Giancarlo Stanton wechselt in einem Blockbuster-Trade von den Miami Marlins zu den New York Yankees. Der Deal hat weitreichende Konsequenzen, nicht nur für die beteiligten Teams. Was heißt das für die Marlins, warum haben es die Yankees gemacht und welche Bedeutung hat es für die Konkurrenz? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie kam es zum Trade? Wie sieht er aus?
Outfielder Giancarlo Stanton unterschrieb bei den Marlins vor der Saison 2015 einen Rekordvertrag in Höhe von 325 Millionen Dollar über 13 Jahre. Mit dabei: eine volle No-Trade-Klausel, eine Ausstiegsklausel nach 2020 und eine Teamoption in Höhe von 25 Millionen für die Saison 2028 mit einem 10-Millionen-Dollar-Buyout.
Das Überraschende an diesem Monstervertrag damals war die Tatsache, dass das Team unter Besitzer Jeffrey Loria, der als notorischer Geizhals galt, nahezu regelmäßig namhafte Spieler getradet hatte, nur um aus halbwegs teuren Verträgen rauszukommen. Ein Rebuild folgte dem nächsten.
Für einen Starspieler war dies also eigentlich keine Organisation, an die man sich langfristig hätte binden wollen. Zum einen, weil man befürchten musste, kurz nach Unterschrift schon wieder - gegen seinen Willen - woanders hingeschickt zu werden. Zum anderen, da mit dieser Philosophie Teamerfolg eher schwierig zu realisieren ist.
Der Deal für Stanton, den Local Hero in Miami, musste also zu gleichen Teilen als Reflexion seines sportlichen Wertes wie auch als eine Art Schmerzensgeld gesehen werden, da die Situation in Miami sportlich extrem instabil war und immer noch ist. Daher war auch die No-Trade-Protection für Stanton bei seiner Unterschrift so wichtig.
Nun wurden die Marlins vor kurzem an den Geschäftsmann Bruce Sherman und eine Gruppe um Yankees-Legende Derek Jeter, der nun als CEO agiert, verkauft. Erste Amtshandlung des neuen Regimes war es dann, Kosten einzusparen und die Payroll, die 2017 bei 115 Millionen Dollar lag, deutlich zu senken. Berichten zufolge plant man, bis unter 60 Millionen Dollar zu kommen. Das wäre die wohl mit Abstand niedrigste Payroll der Liga.
Insofern war ein Abgang von Stanton immer die beste Lösung, um direkt richtig viel Gehalt loszuwerden. Stanton verdient 2018 25 Millionen Dollar, ihm stehen aufgrund der Struktur des Deals noch insgesamt 295 Millionen Dollar zu.
Der Trade an sich beinhaltet auf der einen Seite also den National League MVP, die Yankees geben im Gegenzug All-Star-Second-Baseman Starlin Castro, Pitching-Prospect Jorge Guzman sowie Infield-Talent Jose Devers an die Marlins ab. Zudem übernehmen die Yankees 265 Millionen der noch ausstehenden Dollars für Stanton - sollte der 2020 nicht aus dem Deal aussteigen. Nur dann müssten die Marlins ihre 30 Millionen an die Yankees überweisen.
Was bedeutet der Trade für Stanton?
Giancarlo Stanton geht von einem Team, mit dem er nie die Playoffs erreicht hat und dessen Teamphilosophie es zu sein scheint, wirtschaftliche Interessen weit über den sportlichen Erfolg zu stellen, zu einem Team, dass nur ein Spiel von der World Series entfernt war. Während die Marlins darauf aus sind, Kosten zu senken und wahrscheinlich noch ein paar weitere teure Assets veräußern werden, scheinen die Yankees drauf und dran, ihre nächste große Ära zu starten.
