Deal im kommenden Frühling wahrscheinlich neu strukturieren.

Katastrophale O-Line

Alle fünf Spieler dürften direkt auf ihren Positionen starten, was angesichts der großen Probleme der Jaguars in der abgelaufenen Saison allerdings niemanden überraschen würde. Beachum alleine lässt die löchrige Offensive Line der Jaguars schon ein wenig furchteinflößender wirken, immerhin sorgte der 26-Jährige in den letzten vier Jahren für eine gute Protection von Ben Roethlisberger. Trotzdem wird es Beachum alleine nicht schaffen, die viertschlechteste O-Line der Liga auf ein neues Level zu heben. Blake Bortles wurde im letzten Jahr 51 Mal gesackt - so oft wie kein anderer Quarterback. Auch die Tatsache, dass Bortles mit 14 Fumbles die Liga anführt, kommt nicht von ungefähr. Der junge Signal Caller ist fast immer unter Druck, weil der gegnerische Pass Rush meist mühelos seine Protection durchbricht.

Und die Personaldecke ist weiterhin dünn. Auf Center besteht nach dem wahrscheinlichen Abgang von Stefen Wisniewski ein Loch, Backup Luke Bowanko ist nicht wirklich die Ideallösung. Wacklig ist ebenfalls Right Tackle Jermey Parnell, die beiden Drittrunden-Picks A.J. Cann und Brandon Linder gehen erst in ihre zweite bzw. dritte Saison. Auch mit Beachum ist die O-Line vor Bortles also immer noch löchrig, auch wenn vor allem von Cann und Linder in dieser Saison ein Sprung erwartet werden dürfte.

Traum-Duo Bortles und Robinson

Dabei ist die Offense der Jaguars eigentlich noch das kleinste Problem in Jacksonville. Blake Bortles machte in seinem zweiten Jahr einen riesigen Schritt nach vorne, warf mit 4428 Yards fast 1500 mehr als noch in seiner Rookie Saison und hielt dabei sowohl seine Passquote (58,6 zu 58,9) als auch seine Interceptions (18 statt 17) auf ähnlichem Niveau. Außerdem bewies er in engen Spielen Nervenstärke und führte die Jags dreimal im letzten Viertel zum Sieg - etwas, das im Alter von 23 Jahren nur noch Matthew Stafford (5 Game-Winning-Drives), Josh Freeman (4) und Peyton Manning (3) gelang.

Mitverantwortlich dafür ist Wideout Allen Robinson, der in seiner zweiten Saison explodierte und mit 1400 Yards den Receiving Corps der Jaguars anführte. Eine Pro-Bowl-Nominierung gab es zum Saisonende obendrauf. Mit Robinson und seiner zweiten Option Allen Hurns hat Bortles also zwei gute Ziele zur Verfügung, die noch effizienter werden dürften, wenn der 23-jährige Quarterback in der Pocket eben noch mehr Zeit zur Verfügung hat.

Auch im Rushing Game werden die Jaguars für die kommenden Jahre gut aufgestellt sein, denn Sophomore T.J. Yeldon dürfte sich nach einer ordentlichen Rookie-Saison weiterentwickeln und von Chris Ivory lernen, der nach einer starken Saison bei den Jets aus dem Big Apple nach Florida kommt.

Ivorys Deal ist allerdings auch gleichzeitig noch eines der größten Fragezeichen unter den Moves der Jags. Der Running Back ist häufig verletzt und mit Yeldon steht eigentlich bereits ein mindestens annehmbarer RB für die Zukunft bereit. Es wird spannend zu sehen sein, wer in Week 1 den Platz neben Bortles als Starter einnimmt.

Jackson der neue Defense-Chief?

Während die Offense bereits vielversprechende Ansätze zeigt, war die Defense zumeist ebenso löchrig wie die eigene O-Line. 6000 Yards ließen die Jaguars in der abgelaufenen Saison zu, das reicht für den siebtschlechtesten Wert der gesamten Liga. Die Secondary ist mit lediglich neun Interceptions (Platz 28) quasi nicht existent, hier dürften aber vor allem die Neuverpflichtungen Gipson und Amukamara Abhilfe schaffen und gemeinsam mit Jonathan Cyprien die gegnerischen Wideouts besser unter Druck setzen.

Bradley, vor seinem Engagement in Jacksonville Defensive Coordinator bei den Seahawks, ist aber vor allem der Pass Rush ein Dorn im Auge. Nur Jared Odrick gelangen in der vergangenen Spielzeit mehr als vier Sacks (5,5), wirklich furchteinflößend ist die D-Line der Jags also für niemanden. Das soll Jackson als neuer Chef im Spiel gegen den Ball ändern, auch der letztjährige First-Round-Pick Dante Fowler Jr. soll nach überstandenem Kreuzbandriss für Stabilität sorgen.

Sehnsucht nach Avril 2.0

Allerdings fehlt den Jags weiterhin ein sogenannter "LEO", den Bradley in Seattle als Teil der Defense etablierte. Gemeint ist damit ein Hybrid aus Defensive End und Outside Linebacker, der sich quasi frei in der Defense bewegen kann und ausschließlich für den Pass Rush zuständig ist. Cliff Avril füllt diese Rolle gemeinsam mit Bruce Irvin in Seattle fast perfekt aus.

Gesucht ist ein kräftiger und gleichzeitig schneller Spieler, der den gegnerischen Quarterback dauerhaft unter Druck setzt. Jackson scheint dafür zu langsam, Fowler Jr. zu schmächtig und zu unerfahren. Andre Branch ist aktuell noch die beste Alternative für Jacksonville, aber auch keine Ideallösung.

Da die Jaguars den fünften Pick in der Draft haben, könnte natürlich darüber Verstärkung erfolgen - sofern Joey Bosa an dieser Position noch verrfügbar ist. Als wahrscheinlich gilt aber ein Pick von Myles Jack. Der vielseitige Outside Linebacker hat am College auch Running Back und Safety gespielt und dürfte mit seiner Schnelligkeit der Defense viel Variabilität verleihen. Sein schmächtiger Körperbau jedoch sorgt für Skepsis.

Die Free Agency hat den Jags zumindest Stabilität gebracht - auch wenn Bradley weiterhin auf seinen "LEO" warten muss.

Mehr als nur ein Pool im Stadion

Bradley geht mit Jacksonville also in eine Richtung weisende Saison. In der zuletzt strauchelnden AFC South haben sich auch die Houston Texans verstärkt und blasen genau wie die wieder verletzungsfreien Indianapolis Colts zum Angriff. Nicht zu vergessen die Tennessee Titans, die mit Marcus Mariota ebenfalls ihren QB für die Zukunft gefunden haben und auf DeMarco Murray als Verstärkung auf der Running-Back-Position hoffen. Auch wenn die Playoffs das Ziel in Florida sind, so einfach wie letzte Saison wird es in der kommenden Saison definitiv nicht.

Deshalb ist darauf zu hoffen, dass Bortles und Robinson im Jahr 2016 nicht mehr so alleine gelassen werden und die O-Line vor allem ihrem QB mehr Zeit gibt. Defensiv dürften Gipson und Amukamara die Deep Throws von Luck, Mariota und Co. besser im Griff haben als ihre Vorgänger, Jackson und Fowler plus eventuell Jack oder Bosa alleine werden die Front-Seven auf ein neues Level heben. Fest steht eins aber schon sicher: Die größte Attraktion in der kommenden Saison im EverBank Field sind wieder die Jaguars - und nicht mehr nur der Pool mit Sicht auf das Spielfeld.

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