"Die Mavericks wären optimal"

Von Interview: Haruka Gruber
Das beste Spiel zeigte Elias Harris gegen St. Mary's: 31 Punkte, 13 Rebounds, 3 Steals
© Getty

Nach einem sensationellen College-Debüt steht der deutsche Nationalspieler Elias Harris im Fokus der NBA. Für die in Spokane/Washington beheimatete Gonzaga University lieferte er in seinem Freshman-Jahr 14,9 Punkte sowie 7,1 Rebounds, verbesserte seinen Dreipunkt-Wurf enorm (45,1 Prozent) und war damit eine der Überraschungen der NCAA. 2011 plant der 20-Jährige mit den DBB-Kollegen Robin Benzing und Tibor Pleiß den großen Sprung - und er denkt schon an eine Zukunft mit Dirk Nowitzki.

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SPOX: Seit Mitte Mai sind Sie zurück aus den Staaten und verbringen die Offseason bei Ihrer Familie in Speyer. Was machen Sie derzeit?

Elias Harris: Erstmal bin ich einfach froh, nach acht Monaten die Familie zu sehen. Außerdem treffe ich mich mit meinen Freunden und gehe ins Kino oder mache andere normale Dinge, die während der Saison zu kurz gekommen sind. Aber so viel Zeit habe ich gar nicht. Wir Spieler haben vom Coach einen Trainingsplan bekommen, und an den halte ich mich natürlich. Das heißt: viermal die Woche in den Kraftraum und zusätzliche Wurfeinheiten.

SPOX: Welche Schulnote würden Sie sich für das erste College-Jahr geben?

Harris: Eine Zwei. Ich war relativ zufrieden.

SPOX: Nur eine Zwei?

Harris: Weil ich weiß, dass ich deutlich besser spielen kann. Ich muss konstanter in meinen Leistungen sein, ich muss bei den Freiwürfen stabiler werden, ich muss besser auf den Ball aufpassen und ich muss wieder mehr Fokus auf die Verteidigung legen, nachdem ich das Jahr über mehr an meinem Distanzwurf gearbeitet habe. Es gibt viele Kleinigkeiten, an denen ich schrauben kann.

SPOX: Und wie beurteilen Sie die Leistung des gesamten Teams?

Harris: Unserem Team gebe ich die Note eins. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die sich dennoch schnell gefunden und tolle Spiele abgeliefert hat. Wir hielten selbst in der zweiten Runde der March Madness gegen das Top-College Syracuse anfangs gut mit und verloren nur deutlich mit über 20 Punkten, weil wir plötzlich keinen Team-Basketball mehr gespielt haben und auseinander gebrochen sind. Wenn wir durchgezogen hätten, wäre auch noch viel mehr drin gewesen. Daher glaube ich, dass wir mit dieser Erfahrung nächstes Jahr auch ohne unseren Anführer Matt Bouldin, der nach vier Jahren das College beendet hat, noch besser sein werden.

SPOX: Sie selbst haben sich für den Verbleib bei Gonzaga entschieden, obwohl Sie nach Ansicht vieler Experten schon dieses Jahr ein Kandidat für die erste Draft-Runde wären.

Harris: Ich habe die ganzen Mock Drafts gar nicht verfolgt. Meine Kumpels haben mir davon erzählt, aber ich wollte mich bewusst nicht davon verrückt machen lassen. Daher habe ich mir relativ früh angewöhnt, nichts über mich zu lesen, damit ich mich trotz der Aufregung auf den Basketball konzentrieren kann. Auch ohne den Hype war das Jahr der absolute Wahnsinn und ich komme erst jetzt dazu, alles sacken zu lassen und die Ereignisse zu reflektieren.

SPOX: Aber es kann Sie nicht kalt gelassen haben, dass Sie von etlichen NBA-Scouts beobachtet wurden.

Harris: Mir wurde gesagt, dass hin und wieder Scouts auf der Tribüne sitzen, aber es bringt nichts, sich darüber Gedanken zu machen. Mein Fokus liegt auf der nächsten Saison, denn wenn ich da nicht überzeuge, ist es egal, wie viele Scouts in der abgelaufenen Saison zu Besuch waren.

