"Wat woll'n Sie jetzt von mir?"

Von Martin Gödderz
Per Mertesacker war in diesem Jahr nicht immer so zufrieden
© getty

Die einen vergreifen sich im Tonfall, die anderen ziehen unmögliche Vergleiche. Während gewisse Formel-1-Fahrer eine merkwürdige Liebesbeziehung zu ihrem Fahrzeug schilderten, bedienten sich einige Fußballer der Fäkalsprache. Christoph Kramer fiel gleich mehrfach auf. Deftig, lustig und voller Gefühle: Die Stimmen des Jahres.

Cookie-Einstellungen
Auf der Suche nach guten Stimmen haben es Medienvertreter mittlerweile relativ schwer. Die heutige Generation der Sportler ist medial immer besser geschult und so ist es selbst nach hitzigen Spielen nicht immer leicht, den Profis einen markanten O-Ton zu entlocken.

Zum Glück gibt es sie aber noch, die Ausnahmen zur Regel. Auch 2014 gab es in Interviews etliche Ausrutscher, Peinlichkeiten, fast schon ironisch anmutende Phrasendreschereien und pure Emotionen.

Variante 1: Frei Schnauze

Hin und wieder passiert es doch, dass man seinen Kindern die Ohren zuhalten muss, wenn Sportler sich aufgebracht zu einem Spiel äußern müssen. Beispiele?

  • "Als der Ball hochging, dachte ich nur 'Scheiße' " - Christoph Kramer berichtete aus seinem Gefühlsleben nach dem Eigentor des Jahres, als er im Duell gegen Borussia Dortmund das spielentscheidende 0:1 durch einen zielgenauen Pass aus 40 Metern über seinen Torwart Yann Sommer hinweg erzielte.
  • "Das ist die größte Scheiße, die ich als Trainer je gemacht habe!" - Ein restlos bedienter Bayern-Trainer Pep Guardiola gab sich nach dem Aus im Champions-League-Halbfinale durch eine herbe 0:4-Niederlage gegen Real Madrid selbst die Schuld.
  • "Den goldenen Schuh kannst du dir hinter die Ohren schmier'n!" - Ein leicht angeheiterter Thomas Müller redete nach dem WM-Triumph der deutschen Fußballnationalmannschaft ganz offen. (Wer des Bayrischen mächtig ist, versteht wohl auch den Originallaut: "Des intressiert mi ois ned, der Scheißdregg. Weltmeister samma - den Pott hamma. Den Scheißdregg 'Goidna Schua' konnst da hinda d'Ohrn schmiern.")
  • "Wat woll'n Sie jetzt von mir? Glauben Sie, unter den letzten 16 ist irgendwie eine Karnevalstruppe? Ich lege mich jetzt erstmal für drei Tage in die Eistonne. Ich verstehe die ganze Fragerei nicht." - Nur ein Auszug aus dem mittlerweile schon legendären Interview von Per Mertesacker kurz nach dem mühseligen 2:1-Sieg der DFB-Elf im WM-Achtelfinale gegen Algerien, als der Innenverteidiger nicht ganz einverstanden war mit der Fragestellung von "ZDF"-Reporter Boris Büchler. Nach der WM war aber schnell alles vergessen. Büchler und Mertesacker trafen sich sogar zum Versöhnungsgespräch und Büchler meinte nach dem Rücktritt des Innenverteidigers bereits: "Mir fehlt Mertesacker jetzt schon!"
  • "Ich wusste schon immer, dass sie ein Haufen Idioten sind" - Die US-Journalisten von ESPN erstellen jährlich ein Ranking der besten NBA-Profis. Kobe Bryant stand im letzten Ranking aufgrund seiner langen Verletzung und seines doch fortgeschrittenen Alters lediglich auf Rang 40. Der Shooting Guard schien jedenfalls nicht ganz einverstanden zu sein mit der Wahl.

Variante 2: Unglücklich rausgerutscht

Das Gefühl, wenn man etwas sagt und die eigene Aussage am liebsten im gleichen Moment liebend gerne wieder zurücknehmen würde, ist einigen Menschen sicher bewusst. Auch großen Sportpersönlichkeiten erging es nicht anders.