Die Yankees waren eines von nur vier Teams, zu denen Stanton Medienberichten zufolge einen Trade bewilligt hätte. Er wollte also in die Bronx, um dort endlich eine reelle Chance auf Erfolg zu haben. Eine Perspektive, die in Miami höchstens theoretischer Natur gewesen wäre - und das auch nur phasenweise. "Als ich dort unterschrieben habe, wollte ich, dass es funktioniert. Aber manchmal geraten die Dinge außer Kontrolle und man muss ein neues Zuhause finden."
Stanton ist aus Los Angeles und wäre womöglich am liebsten in die Heimat zu den Dodgers gewechselt, doch deren Angebot war für die Marlins Gerüchten zufolge nicht attraktiv genug. Und auch wenn ihm die Familie damit weiterhin fehlen wird, kann er nun zumindest darauf hoffen, dass seine besten Jahre - er ist mit 28 im besten Baseball-Alter - nicht länger in einer No-Win-Situation verschwendet werden.
Zudem wechselt er in eine Division und ein Stadion, die beide sehr Hitter-freundlich daherkommen. Er schlug in der NL East schon 59 Homeruns - wie viele werden das also erst in der AL East? Mit dem Yankee Stadium, Camden Yards (Orioles), dem Green Monster im Fenway Park (Red Sox) sowie dem Trop und Rogers Centre (Rays) bieten sich eine Menge Homerun-Gelegenheiten aufgrund kurzer Distanzen ins Publikum. Lediglich die NL Central hat insgesamt noch mehr Homeruns gesehen als die AL East.
Und: Sollte es Stanton aus irgendeinem Grund nicht gefallen im Big Apple, dann kann er nach 2020 einfach gehen, ohne Probleme und mit der Perspektive auf einen weiteren Monstervertrag.
Was bedeutet der Trade für die Marlins?
Das kollektive Durchschnaufen von Fans und Freunden der Miami Marlins dürfte riesig gewesen sein, als der Verkauf der Franchise von Jeffrey Loria an Sherman und Co. final wurde. Endlich war der Geizhals, den nur der eigene Geldbeutel und nicht die sportliche Perspektive der Marlins interessierte, weg. Mit Sherman und vor allem MLB-Ikone Derek Jeter sollte eine neue Ära eingeleitet werden.
Doch seither trat CEO Jeter als Gesicht des neuen Regimes in ein Fettnäpfchen nach dem anderen. Er feuerte den "Ältestenrat" des Teams um World-Series-Manager (2003) Jack McKeon, "Mr. Marlin" Jeff Conine sowie den Hall-of-Famern Tony Perez und Andre Dawson, um dann nach öffentlicher Kritik zu versuchen, sie mit einem Jux-Gehalt zurückzuholen. Danach entließ er den langjährigen Scout Marty Scott, während der gerade nach einer Krebsoperation im Krankenhaus lag. Und er erklärte am Rande des GM Meetings im November, noch nicht mit Stanton, dem Gesicht seiner Franchise, gesprochen zu haben.
Und nun schicken die Marlins eben jenen Stanton zu den Yankees und erhalten dafür lediglich zwei eher fragwürdige Talente sowie einen Second Baseman, den sie Gerüchten zufolge direkt weiter traden wollen, weil der sage und schreibe 22 Millionen Dollar in den nächsten zwei Jahren verdienen wird - in anderen Kreisen nennt man dies übrigens einen extrem teamfreundlichen Vertrag. Es ging ihnen offensichtlich nur darum, das riesige Gehalt Stantons loszuwerden, was ihnen ja gelungen ist.
Das Problem ist, dass hier nicht einmal mit viel Fantasie von einem Rebuild gesprochen werden kann. Ein Rebuild erfordert, namhafte und teure Spieler loszuwerden und dafür hoffnungsvolle Talente zurückzukriegen. Letzteres fällt aber weg, weshalb die Frage ist: Worauf will man hier aufbauen?