SPOX: Bundestrainer Dirk Bauermann rät dazu, dass Sie in Zukunft als Small Forward und nicht als Power Forward auflaufen sollten. Wie sehr hängen Ihre Draft-Chancen von einer Positions-Umstellung ab?

Harris: Es ist geplant, dass ich nächste Saison viele Minuten als Small Forward auf dem Parkett stehe. Je nachdem, wer mich verteidigt, werde ich aber auch weiterhin als Power Forward eingesetzt. Ich bin eben ein Spieler, der ein bisschen zwischen den Positionen hängt - wobei ich es nicht als Problem sehe. Ich stehe für Vielseitigkeit, und es gibt viele ähnliche Spielertypen in der NBA, die sich dennoch etabliert haben. Daher mache ich mich nicht verrückt. Dallas' Shawn Marion beispielsweise ist auf beiden Positionen gleich gut und verkörpert ähnlich wie ich Energie und Intensität.

SPOX: Wurde Ihre Entscheidung, erstmal an der Uni zu bleiben, auch davon beeinflusst, dass mit Adam Morrison ein ehemaliger Gonzaga-Student als College-Superstar in die NBA gegangen ist - und seitdem nur noch die Bank wärmt?

Harris: Zumindest habe ich es registriert. Ich habe Adam Anfang des Jahres nach einem Spiel getroffen und wir haben ein bisschen geredet. Wenn ich den nächsten Schritt gehen sollte und eine Chance in der NBA bekomme, will ich sofort Leistung bringen und nicht die meiste Zeit nur das Aufwärm-Jacket anhaben.

SPOX: Mit einem anderen ehemaligen Gonzaga-Spieler haben Sie sogar regelmäßigen Kontakt: Golden States französischem Nationalspieler Ronny Turiaf.

Harris: Letztes Jahr während der EM in Polen wohnten Deutschland und Frankreich im gleichen Teamhotel und die Spieler haben relativ viel Zeit miteinander verbracht. Im Aufenthaltsraum habe ich unter anderem mit Ronny, Tony Parker und Boris Diaw Karten gezockt und so kamen wir ins Gespräch. Nach der Vorrunde, als die Mannschaften die Hotels wechseln mussten, sind die Franzosen früher als wir abgefahren - aber kurz davor kam Ronny einfach in mein Zimmer spaziert, hat mich geweckt, viel Glück für die Saison bei Gonzaga gewünscht und mir seine Handynummer gegeben mit der Aufforderung, mich immer zu melden, wenn ich Hilfe brauche. Eine sehr kuriose, aber auch sehr nette Unterhaltung.

SPOX: Seitdem verbindet Sie eine Freundschaft?

Harris: Wir verstehen uns sehr gut. Wir kommen beide aus Europa, wir beide spielen ungefähr die gleiche Position und sind ähnliche Basketball-Typen. Das verbindet. Ich habe Ronny kurz vor meiner Abreise nach Deutschland in Spokane getroffen.

SPOX: So überraschend es klingt: Eine zweite wichtige Bezugsperson ist NBA-Legende John Stockton, der wohl berühmteste Gonzaga-Student aller Zeiten.

Harris: Das stimmt. Sein Sohn David Stockton ist mein Teamkollege und mittlerweile ein sehr enger Freund. Daher kam es, dass ich während der Saison sehr oft im Haus der Stocktons war. Wenn die Sonne schien, habe ich mit der Familie den Tag am Pool verbracht und relaxt. John Stockton ist ein richtig cooler Typ und es ist unfassbar, wie gut er Basketball versteht.

SPOX: Gibt er Ihnen Tipps?

Harris: Ich habe ihn einmal spontan gefragt, ob wir an meinem Spiel arbeiten könnten - und dann haben wir David mitgenommen und ein Individualtraining durchgezogen. Ich konnte mir so viel abschauen. Das Playmaking, das Ballhandling, viele Kleinigkeiten, auf die ich so nie geachtet hätte. Zum Beispiel, wie man am cleversten den eigenen Körper zwischen Ball und Gegenspieler bekommt. Wir haben ein sehr lockeres Verhältnis und ich kann ihn jederzeit anrufen und nach einem Tipp fragen, wie ich mich als Spitzensportler zu verhalten habe. Einen besseren Ratgeber als John Stockton gibt es wohl nicht.

