SPOX: Ihr erster Homerun überhaupt war 2016 gleich ein richtig dickes Brett, gegen die Boston Red Sox zum Sieg. Ihre Mitspieler haben Sie sofort umringt, mit Ihnen gefeiert und Sie mit Wasser überschüttet. Woran erinnern Sie sich?
Kepler: Das war ein geiler Tag, heiß, blauer Himmel. Ich glaube, es war das letzte Spiel in der Serie gegen die Red Sox, sie hatten die Spiele davor gewonnen und wir waren müde. Ich war dann im zehnten Inning dran, es waren zwei Outs und zwei Runner auf Base. Ich dachte mir: Gib einfach einen lockeren Schwung drauf und bring den Ball ins Outfield. Die Red Sox hatten einen zusätzlichen fünften Spieler ins Infield gebracht, damit ich bei einem Ground Ball so gut wie sicher aus bin. Deswegen dachte ich, dass ich mit einem lockeren Schwung ins Outfield auf jeden Fall den Run nach Hause bringe.
SPOX: Reicht denn ein "lockerer Schwung" für einen solchen Homerun?
Kepler: Der Pitcher hatte 98 bis 100 Meilen pro Stunde geworfen. Bei uns heißt es: Wenn man einen solchen lockeren Schwung auf einen so harten Fastball bringt, dann fliegt der Ball auf jeden Fall raus. Und genau das ist passiert.
SPOX: Dieses Duell mit dem Pitcher hat ja - für uns in Deutschland ist das alles ein bisschen schwieriger zu verstehen - schon sehr viel mit Psychologie zu tun. Wie bereitet man sich auf ein solches Duell vor?
Kepler: Wir studieren jeden einzelnen Pitcher auf Video: Welche Pitches werfen sie am liebsten gegen Linkshänder, Rechtshänder, Power Hitter oder Kontakt-Hitter? Wohin werfen sie bei zwei Strikes? Also sehr spezifische Statistiken. Aber wenn ich dann dran bin, denke ich gar nicht mehr, sondern schalte meinen Kopf aus und reagiere nur noch auf den Ball.
SPOX: Also alles Bauchgefühl? Wenn Sie am Schlag stehen, denken Sie nicht an einen bestimmten Pitch, sondern Ihr Instinkt übernimmt?
Kepler: Wenn man am Schlag steht, hat man keine Zeit zu denken. Wenn man anfängt zu überlegen, ist es schon vorbei. Man hat vielleicht eine Millisekunde um zu reagieren, und die braucht man um den Schläger zu feuern.
SPOX: Wie ist das eigentlich mit der Hierarchie im Baseball, wenn es nicht so gut läuft? Gibt es dann Führungsspieler, die auch mal lauter werden, oder ist das eine reine Coaching-Sache und Spieler melden sich gar nicht zu Wort?
Kepler: Nein, wir haben einige Veteranen, die schon lange in der Liga sind. Joe Mauer zum Beispiel, oder Team-Captain Brian Dozier. Sie füllen die Führungsrolle aus, wenn es mal nicht läuft.
SPOX: Wie ist es bei Ihnen persönlich? Haben Sie das Gefühl, dass es bei Ihnen zu Saisonbeginn besser lief?
Kepler: Ich weiß gar nicht mehr, wie es am Anfang gelaufen ist. (lacht) Ich bin vom Typ her jemand, der sich in den Sport vertieft und vergisst, was gestern passiert ist. Ich fokussiere mich komplett auf meine Arbeit und das nächste Spiel, denn alles andere kann ich nicht kontrollieren. Was unsere Bilanz angeht: Ja, wir hatten einen richtig guten Start, aber die Saison ist lang, wir haben nicht einmal die Hälfte hinter uns. Entscheidend ist die mentale Stärke und der Spaß an der Sache. Und die Fitness: Wenn du nicht richtig fit bist, zieht es dich runter, egal in welchem Sport.
SPOX: Wie sieht es mit Statistiken aus? Die stehen im Baseball extrem im Fokus. Verfolgen Sie persönlich zum Beispiel Ihren Schlagdurchschnitt, oder lässt man das gar nicht an sich herankommen?