  • "Du glaubst es nicht, es ist genau wie damals mit den Zwillingstürmen. Du siehst, wie der erste Turm zerstört wird, danach der zweite. Es sah aus wie eine Fiktion, war nicht real. Es ging alles sehr schnell, es gab keine Zeit zu reagieren" - Der frühere brasilianische Fußball-Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira, der die Selecao 1994 bei der WM in den USA zum Triumph geführt hatte, zog nach dem 1:7 der Brasilianer im WM-Halbfinale gegen Deutschland einen etwas drastischen und unangebrachten Vergleich zwischen einer der größten Katastrophen der Neuzeit und einem einfachen Fußballspiel.
  • "Wir sind freundlich begrüßt worden - von Menschen, Frauen und Kindern." - DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock zeigte sich nach Ankunft des DFB-Tross in Brasilien gänzlich unbeeindruckt von jeglichen Emanzipations- oder Frauenrechtsgedanken. Und Kinder sind ja sowieso nur halbe Menschen.
  • "Ich habe meine Balance verloren, mein Körper ist aus dem Gleichgewicht geraten und ich bin unabsichtlich auf meinen Gegenspieler gefallen. In dem Moment, als mein Gesicht den Spieler traf, habe ich einen starken Schmerz am Zahn gespürt und es hat sich ein Bluterguss auf meiner Wange herausgebildet" - Ein unabsichtlicher Biss? Der Uruguayer Luis Suarez, der im WM-Vorrundenspiel gegen Italien seinen Gegenspieler Giorgio Chiellini wüst attackiert hatte, machte sich mit seiner ganz eigenen Schilderung der Szene nur noch unglaubwürdiger.
  • "Ich weiß nicht, wo James spielt. Aber er hat eine gute Weltmeisterschaft gezeigt und wollte hierher kommen" - Real-Präsident Florentino Perez schien nicht so richtig informiert zu sein über seinen immerhin 80 Millionen Euro teuren Stareinkauf aus Kolumbien.
  • "Normalerweise ist es nicht mein Stil, dass ich in die Öffentlichkeit gehe. Aber wenn sich Thorsten zum wiederholten Male zu dieser Aussage hinreißen lässt, wollte ich die Dinge mal richtigstellen, ins rechte Licht rücken. Thorsten soll sich nicht als Messias darstellen. Anscheinend steckt der Stachel des Rauswurfs noch tief. Er soll endlich den Mund halten." - Der ehemalige HSV-Sportdirektor Oliver Kreuzer hat eine etwas verzerrte Selbstwahrnehmung. Der Mann, der während seiner Amtszeit fast täglich mit der Presse über alles Mögliche rund um den HSV sprach und später wegen eines Verstoßes gegen die Loyalitätspflichten entlassen wurde, interpretiert seinen "Stil" jedenfalls ein wenig anders als die breite Öffentlichkeit.

Variante 3: Sportler-Comedy

Sportler sind nicht immer nur unfreiwillig komisch. Einige der Profis zeigten auch ein Gefühl für sehr feinen oder derben Humor. Immer wieder für einen Scherz gut ist dabei vor allen Dingen Deutschlands Basketballstar.

  • "Ich habe ihm gesagt, dass jedes Essen in dieser Saison auf ihn geht, da es sowieso mein Geld ist." - Dirk Nowitzki nahm im Sommer beträchtliche Gehalteinbußen hin, damit sich seine Dallas Mavericks neue Spieler holen konnten. Am meisten Geld investierten die Mavs in Chandler Parsons, den Nowitzki dann gleich mit warmen Worten begrüßte.
  • "Ich hoffe, dass ich 90 Jahre alt werde. Dann kann ich sagen, ich hätte 100 werden können. Aber ich habe in Nürnberg gearbeitet." - Ein verbitterter Gertjan Verbeek erlebte eine fürchterliche Zeit beim 1. FC Nürnberg. Seinen Humor hat der Niederländer aber behalten. Diese Aussage wurde von der "Deutschen Akademie für Fußballkultur" zur Stimme des Jahres gewählt.
  • "Dass an den Entscheidungen der FIFA etwas falsch ist, wusste ich spätestens zu dem Zeitpunkt, als ich nicht bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres berücksichtigt wurde" - Sturm-Riese Peter Crouch zeigte im Zuge des erneuten FIFA-Skandals seinen englischen Humor und nahm sich selbst nicht allzu zu ernst. Das brachte Crouch zehntausende Retweets.
  • "Wenn ich das jetzt alles sagen würde, was ich gerade über dich denke, dann wären Bushidos Liedtexte ein feuchter Furz dagegen!" - Pressekonferenzen mit BVB-Trainer Jürgen Klopp sind stets ein Vergnügen. Als ihn ein Reporter mit Statistiken nervte, die zeigten, dass der Hamburger SV der Angstgegner der Borussen ist, machte Kloppo unmissverständlich klar, was er von seinem Gegenüber hält.
  • "Jetzt haben Sie endlich mal eine Einladung vom DFB bekommen." - DFB-Sportrichter Hans Lorenz nahm Stefan Kießling vor dessen Aussage in der Phantomtor-Anhörung noch einmal aufs Korn und streute zusätzliches Salz in die Wunde des Bayer-Torjägers, der lange damit haderte, dass er nie für die Nationalmannschaft berufen wurde, obwohl er Deutschlands bester Torjäger war.

Seite 2: Grandiose Sport-Philosophen und abstruse Vergleiche