Die Free Agency hatte auch in diesem Jahr in den ersten Tagen einige Kracher parat. Während die Giants ihre Defense mit 200 Millionen Dollar runderneuern, sorgten die Houston Texans für den Mega-Deal: Brock Osweiler kommt mit großen Vorschusslorbeeren aus Denver. Doch Vorsicht ist geboten - und dennoch muss man für Houstons Entscheidung Verständnis haben.
Als er seine Meinung zum Osweiler-Vertrag in Houston mitteilte, waren Matt Flynn die Lacher, genau wie die gewohnt bissigen Twitter-Antworten sicher: "Wow. Ich weiß, dass ich dafür gekillt werde und ein wenig im Glashaus sitze. Aber dieser jüngste Quarterback-Vertrag ist unglaublich..."
Unisono war in der NFL-Welt eine Reaktion zu vernehmen: Ausgerechnet Matt Flynn! Jener Matt Flynn, der 2012 in Seattle für drei Jahre und 26 Millionen Dollar unterschrieben hatte, nur um noch vor Saisonstart von Rookie Russell Wilson vom Stammplatz verdrängt zu werden.
Jener Matt Flynn, der daraufhin in Oakland nochmals einen beachtlichen Vertrag abräumte - und letztlich zwei Spiele absolvierte. Jener Matt Flynn, der in seiner Karriere von fünf Teams insgesamt 19 Millionen Dollar kassiert hat und dabei zusammen genommen sieben Mal in der Startformation stand.
Der zweite Tag der Free Agency im Re-Live
Aber eben auch jener Matt Flynn, der aus genau diesen Gründen eine Art personifizierte Warnung für Teams geworden ist. Einen potentiellen Starting-Quarterback Mitte 20 in der Free Agency zu bekommen, ist genauso riskant wie selten. Dieser Typ Spieler ist in aller Regel viel zu wertvoll, als dass er überhaupt auf den Markt kommen könnte.
"Schwierigste Entscheidung meines Lebens"
Und doch war genau das am Mittwoch der Fall. Die Broncos ließen Osweiler ziehen, Denver erhöhte sein Angebot nicht mehr - und so erhielt Houston für vier Jahre, 72 Millionen Dollar und Garantien in Höhe von 37 Millionen den Zuschlag. Von der "schwierigsten Entscheidung meines Lebens" sprach Osweiler am Donnerstag auf der Pressekonferenz in Houston, "aber ich freue mich wirklich darauf, in dieser Offense zu spielen. Deshalb bin ich letztlich hier her gekommen. Ich glaube, die Texans geben mir die beste Chance, erfolgreich zu sein."
Kein Kommentar zum Geld, keine Kritik an seiner Degradierung am Ende der vergangenen Regular Season. Stattdessen gab sich Osweiler alle Mühe, den Vorfall und seinen Umgang damit als positive Erfahrung zu verkaufen: "Als Peyton ins Spiel kam und Starter blieb, war das okay für mich, denn unser Team hat Spiele gewonnen. Ich habe die Entscheidung von Gary Kubiak zu 100 Prozent unterstützt. Ich werde immer das machen, was das Beste für das Team ist. So lange das Team Spiele gewinnt, bin ich glücklich."
Der erste Tag der Free Agency zusammengefasst
Im Gegensatz zu seinem Ex-Team Denver war das in Houston über die vergangenen Jahre alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Texans gewannen zwar in den letzten beiden Spielzeiten jeweils neun Spiele, setzten dabei aber auf insgesamt sieben (!) verschiedene Quarterbacks. Nicht ohne Grund galt Houston für viele als Inbegriff eines Teams, dem "nur" der Quarterback fehlt. Jetzt bekam Coach Bill O'Brien, der als hervorragender QB-Coach gilt, von seinen Chefs das verspätete Weihnachtsgeschenk.
High Risk, High Reward?
Aus Texans-Sicht ist die Motivation hinter der Verpflichtung dementsprechend nur allzu gut nachvollziehbar. Houston sucht seit den guten Jahren von Matt Schaub händeringend einen Quarterback, die Chance auf einen 25-jährigen Franchise-QB und eine stabile sowie erfolgreiche Offense auf Jahre hin war zu verlockend.
So verlockend, dass Houston neben dem Top-Quarterback auf den Free-Agency-Markt mal eben auch noch den Top-Running-Back verpflichtete, Lamar Miller unterschrieb für vier Jahre und 26 Millionen Dollar. Während die Texans gleichzeitig mit Brandon Brooks und Ben Jones zwei Starter ihrer Interior O-Line ziehen lassen mussten, kam aus Kansas City O-Liner Jeff Allen. Über 100 Millionen Dollar hat Houston investiert, um das Niveau der Offense zumindest ein wenig näher an das der eigenen Defense zu bringen.
