"Fußball wird die NFL angreifen"

Dan Hunt sieht die USA als kommenden Fußball-Weltmeister
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SPOX: Sie sprechen die Nationalmannschaft an. Was halten Sie von der Arbeit von Jürgen Klinsmann?

Hunt: Jürgen macht einen guten Job. Er versucht, immer mehr Spiele gegen Top-Gegner aus Europa anzusetzen, das ist genau der richtige Weg. Wir müssen aufhören, uns mit den CONCACAF-Teams zu messen. Wenn du an die Spitze willst, musst du gegen die Besten spielen und sie schlagen. Jürgen geht seinen Job mit sehr viel Enthusiasmus an, so war er ja schon als Spieler. Ich habe es geliebt, ihn, Rudi Völler, oder Lothar Matthäus spielen zu sehen. Sie merken, dass ich wirklich ein Fan des deutschen Fußballs bin. (lacht) Jürgen ist mit dem Team auf einem guten Weg, jetzt geht es darum, eine eigene Identität zu entwickeln. Im Moment gibt es noch keinen amerikanischen Stil. Die Leute sagen nicht: Dafür steht die USA, so spielen sie Fußball. Das fehlt uns noch.

SPOX: In den USA wird immer Football, Baseball und Basketball dominieren. Wie sehr kann Fußball in den USA überhaupt noch wachsen?

Hunt: Wir haben noch viel Luft nach oben. Fußball kann und wird in den USA noch viel viel größer werden. Es zeigt sich jetzt schon, dass Fußball in der jüngeren Zielgruppe einen großen Zulauf erfährt. Immer mehr US-Kids verlieben sich in Fußball. Dazu kommt, dass es inzwischen vernünftige Karriereaussichten gibt, um professionell Fußball zu spielen. Fußball wird wachsen. Wissen Sie, was mir mein Vater einmal sagte? Er sagte: Ich werde schon lange nicht mehr unter Euch sein, aber eines Tages wird Fußball in den USA die NFL angreifen und ihr Rivale werden. Ich sage nicht, dass Fußball die NFL überholen wird, aber an einigen Sportarten ist der Fußball schon vorbei. Der wichtigste Tag in der amerikanischen Fußball-Geschichte wird der Tag sein, an dem die USA Weltmeister wird. An diesem Tag wird sich Fußball als Nummer zwei in den USA zementieren.

SPOX: Die USA als Fußball-Weltmeister: Kann dieser Tag tatsächlich kommen?

Hunt: Der US-Fußball-Verband würde mich jetzt sicher gerne als Prophet einstellen, aber ich sage: Ja, ich sehe diesen Tag wirklich kommen. Ich bin jetzt 38 Jahre alt. Wenn Sie mich fragen, ob die USA in meiner Lebenszeit Weltmeister wird, ist meine Antwort: Ja! Daran glaube ich wirklich. Wir fangen gerade an, die Spieler dafür zu entwickeln. Eines Tages werden wir unseren Michael-Jordan-Moment haben. Eines Tages wird der beste Fußballer auf dem Planeten nicht aus Argentinien oder Portugal kommen, er wird aus den USA sein. Wir werden den Jordan des Fußballs finden. Wenn wir um ihn herum dann noch genügend gute Spieler produzieren können, haben wir große Chancen. Wir werden sehen, wie sehr sich das Investment in die Fußball-Akademien auszahlt.

SPOX: Weil sich auch viele Talente vom Football abwenden werden?

Hunt: Genau, wir sehen jetzt schon, wie sich viele unserer besten Athleten des Landes für Fußball entscheiden und eben nicht für Football. Alle Eltern machen sich aufgrund der gesundheitlichen Diskussionen Gedanken, ob sie ihren Sohn wirklich Football spielen lassen sollen, davon wird der Fußball profitieren. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem die US-Fußball-Nationalmannschaft wie ein Ensemble von 23 NFL-Cornerbacks aussehen wird. Alle 1,90 Meter groß, alle laufen den 40-Yard-Dash in 4,3 oder 4,4 Sekunden, alle können springen - wenn wir an diesem Punkt sind, werden wir zur Elite in der Welt gehören. Dem Fußball in den USA steht eine aufregende Zukunft bevor. Ich wünschte, mein Vater wäre noch unter uns und könnte es erleben.

