MLB

"162 Spiele machst nicht auf 'ner Arschbacke"

Jochen Reimer (l.) traf Redakteur Marcus Blumberg in den heiligen SPOX-Hallen in Unterföhring
© spox

Jochen Reimer ist Eishockey-Goalie in der DEL und spielt für den ERC Ingolstadt. Und er ist großer MLB-Fan. Im Interview mit SPOX spricht der zweimalige Torhüter des Jahres über seine Leidenschaft zum Baseball, sein Dasein als Anhänger der Los Angeles Angels und seine Lieblingsspieler. Zudem erklärt Reimer, wie man den Sport hierzulande populärer machen könnte.

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SPOX: Herr Reimer, um gleich auf den Punkt zu kommen: Wie kamen Sie als Eishockey-Profi zum Baseball?

Jochen Reimer: Ich war vor genau elf Jahren zum ersten Mal in Amerika, in L.A., damals durch einen Torwartkollegen. Und ein guter Freund von ihm wiederum hat bei den Anaheim Ducks gespielt und hat uns dann Karten für die Angels besorgt. Und das war so ein bisschen auf meiner Bucket List, dass, wenn ich mal in Amerika bin, ich auch mal ein Baseballspiel schaue.

SPOX: Waren Sie gleich voll drin in der Materie?

Reimer: Beim ersten Spiel habe ich noch nicht so viel kapiert, aber ich bin immer mehr rein gekommen und habe es mir im Fernsehen angeschaut, bin immer wieder auf Wikipedia gegangen, habe Regeln nachgeschaut und mir das so ein bisschen selber beigebracht. Das Jahr darauf war ich wieder bei meinem Kollegen - den ganzen Sommer - und war dann schon bei drei oder vier Spielen. Einen Sommer später waren es schon sechs oder sieben Spiele. Die Begeisterung ist nach und nach gewachsen. Mittlerweile ist das erste, was ich morgens nach dem Aufstehen mache, zu schauen, wie meine Angels gespielt haben und wie die anderen Spiele in der MLB ausgegangen sind.

SPOX: Manche Menschen sagen, dass sie Baseball am Anfang abgeschreckt hat. Bei Ihnen war das also nicht der Fall?

Reimer: Nein, mir hat das gefallen. Erstmal die Euphorie, mit der die Leute da hingehen, obwohl es eigentlich, wenn man es schwarz auf weiß betrachtet, ein langweiliges Spiel ist. Ich habe mich aber nach und nach reingefuchst und es hat mir richtig gut gefallen.

SPOX: Sie sagen, Sie sind vor elf Jahren zum Baseball gekommen. Das heißt, dass Sie den World-Series-Titel der Angels 2002 noch nicht als Fan mitbekommen haben?

Reimer: Nein, leider nicht. Aber ich habe - wie das ein guter Fan natürlich macht - die DVD und habe mir das natürlich ein paar Mal angeschaut.

SPOX: Wie verfolgen Sie denn normalerweise die Spiele?

Reimer: Ich habe MLB.TV. Und im Sommer, wenn ich drüben bin, kommt es natürlich im Fernsehen. Aber dann gehe ich ohnehin so oft wie möglich zu den Spielen. Letzten Sommer war es zwar nicht so oft, aber im Sommer davor war ich bei rund 20 Spielen im Stadion. Wir wohnen ja eigentlich in New Jersey, wo meine Frau herkommt - und in ihrer Familie sind alle große Mets-Fans. Mein Schwiegervater war schon Brooklyn-Dodgers-Fan und nun eben Fan der Mets. Ich gehe also so oft es geht ins Stadion - und jetzt nutze ich natürlich auch DAZN.

SPOX: Schauen Sie denn die Spiele auch mal Mitten in der Nacht live?

Reimer: Das Gute für mich als Angels-Fan ist, dass die von der Westküste kommen und die Spiele deshalb immer erst um 4 Uhr in der Früh anfangen. Das heißt, wenn ich um 6 oder 7 Uhr aufstehe, sehe ich meistens noch den spannendsten Teil vom Spiel. Aber es kommt auch vor, dass ich in den Playoffs den Wecker stelle und die Spiele komplett live anschaue.

SPOX: Sie schauen also nicht nur Spiele von den Angels, sondern auch von anderen Teams?

Reimer: Wenn irgendein Mittagsspiel in Amerika bei uns am frühen Abend läuft, dann schaue ich mir alles an - Hauptsache Baseball! Und wie gesagt bin ich mittlerweile durch die Familie meiner Frau auch Mets-Fan - das geht ja mit American League und National League. Da darf man immer einen Favoriten haben. Und es gibt natürlich Mannschaften, die einfach ziehen, wie - auch wenn es schwer für mich ist - die Yankees oder Red Sox. Oder jetzt mit Max Kepler die Twins, das verfolge ich natürlich auch.

SPOX: Haben Sie eigentlich einen bestimmten Lieblingsspieler ... also außer Mike Trout?