Aus Houstons Sicht könnte man es durchaus gar als notwendiges Risiko bezeichnen. Zieht man Brian Hoyer ab, standen noch Tom Savage und T.J. Yates im Kader. Houstons Quarterback-Position war ein ernsthaftes Problem, das adressiert werden musste. Wieder einmal.
Eher Projekt als Franchise-QB
Und doch gab es nicht nur Lob für die aggressive Vorgehensweise in den ersten beiden Tagen der Free Agency - verständlicherweise. Osweiler ist zwar seit vier Jahren in der Liga, trotzdem aber noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Zwar gewann er fünf seiner sieben Start-Einsätze (alle in der vergangenen Saison), inklusive seines besten Auftritts zur Prime Time gegen die Patriots, trotzdem aber blieben und bleiben viele Fragezeichen.
Osweiler agierte inkonstant, leistete sich Fehler, traf in der Pocket falsche Entscheidungen und schaffte es über die vergangene Saison nicht, sich mit Leistung klar von einem schwächelnden Peyton Manning abzusetzen. Er hat noch merkliche Probleme damit, Coverages zu lesen, agiert mitunter überhastet. In keinem Bereich zeigte er wirkliche Top-Fähigkeiten und es war auffällig, wie häufig er bei vermeintlich sicheren Interceptions Glück hatte, weil der Gegenspieler den Ball fallen ließ. Zusammenfassung: Osweiler ist zumindest vorerst eher ein Projekt als ein Franchise-Quarterback.
Daran ändert es auch nichts, dass er jahrelang hinter Peyton Manning lernen durfte und auf seiner PK am Donnerstag betonte: "Vor allem habe ich von Peyton gelernt, was es heißt, jeden Tag ein Profi zu sein. Er hat mir beigebracht, wie man ein Profi ist. Peyton ist einer der Besten aller Zeiten." Auch wenn der Vergleich hinkt: Houstons Vorjahres-QBs Mallett und Hoyer haben jahrelang hinter Tom Brady gelernt. Das alleine ist keine Garantie für irgendetwas.
Denvers Zurückhaltung als Warnung
Was bleibt also unter dem Strich? Die Houston Texans gehen bewusst ein hohes Risiko ein: Entwickelt - und das ist zweifellos noch notwendig - sich Osweiler nicht zum erhofften Franchise-Quarterback, werden viele Verantwortliche ihre Jobs verlieren. Zwar darf der 25-Jährige als Upgrade über Brian Hoyer, dessen Grenzen in den Playoffs schmerzhaft offensichtlich wurden, angesehen werden. Dafür kostet er allerdings auch ein Vielfaches.
Zumal die Grundvoraussetzung dafür, dass der Wechsel überhaupt erst zustande kam, nicht außer Acht gelassen werden sollte: Denver war nicht ausreichend von Osweiler überzeugt, um frühzeitig einen langfristigen Vertrag auszuhandeln. Wären die Broncos All-In gewesen, hätten die zwei Millionen mehr pro Jahr, die Houston letztlich geboten hat, Denver nicht abgeschreckt. Man hätte Osweiler aggressiv überzeugt und die notwendigen finanziellen Schritte unternommen.
Der zweite Tag der Free Agency zusammengefasst
Kein Team würde einen jungen Franchise-QB wegen zwei Millionen im Jahr ziehen lassen, und nach den Abgängen von Malik Jackson und Danny Trevathan wäre es am Geld auch nicht gescheitert. Kein Team kennt Osweiler besser als die Broncos, die ihn über vier Jahre im Training und auf dem Platz genauestens beobachten konnten - Denver wird wissen, warum es sich auf den extrem schlecht besetzten Quarterback-Markt begibt und jetzt vorerst mit Mark Sanchez Vorlieb nimmt. Geschäftsführer John Elway betonte nicht ohne Seitenhieb: "Wir sind unserer Philosophie treu geblieben. Wir wollen ein Team mit Spielern aufbauen, die Denver Broncos sein wollen."
Womit der Bogen zu Matt Flynn wieder komplett wäre. Wie der MMQB berichtet, hatten 2012 auch die Miami Dolphins eine Chance auf Flynn, bevor der damals auf dem Free-Agency-Markt umworbene Quarterback nach Seattle ging. Doch Ex-Packers-Offensive-Coordinator sowie Miamis damaliger Head Coach Joe Philbin kannte ihn noch genau aus Green Bay und lehnte dankend ab. Wenig später holten die Dolphins Ryan Tannehill im Draft. Houston hat sich stattdessen für die All-In-Variante entschieden. Klar ist nur eines: Die Ergebnisse müssen schnell folgen.