MLB

"Ich musste immer an Kahn denken"

Von Interview: Florian Regelmann
Kai Gronauer wurde im April 2008 von den New York Mets unter Vertrag genommen
© Getty

Kai Gronauer ist nicht mehr weit davon entfernt, es als erster Deutscher in die MLB zu schaffen. Der 24-jährige Catcher arbeitet sich bei den New York Mets immer weiter nach oben. Im SPOX-Interview spricht Gronauer über entspannte Bowling-Abende mit den Superstars, Borussia Dortmund und sein großes Vorbild.

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SPOX: Herr Gronauer, die Vorbereitung auf die neue MLB-Saison ist in vollem Gange. Wo erwische ich Sie gerade?

Kai Gronauer: Ich bin in Florida, genauer gesagt in Port St. Lucie. Am Anfang durfte ich beim Trainingscamp der Mets dabei sein und Erfahrung sammeln. Ich habe auch ein paar Einsätze bekommen, es hat super viel Spaß gemacht. Jetzt bin ich aber wieder im Minor-League-Camp und bereite mich auf meine Saison vor. Ich wohne hier mit ein paar anderen Spielern in einem Haus. Der Unterschied zwischen dem großen Camp und den untergeordneten ist gewaltig.

SPOX: Im Camp der ersten Mannschaft geht es etwas luxuriöser zu, oder?

Gronauer: Man kann es sich wirklich kaum vorstellen, wie groß der Unterschied ist. Das fängt schon bei Kleinigkeiten wie dem Essen an. Der ganze Service, den es bei den Mets gibt, hat man hier nicht. Wenn du zurückgeschickt wirst, fängst du praktisch wieder bei Null an. Aber das ist schon okay. Es war super für mich, überhaupt wieder bei den Großen reinzuschnuppern. Dort will schließlich jeder hin. Das ist der Baseball-Himmel.

SPOX: Wie gehen die Superstars mit einem um?

Gronauer: Ich wurde ganz cool aufgenommen. Es gab überhaupt keine Barrieren. Auch nicht zu den Jungs, die sehr viel Geld verdienen. Wir sind jeden Sonntag mit der Mannschaft bowlen gegangen, da waren dann auch Superstars wie David Wright dabei. Das war alles sehr nett.

SPOX: Wie zufrieden ist das Management der Mets mit Ihnen?

Gronauer: Bevor ich wieder runtergeschickt wurde, hatte ich ein gutes Gespräch mit den Verantwortlichen der Mets. Sie haben mir gesagt, dass ich sehr gute Fortschritte gemacht habe im Vergleich zum letzten Jahr. Sie haben auch gemeint, dass sie sehr stolz auf mich sind, wie ich mich im Camp verhalten habe. Und dass ich sportlich all das umgesetzt habe, was sie von mir erwartet haben. Das hat mich natürlich gefreut. Jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht.

SPOX: Wie weit ist der Traum MLB denn noch weg?

Gronauer: Ich muss nach wie vor kämpfen. Bis jetzt habe ich noch nichts wirklich Tolles erreicht. Wenn alles gut läuft, dann fange ich die Saison in der sozusagen dritten Mannschaft (Double A) an. Von dort ist es nicht mehr weit bis zur MLB. Es gibt Spieler, die von dort den Sprung direkt nach ganz oben geschafft haben. Wenn es einige Verletzungen auf der Catcher-Position bei den Mets geben sollte, kann man vielleicht relativ schnell mal hoch kommen. Ich habe immer daran geglaubt, aber dass es jetzt wirklich passiert, ist schon verrückt. Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden, wie es bis jetzt gelaufen ist.

SPOX: Die Catcher-Position ist bei den Mets ja nicht so überragend besetzt. Das erhöht Ihre Chancen doch.