Kepler: Am Ende der Saison ziehe ich Bilanz. Auch wenn es in jedem Stadion auf dem Scoreboard steht, schaue ich nicht so gerne hin, weil ich mir dann viel zu sehr einen Kopf machen würde. Mein Ziel ist es, jeden Tag in jedem At-Bat eine möglichst gute Leistung abzuliefern: Den Ball möglichst hart schlagen, viele Pitches sehen und einfach nur die Siegchance des Teams erhöhen.
SPOX: Gibt es bei Ihnen einzelne Bereiche, an denen Sie in der letzten Offseason explizit gearbeitet haben?
Kepler: Ich versuche in jeder Offseason viel an mir zu arbeiten. Ich habe ein Team, das mich in dieser Zeit betreut. Einer davon ist Pitcher, so sehe ich auch viel Live-Pitching. Im nächsten Winter will ich gegen einen Linkshänder schlagen, um speziell das Hitting gegen Leftys zu trainieren. Die sind in den Big Leagues schon ein bisschen schwerer zu spielen als in den Minor Leagues.
SPOX: Woran liegt das? Ihr Manager hat Sie ja auch das eine oder andere Mal gegen Linkshänder draußen gelassen.
Kepler: Sicherlich auch an der mentalen Komponente: Viele sagen, dass es in der MLB gegen Linkshänder schwerer ist. Dann redet man sich das ein bisschen ein - und dann ist es auch so. Wenn es bei mir mal gar nicht läuft, spielt immer der Kopf eine Rolle. Du stehst am Schlag und dir schießen die Gedanken durch den Kopf.
SPOX: Und wenn es mal richtig läuft?
Kepler: Dann fühle ich mich wohl und denke nicht viel nach, sondern reagiere auf den Ball - also alles sehr simpel. Aber das kommt und geht, so ist Baseball eben. Ich glaube, das ist bei jedem Spieler so. Die Veteranen, die schon ewig dabei sind, haben meistens diese mentale Stärke und können diesen Aspekt am besten kontrollieren.
SPOX: Bei Ihnen lief es letzte Saison gut, trotzdem waren die Twins das Team mit der schlechtesten Bilanz. Dieses Jahr sind die Twins richtig gut aus den Startlöchern gekommen, liefern sich nun aber mit den Cleveland Indians nach einer Pleitenserie einen heißen Kampf um den Playoff-Platz in der American League Central Division. Schrillen bei Ihnen die Alarmglocken?
Kepler: So läuft der Sport eben. Baseball ist ein "heißer" oder "kalter" Sport: Wenn ein Hitter den Ball nicht oft trifft, dann ist er kalt. Das kann auf die Mitspieler übergreifen und dann wird die ganze Mannschaft kalt und schlägt nicht mehr so gut, oder es zieht die Pitcher herunter. Zuletzt war die ganze Mannschaft auch ein bisschen müde. Wir hatten ein paar Doubleheader hintereinander, also zwei Spiele an einem Tag, und ich glaube, dass wir deswegen alle physisch und mental ein bisschen down sind. Es geht beim Baseball auch immer ein bisschen hin und her, das darf man nicht unterschätzen: Wir hatten jetzt mehrere Serien gegen die Indians, mal haben sie uns geschlagen und mal wir sie - wer am jeweiligen Tag fokussierter und besser drauf ist, der gewinnt.
SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss noch in die Zukunft blicken. Welche Ziele haben Sie sich für den Rest der Saison gesetzt, sowohl persönlich als auch als Team? Wie gehen Sie jetzt die nächsten Monate an?
Kepler: Einfach gesund und munter bleiben. Wir wollen als Mannschaft im Vergleich zur letzten Saison positiv bleiben. Gerade in puncto Teamgeist haben wir uns dieses Jahr deutlich verbessert: Wenn du mal einen schlechten Tag hast, ist sofort der Spieler neben dir da und baut dich auf. Auch wenn wir mal ein paar Spiele am Stück verlieren, sind wir noch gut drauf. Ich glaube wir sind als Mannschaft auf jeden Fall gewachsen. Wir haben viele junge Spieler, die jeden Tag dazulernen, ob wir nun gewinnen oder verlieren. So ähnlich wie bei den Timberwolves in der NBA.