SPOX: Und Frau Stockton hilft Ihnen kulinarisch, oder?

Harris: (lacht) Sie ist ein gute Köchin und hat mir schon sehr leckeren Apfelstrudel aufgetischt, damit ich Deutschland nicht so vermisse. Sie machte mir sogar extra mehr, damit ich auch etwas in meine Studentenbude mitnehmen konnte. Mittlerweile kann man sagen, dass die Stocktons so etwas wie eine Ersatzfamilie ist.

SPOX: Auch mit Hilfe der Stocktons haben Sie sich in Spokane gut eingelebt. Nur in einer Sache scheinen Sie nicht so recht nach Gonzaga zu passen. Es heißt, Sie wären ein richtiggehender Ordnungs-Pedant, der andauernd aufräumt.

Harris: Das ist eben die deutsche Reinlichkeit. Ich habe von klein auf von meinen Eltern mitbekommen, Dinge sofort zurückzustellen, wenn man sie benutzt hat. Daher ist mein Apartment schon sehr sauber. Für mich ist es nichts Besonderes, aber für meine Mitspieler ist meine Ordentlichkeit offenbar seltsam. Es gab sogar einen Zeitungsartikel mit dem Titel: "Ist Elias Harris ein Hygiene-Freak?" Erst dann wurde mir bewusst, wie anders ich offenbar bin. (lacht)

SPOX: Basketballerisch passen Sie hingegen besser in die USA als nach Deutschland.

Harris: Das höre ich häufig - und es stimmt, dass ich die Athletik, die Schnelligkeit und die Power im amerikanischen Basketball sehr schätze. Andererseits wurde ich in Deutschland ausgebildet, weswegen ich zu mindestens 50 Prozent vom europäischen Basketball-Stil geprägt wurde.

SPOX: Dennoch wurden Sie von der BBL weitgehend ignoriert. Warum?

Harris: Interessante Angebote bekam ich tatsächlich nicht aus der Bundesliga. Aber das war mir sowieso egal, weil ich von Anfang an in die USA wollte. Ich habe schon als Kind mit meinem Vater den College-Basketball genau verfolgt.

SPOX: Mittlerweile schenken deutsche Klubs deutschen Talenten mehr Aufmerksamkeit - wovon vor allem Ihre Nationalmannschafts-Kollegen Robin Benzing und Tibor Pleiß profitieren.

Harris: Ich verfolge deren Entwicklung sehr genau und schaue mir immer im Internet ihre Statistiken an. Sie haben diese Saison richtig reingehauen, was mich persönlich und für den deutschen Basketball sehr freut. Ich kann die WM gar nicht mehr abwarten. Im Sommer wird's rund gehen!

SPOX: Können es Benzing und Pleiß in die NBA schaffen?

Harris: Definitiv. Robin und Tibor haben im Sommer 2011 mit mir zusammen sehr, sehr großen Chancen, gedraftet zu werden.

SPOX: Noch ist Dirk Nowitzki der einzige deutsche NBA-Spieler. Halten Sie Kontakt mit ihm?

Harris: Nicht regelmäßig. Aber nach einem guten Spiel von mir hat er mir eine SMS geschrieben und mir zur Leistung gratuliert. Eine riesige Ehre.

SPOX: Einige Anzeichen sprechen dafür, dass Nowitzki in Dallas bleibt. Wie würde es Ihnen gefallen , wenn es 2011 heißt: "Die Mavericks entscheiden sich im Draft für Elias Harris!"

Harris: Das würde super klingen. Ich habe zwar keinen Lieblings-NBA-Klub, aber ich verfolge Dallas schon wegen Dirk sehr genau. Alleine deswegen schon wäre es optimal, wenn es mit den Mavericks irgendwie klappen würde.

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