Gronauer: Bis jetzt waren die Mets da nicht so gut aufgestellt, das stimmt. Aber mit Josh Thole haben sie jetzt einen guten Mann am Start. Der kommt aus der eigenen Organisation und wird denke ich eine super Lösung für die Mets sein. Was ihn so stark macht, ist vor allem die Offensive. Da ist er wirklich bärenstark. Der kann hauen ohne Ende, was er auch in der Vorbereitung eindrucksvoll gezeigt hat. Dennoch gibt es für mich auch ein Hintertürchen. Der Backup-Platz ist eventuell greifbar, oder ich werde vielleicht zu einer anderen Organisation getradet. Das kann alles passieren.

SPOX: Sie sind schon seit einigen Jahren in den USA. In welchem Bereich haben Sie die meisten Fortschritte gemacht?

Gronauer: Für mich war ganz wichtig zu lernen, dass man die Offensive von der Defensive trennen muss. Wenn du offensiv keine Hits zustande bringst, darfst du das nicht deinen Job in der Defensive beeinflussen lassen. Das darf einfach nicht sein. Schon gar nicht auf der Catcher-Position. In der MLB weiß man ja, dass der Catcher nicht für die Hits da ist, sondern um das Spiel zu leiten. Das Schlagen ist auch auf jeden Fall das Schwierigste hier drüben. Defensiv kann man alles lernen, wenn man viel Arbeit reinsteckt, das klappt schon. Aber mit den gegnerischen Pitchern zurechtzukommen, ist schon tough.

SPOX: Mal abgesehen vom Sportlichen: Wie schwierig waren die ersten Jahre in den USA?

Gronauer: Einfach war es sicher nicht. Ich musste mich ordentlich durchkämpfen. Mein Glück war, dass ich dank der schulischen Ausbildung mit guten Englisch-Kenntnissen rüber gekommen bin. Nicht so wie viele Latinos, die von Englisch überhaupt keine Ahnung haben. Außerdem bin ich relativ anpassungsfähig, das hat mir auch geholfen.

SPOX: Gab es einen Moment, an dem Sie gezweifelt haben, ob Sie es packen?

Gronauer: In meinem ersten Jahr, als ich auch ein paar Verletzungsprobleme hatte, gab es eine Phase, in der ich mir schon gedacht habe, dass das ja nicht so das Wahre ist hier. Es war nicht so, dass mir der Spaß verloren gegangen wäre, aber man überlegt sich schon, wie es weitergeht, wenn man es nicht nach oben schafft. Diese Gedanken sind dann aber relativ schnell wieder verflogen, ich habe viele Gespräche mit meiner Familie und Freunden gehabt. Und ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass ich nicht gerne irgendwo in einem Büro sitzen und Formulare ausfüllen würde. Wenn ich daran gedacht habe, war ich ganz schnell wieder glücklich, dass ich da bin, wo ich bin. (lacht)

SPOX: Deutsche Baseball-Spieler sind in den USA ja gänzlich unbekannt. Wie reagieren die Stars auf einen jungen Deutschen?

Gronauer: Also komisch angeschaut wird man nicht. Ich habe festgestellt, dass die Amerikaner sehr interessiert sind. Es ging nicht nur um Bier und Essen. Gerade die älteren Spieler bei den Mets haben mich viel über die deutsche Geschichte gefragt, oder sie haben gefragt, wo sie Urlaub machen können. Wir hatten immer ein Gesprächsthema.

SPOX: Haben Sie sich schon einmal vorgestellt, wie es sein könnte, wenn Sie zum ersten Mal in der MLB für die Mets an den Schlag kommen werden?

Gronauer: Wenn es so kommt, werde ich dann bestimmt sehr aufgeregt sein. Ich habe es jetzt selbst in der Vorbereitung wieder gemerkt. Wenn du bei den Big Boys bist und dann vielleicht nur einmal zum Schlagen kommst, ist der Druck natürlich schon groß. Aber mit der Zeit würde man da sicher auch Routine bekommen. In New York zu spielen, wäre etwas ganz Besonderes. Man muss sich nur mal vorstellen, dass jeden Tag sieben oder acht Reporter nur über die Mets berichten und das Team verfolgen. Das ist schon verrückt, was da abgeht.