Reimer: (lacht) Ganz am Anfang fand ich Vladi Guerrero toll. Außerdem war ich sehr fasziniert von der ganzen Geschichte um Josh Hamilton und seine Drogenvergangenheit. Aber leider ist das ganze Thema bei den Angels nicht so aufgegangen, wie man sich das vorgestellt hat. Und klar, Mike Trout, der ist ja auch noch aus New Jersey, kommt gar nicht so weit von unserem Wohnort entfernt her. Das ist natürlich auch eine tolle Geschichte, der ist einfach brutal. Das ist ein Spieler, der immer den Unterschied machen kann und es macht Spaß, ihm zuzuschauen.

SPOX: Wie sieht es mit anderen Teams aus, haben Sie da irgendwelche Lieblingsspieler?

Reimer: Es gibt immer ein paar gute Spieler. Einer mit Angels-Vergangenheit war etwa Torii Hunter, der lange in Minnesota war. Der war toll. Und einen wie Giancarlo Stanton schaut man sich ohnehin gerne an. Jetzt durch unsere Nähe zu New York eben auch Aaron Judge, der ist der neue absolute Superstar. Über den redet ganz New York und Umgebung. Es gibt also schon einige Spieler, denen man gerne zuschaut. Washington ist auch nicht weit von uns, da gibt es Bryce Harper, der immer wieder für Furore sorgt. Wobei ich den persönlich nicht so toll finde. Seine sportlichen Qualitäten will ich ihm nicht wegnehmen, aber ...

SPOX: ... er hat eine originelle Frisur.

Reimer: (lacht) Ja, wie gesagt ... da ist mir Mike Trout sehr viel sympathischer als Harper, aber solche Spieler braucht man auch. Und der wird früher oder später bei den Yankees landen!

SPOX: Darauf wird es hinauslaufen im Jahr 2019. Aber sprechen wir weiter über die Gegenwart. Sie verfolgen wie angesprochen auch Spiele von Kepler. Schauen Sie da gezielt drauf?

Reimer: Gezielt nicht, aber wenn die Twins kommen, dann definitiv. Ich schaue in der Früh, wie meine Angels gespielt haben, wie die Mets gespielt haben und dann schaue ich auch, was der Kepler gemacht hat. Es ist schön zu sehen, wie einer aus einem Nicht-Baseball-Land für Furore sorgen kann.

SPOX: Sie haben nie selbst gespielt, aber hätten Sie mal Bock, das Ganze auszuprobieren?

Reimer: Ja klar. In Amerika gibt es natürlich Softball-Ligen und mein Schwager spielt in einer. Und für mich als Torwart ist zum Beispiel auch interessant, ob ich den Ball als Catcher fangen würde oder wie ich mich da anstellen würde. Ich wäre wohl ein guter Outfielder, denn fangen könnte ich. Aber werfen? Wohl eher nicht!

SPOX: Stichwort Catcher: Ein Goalie ist ja quasi das Gegenstück zum Catcher. Die offensichtliche Gemeinsamkeit ist, dass die beiden deutlich mehr Ausrüstung tragen als die anderen Spieler. Sehen Sie noch andere Gemeinsamkeiten?

Reimer: Der Catcher ist ein sehr, sehr wichtiger Spieler. Der dirigiert das Spiel mehr oder weniger. Und als Torwart im Eishockey ist es so, dass du von hinten - wie auch im Fußball - die Übersicht hast, und mehr oder weniger deine Vorderleute ein bisschen dirigieren willst. Beim Baseball ist das sogar noch schwieriger, denn der Catcher muss das ganze Spiel unter Kontrolle haben und natürlich auch seinen Pitcher und den auch mal beruhigen. Ich glaube, dass es definitiv Parallelen zu einem Eishockey-Torwart oder überhaupt zu einem Torwart gibt.

SPOX: Wir haben diese Frage sinngemäß Dirk Nowitzki vor einer Weile gestellt: Wer sind die besseren Athleten - Baseballer oder Eishockeyspieler?

Reimer: Ich glaube Eishockeyspieler. Aber verallgemeinern kann man es auch nicht. Es gibt auch in der MLB tolle Athleten, wenn ich mir beispielsweise in Pittsburgh Andrew McCutchen anschaue. Das ist ein Modellathlet. Oder Mike Trout. Trout könnte auch Football spielen.

SPOX: Der könnte alles spielen!

Reimer: Eben. Aber ich glaube, wenn man es verallgemeinert, sind Eishockeyspieler definitiv bessere Athleten, denn wenn ich mir einen CC Sabathia oder einen Bartolo Colon anschaue oder Prince Fielder damals ... so etwas gibt es beim Eishockey eben nicht.

SPOX: Das würde aber bestimmt lustig aussehen auf Kufen ...

Reimer: Bestimmt. (lacht) Aber klar: 162 Spiele spielt man nicht einfach so auf der linken Arschbacke runter, da muss man fit sein. Das zehrt schon ganz schön am Körper.

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