Chris Taylor begann die Saison als Nobody und gehört mittlerweile zu den festen Größen der Los Angeles Dodgers, dem Team der Stunde in der MLB. Der gelernte Shortstop spielt mittlerweile überall und ist offensiv kaum zu halten. Die entscheidende Entwicklung startete dafür im vergangenen Winter.
Die Los Angeles Dodgers steuern auf eine historische Sieganzahl in der Regular Season zu und scheinen dieser Tage nicht aufzuhalten zu sein. Ein Grund für diese unglaubliche Konstanz ist die Kadertiefe, mit der das Team von Manager Dave Roberts nahezu jede Verletzung ohne größere Not auffängt.
Ein Spieler, der wie ein Sinnbild dieser "Next Man up"-Mentalität daherkommt, ist Chris Taylor. Ein Spieler, den im Grunde niemand vor der Saison auf dem Zettel hatte.
Und warum auch? Taylor war einer dieser gescheiterten Draftpicks aus den letzten Jahren. Die Seattle Mariners zogen ihn in der fünften Runde 2012 als Shortstop. Er durchlief dann zwar schnell die Minors und gab sein Debüt 2014 mit einem Hit im ersten Spiel. Doch als es dann so richtig losgehen sollte im Jahr 2015, brach er sich durch einen Hit-by-Pitch das Handgelenk und war erstmal weg vom Fenster.
gettyChris Taylor 2017: Feste Größe in Chavez Ravine
Am letzten Wochenende schlug Taylor zwei Homeruns in der Serie bei den Mets und hat schon nach wenigen Tagen im August neun Runs erzielt und sechs nach Hause geschlagen. Für Kenner der Szene sowie den gewöhnlichen Fan keine Seltenheit mehr. Taylor gehört zum Erfolgs-Team der Dodgers.
Insgesamt steht er nun bei 15 Homeruns und 54 RBI und hat in diesem Jahr schon drei Grand Slams geschlagen - mehr hat nie jemand im Trikot der Dodgers in einer Spielzeit zustande gebracht. Er ist also angekommen in den Big Leagues und in Chavez Ravine.
Dabei ist er nicht nur ein Mitläufer, sondern zählt zu den festen Größen des Teams. Er ist Starter und kaum noch wegzudenken, zu wichtig sind seine Hits in wichtigen Momenten. Im August allein waren seine Homeruns wegweisend. Zweimal brachte er die Seinen in Führung, einmal startete er damit eine Aufholjagd.
Darüber hinaus schlägt Taylor .293 mit Läufern auf Base, .298 mit Läufern in Scoring Position und wahnsinnige .800 bei Bases loaded. Der Amerikaner nennt es "Clutch".
Neuanfang 2016: Taylors Weg von Seattle nach L.A.
2016 schickten ihn die Mariners nach Los Angeles für Pitcher Zach Lee - ebenfalls einer, der sich nicht durchgesetzt hatte und mittlerweile in der Padres-Organisation aktiv ist. Für Taylor sollte damit eine neue Zeitrechnung beginnen, ein Tapetenwechsel zur rechten Zeit.
Und der Deal fruchtete zunächst auch. Nachdem er Mitte Juli aus den Minors in die MLB beordert wurde, schlug er direkt mal einen Grand Slam für seinen ersten Homerun in den Big Leagues! Das gelang zuvor nur Preston Ward 1948 und Chico Fernandez 1956 im Trikot der Dodgers.
Aber auch dies fiel noch in die Kategorie mit dem blinden Huhn und dem Korn, denn unterm Strich schlug Taylor magere .207 in 34 Spielen. Wenig überzeugend also.
Im Spring Training 2017 sah Taylor dann seine Chance gekommen und er ergriff sie beim Schopfe. In 22 Spielen schlug er .354 mit einer sagenhaften .983 OPS. Zur Überraschung einiger reichte das den Dodgers jedoch nicht, sodass Taylor zu Triple-A Oklahoma City geschickt wurde.
Chris Taylor: Kurzer Minor-League-Aufenthalt bei Triple-A Oklahoma City
Dort verweilte er nur ein paar Wochen, denn schon am 19. April begrüßten ihn die Dodgers zurück - die Verletzung von Second Baseman Logan Forsythe machte es nötig. Es blieb aber nicht bei Einsätzen im Infield. Vielmehr spielte er sich neben seiner Schlagleistung auch aufgrund seiner Flexibilität fest.