SPOX: Sollten Sie den Sprung in die MLB schaffen, wäre das auch für Baseball in Deutschland insgesamt eine riesige Sache.

Gronauer: Ich würde mich freuen, wenn ich ein Baseball-Botschafter für Deutschland sein könnte. Der deutsche Baseball hat mir dazu verholfen, dass ich soweit gekommen bin. Ich werde alles dafür geben, dass Baseball in Deutschland mehr in die Medien kommt und vor allem mehr Leute anfangen, Baseball zu spielen. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, selbst die Nationalmannschaft muss jeden Euro umdrehen. Aber es wäre super, wenn ein Boom entstehen würde.

SPOX: Ein Problem beim Unterfangen, die breite Masse zu erreichen, sind zweifellos die Regeln. Kennen Sie das Phänomen, jemandem Baseball erklären zu wollen und derjenige versteht es partout nicht?

Gronauer: (lacht) Das kenne ich sehr gut. Ich glaube, meine Mutter hat die ganzen Regeln bis heute noch nicht verstanden. Und das, obwohl ich schon so lange Baseball spiele und sie früher bei fast jedem Spiel dabei war. Es ist auch kein einfaches Spiel. Aber ich denke, dass es die Deutschen schon interessieren könnte. Es hat sehr viel mit Taktik zu tun. Das finde ich spannend.

SPOX: Es dauert aber auch sehr lange: Das turned viele Fans in Deutschland wohl auch ab.

Gronauer: Es stimmt, dass ein Spiel lange dauert. Aber seit mich ein Freund einmal zum Training mitgenommen hat, bin ich von diesem Spiel fasziniert. Das Ausspionieren, der Kampf zwischen Pitcher und Hitter, die taktischen Spielchen - das ist für mich das Interessanteste am Baseball. Wie mache ich einen Schlagmann aus? Wie gewinne ich das Duell mit dem Pitcher? Wenn man es aber nicht häufig sieht, fallen einem diese Feinheiten gar nicht auf.

SPOX: Wie viel Kontakt halten Sie nach Deutschland?

Gronauer: Sehr viel. Ich bin jeden Tag im Internet und informiere mich, was zuhause alles los ist. Ich bin ein Riesenfan von Borussia Dortmund, deshalb geht es mir momentan sowieso super. Wenn ich Zeit habe, versuche ich einen Internetstream zu finden, oder ich verfolge die Spiele im Live-Ticker und warte, bis die Zusammenfassungen im Internet abrufbar sind. Ansonsten versuche ich auch, jeden Tag mit meiner Freundin zu telefonieren und bin in ständigem Kontakt mit meiner Familie. Mit den Baseball-Jungs aus Deutschland habe ich sowieso einen engen Kontakt. Den möchte ich auch nicht missen.

SPOX: Haben Sie ein bestimmtes Vorbild auf der Catcher-Position?

Gronauer: Was das ganze Paket angeht, ist Joe Mauer ein Riesentyp. Weil er eben auch eine unglaubliche Offensivkraft ist. Was das reine Catching angeht, ist so ein Spezialist wie Yadier Molina ganz weit vorne. Für mich persönlich war aber immer kein Baseballer, sondern Oliver Kahn ein Vorbild. Als Sportler und als Typ fand ich ihn immer herausragend. Er hat mir auch geholfen. Wenn ich nach dem Training noch in den Kraftraum musste, musste ich immer an Olli Kahn denken. Immer weiter. Immer weiter. (lacht)

SPOX: Sie sprechen den Kraftraum selbst an. Doping ist in der MLB ein brisantes Thema. Wie haben Sie die Situation in den vergangenen Jahren beobachtet?

Gronauer: Ich muss sagen, dass nicht mehr so viele supergroße Riesentypen aus Lateinamerika kommen, wie es früher der Fall war. Inzwischen wird häufiger kontrolliert, es gibt auch Bluttests. Ich denke, ein Anfang ist auf jeden Fall gemacht, auch wenn die Sperren schon noch härter sein könnten, wenn jemand erwischt wird.

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