SPOX: Dass die USA ein interessanter Markt sind, weiß jeder. Der FC Bayern hat nicht umsonst in New York ein Büro eröffnet und will auf dem US-Markt punkten. Wie groß ist der FC Bayern aktuell in den USA?

Hunt: Der FC Bayern ist für mich einer der größten Klubs der Welt. Wenn du in den USA nach einem deutschen Klub fragst, wird jeder antworten: FC Bayern. Man muss allerdings auch sagen, dass der FC Bayern nach wie vor kein allgemein bekannter Name ist. Nicht jeder kennt den FC Bayern. Ich denke aber, dass sich das mit der Zeit ändern wird. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis eine der großen TV-Stationen die Bundesliga in den USA übertragen wird, dadurch wird sich dann schon viel ändern.

SPOX: Haben Sie eigentlich selbst Fußball gespielt?

Hunt: Ja, ich habe bis zum College selbst gegen den Ball getreten. Ich war Innenverteidiger oder rechter Außenverteidiger, das waren meine Positionen. Ich spiele auch heute noch ab und zu in unseren Betriebskicks mit, aber ich muss aufpassen. Eine dumme Bewegung und schon verletze ich mich. (lacht) Aber ich kann nicht genug von Fußball bekommen. Es ist so ein toller Sport für Kinder. Das war auch einer der Gründe, warum mein Vater so ein großer Fußball-Fan wurde. Du brauchst nur einen Ball und schon kann jeder kicken gehen, jeder kann es sich leisten. Pele ist der beste Beweis, ein Ball, ein Strand in Sao Paulo, mehr braucht man nicht. Jeder kann es spielen und jeder soll auch zu den Spielen gehen können, deshalb verlangen wir hier in Dallas auch keine völlig überteuerten Ticket-Preise.

SPOX: Wenn wir konkret über den FC Dallas sprechen, der hier im Toyota Stadium seine Spiele bestreitet. Wie ist Ihre Vision für den Klub?

Hunt: Das kann ich Ihnen ganz einfach beantworten: Ich will Championships gewinnen. Der Klub verdient das, unsere Fans verdienen das, die ganze Community hier verdient das. Natürlich ist es leichter gesagt als getan, aber ich bin davon überzeugt, dass wir das Potenzial dafür haben. Wir wollen Titel gewinnen und einen attraktiven Fußball spielen, das ist mir sehr wichtig. Wir sind hier auch eine Art Melting Pot mit Spielern und Fans aus der ganzen Welt, das soll sich auch in einer attraktiven Spielweise widerspiegeln. Fußball ist nicht umsonst das wunderschönste Spiel der Welt, das wollen wir zeigen. Dann bin ich auch sicher, dass wir das Ziel erreichen, unser Stadion voll zu bekommen. Im vergangenen Jahr hatten wir einen Schnitt von 16.000 Fans, das ist okay, aber ich will hier die Hütte bei jedem Spiel mit 20.000 Fans voll bekommen. Das ist meine Vision.

SPOX: Eigentlich müsste Football ja noch einen Tick über Fußball stehen bei Ihnen, den Eindruck bekommt man aber gar nicht. Was ist Ihre Nummer eins?

Hunt: Ich liebe Football und ich liebe Fußball - und zwar genau gleich. Ich weiß, das ist eine feige Antwort, aber es ist mein ehrliches Gefühl. Wenn Fußball richtig gespielt wird, dann ist es das wunderschönste Spiel der Welt. Dann ist es Kunst. Wenn du live vor deinen Augen sehen kannst, wie die Trainer als Strippenzieher fungieren und sich gegenseitig versuchen, taktisch schachmatt zu setzen, ist es für mich ein Genuss. Da sind pure Genies am Werk.

SPOX: Aber Football ist meiner Meinung nach doch noch mehr ein Strategiespiel als Fußball.

Hunt: Das stimmt in gewisser Weise, ja. Aber American Football steht für mich in erster Linie für den ultimativen Teamsport. Sobald auch nur eine Person etwas falsch macht und nicht mitzieht, hast du keine Chance mehr. Football ist Teamwork. Jede Mannschaft, die den Super Bowl gewinnt, muss 53 Männer haben, die sich diesem Ziel unterordnen. Meine Mutter ist übrigens die einzige Frau auf der Welt, die alle 49 Super Bowls live gesehen hat. Insgesamt sind es mittlerweile nur noch drei Medienvertreter, noch ein paar Leute - und meine Mom. Das ist schon unglaublich. (lacht)

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