"Früher habe ich nur in der Mitte des Infields gespielt und ich wusste, dass wir in diesem Team sehr viele gute Infielder haben. Wenn ich also mehr Spielzeit wollte, musste ich die Infield-Ecken lernen und natürlich auch das Outfield", erklärte Taylor die Beweggründe für seine Horizont-Erweiterung: "Ich bin einfach froh, dass ich die Chance bekommen habe."
Seine stark verbesserte Schlagleistung wiederum ist zurückzuführen auf seine Arbeit in der Offseason. Damals passte er mithilfe eines Hitting-Consultants seinen Schwung an und erfand sich im Grunde neu.
Daher gewann er auch seinem Jahresstart in Triple-A etwas Positives ab: "Es war wohl das Beste, denn als ich nach Triple-A runterging, hatte ich früh zu kämpfen und ich glaube, dass ich noch ein paar mehr At-Bats für meinen neuen Schwung brauchte. Ich musste mich da durchkämpfen und weiter lernen."
Chris Taylor: Frühe Probleme in der Minor League als versteckter Segen
Taylor ging sogar noch einen Schritt weiter: "Wenn ich das Jahr in den Big Leagues gestartet und diese Probleme gehabt hätte, dann hätte ich wahrscheinlich später keine weitere Chance bekommen. Wer weiß? Ich bin aber einfach froh, dass sich die Dinge so wie jetzt entwickelt haben."
Bevor Taylor seinen aktuell scheinbar permanenten Platz im Left Field gefunden hatte, wurde er munter durch Lineup und Batting Order rotiert. Alle Outfield-Positionen sowie Second und Third Base waren dabei. Unterm Strich also fünf Postionen - sechs, wenn man Shortstop dazu zählt, doch dort ist kein Vorbeikommen an Corey Seager, der schon jetzt zu den Besten der Branche zählt.
In der Batting Order wiederum schlug er schon in jedem Slot. Und aus dieser ist er nicht wegzudenken. Zu gut sind seine Zahlen. Besonders die 15 Homeruns nach 93 Spielen samt OPS von .927 und dem .312 Schlagdurchschnitt sind außergewöhnlich für einen Super-Utility-Spieler wie ihn. Dass er in diesem Jahr schon drei Grand Slams geschlagen und damit den Dodger-Saison-Rekord eingestellt hat, ist da nur noch ein Zubrot.
Doch was genau führte denn nun zu seiner neuen Form? In erster Linie arbeiteten Taylor und Hitting-Consultant Robert Van Scoyoc im Oktober in Arizona an zwei Dingen: Zum einen veränderte Taylor seinen Griff. Im Gegensatz zu früher befinden sich seine Hände nun direkt am Knauf und nicht mehr ein paar Zentimeter oberhalb davon.
Chris Taylor: Neuer Schwung führt zu weniger Ground Balls
Zudem beinhaltet sein Schwung nun einen deutlich betonteren "Leg Kick", sein linkes Bein wird vor dem Schwingen höher gehoben als früher und kommt zeitgleich mit dem Schwung kräftiger auf den Boden. Das hat zur Folge, dass Taylor den Ball besser "driven" kann und mehr Fly Balls fabriziert. Zuvor war bei ihm eher die Tendenz, den Ball auf den Boden zu schlagen, was zu mehr leichten Outs führte.
"Kleinere Veränderungen können sich im Baseball drastisch anfühlen", erklärte Taylor, der betonte: "Du musst 100 Prozent überzeugt davon sein, wenn du solche Veränderungen an deinem Schwung durchführst. Und so hat es begonnen", sagte er in Bezug auf seine deutliche Leistungssteigerung in dieser Saison.
Sein Wert im Team indes war nie höher als gerade jetzt. Das unterstreicht auch FanGraphs, denn in der Kategorie wRC+ (Weighted Runs Created Plus) liegt er seit dem All-Star-Break bei einem Wert von 203, was der Bestwert in der National League ist. Trivial gesagt, ist er nach dieser Berechnung über 100 Prozent besser als der durchschnittliche Spieler auf der entsprechenden Position, wenn es darum geht, auf allen möglichen Wegen an der Erzielung von Runs mitzuwirken.
Zum Vergleich: Seagers Wert in dem Zeitraum liegt bei 178, während ein Cody Bellinger nicht mal in den Top-30 der ganzen Liga auftaucht. Gerechnet hätte damit niemand, doch Taylor überraschte alle, von Teamverantwortlichen bis externen Experten.
Aus einem buchstäblichen Lückenbüßer mit Problemen, überhaupt einen Platz im Kader zu finden, wurde innerhalb weniger Monate ein unverzichtbarer Lückenfüller. Einer, für den sich keine Lücke auftun muss, sondern einer, für den sie täglich eine neue Lücke finden, weil er einfach spielen muss.
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.