Zugutehalten muss man Miami, dass man durchaus gewillt, im Stanton-Trade mehr Qualität zurückzubekommen. Mit den Giants und vor allem den Cardinals hatte man bessere Deals vereinbart - die Cards waren wohl sogar bereit, den vollen Vertrag zu schlucken und noch dazu einen ihrer Top-Pitcher des Farmsystems nach Florida zu schicken. Die Giants hätten immerhin Top-Positionsspieler abgegeben.
Doch Stanton wollte nicht und nutzte seine No-Trade-Klausel, um die Deals abzulehnen. Da blieb den Marlins nicht mehr viel übrig, als auf Salary-Dump mit den Yankees zu setzen.
Negative PR wird dies dennoch bringen, da es wahrscheinlich ist, dass die Marlins weitere Topspieler verschiffen werden. All-Star-Second-Baseman Dee Gordon ist schon weg, Gerüchten zufolge wird aus dem Duo Christian Yelich und Marcell Ozuna mindestens einer folgen, obwohl beide verhältnismäßig günstig sein werden in absehbarer Zeit.
Was das Endziel ist für dieses neue Regime ist unklar, momentan sieht es aber nicht nach besseren Zeiten aus in Florida.
Was bedeutet der Trade den New York Yankees?
Für die Yankees ist es eine hochinteressante Situation. Es war gewissermaßen ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnten. Sie waren nicht aktiv an Trade-Talks beteiligt und waren auch kein offensichtliches Ziel für Stanton. Der langfristige Plan in der Bronx war es, unter die Luxussteuergrenze von 197 Millionen Dollar zu kommen, um 2019 keine Luxusteuern zahlen zu müssen, wenn richtig große Namen auf den Markt kommen.
Stanton fiel ihnen nun aber gewissermaßen in den Schoß.
Es war die ideale Situation für die Yankees, denn zum einen übernehmen die Marlins 2018 einen Teil der Last, was die Steuerberechnung angeht: Auf dem Papier zählt Stantons Vertrag "nur" 22 Millionen Dollar gegen die 197-Millionen-Dollar-Grenze der Yankees, den Rest übernimmt Miami. Zudem mussten die Yankees keines ihrer hochgelobten Talente hergeben. Die zwei Abgänge sind zu verschmerzen: Guzman war die Nummer 9 des tiefen Farmsystems, das viele Experten für das beste in den Majors halten. Devers war nicht mal in den Top 30 gelistet.
Für die Yankees ist es im Grunde genommen also nur Geld, das sie Stanton kostet, maximal 265 Millionen Dollar. Oder anders gesagt: Viel weniger, als Power-Hitter Bryce Harper im kommenden Winter wohl bekommen wird. Auf den sollen die Yankees besonders heiß gewesen sein, er dürfte aber wahrscheinlich einen Vertrag im Bereich von 300 bis 400 Millionen über nahezu denselben Zeitraum wie Stanton erhalten. Unterm Strich spielt auch er Right Field und bringt ordentlich Power mit. Insofern haben die Yankees wohl einfach den günstigeren der beiden Superstars geholt.
Sollte Stanton nach 2020 aussteigen, was nach produktiven Spielzeiten wahrscheinlich wäre, hätte New York zudem nicht mehr das Risiko des Leistungsabfalls, der ab Mitte 30 wohl sicherlich kommen wird. Steigt Stanton nicht aus, könnte sich das Team diesen Spieler aber immer noch problemlos leisten.
Sportlich betrachtet fügt man zum vielleicht besten Offensivspieler der American League in der vergangenen Saison, Aaron Judge, mal eben den MVP der National League hinzu und macht sein Lineup noch tiefer und furchteinflößender. Die Perspektive, Judge und Stanton, die beide über 50 Homeruns geschlagen haben, hintereinander schlagen zu lassen, ist einfach wahnsinnig!
Die Yankees werden gern als "Evil Empire" bezeichnet. So kurz vor dem Kinostart von Episode 8 von Star Wars darf man mit Fug und Recht einen Klassiker zitieren: Das Imperium schlägt zurück.
Was sind die Folgen des Stanton-Trades für den Rest der Liga?
Viele Parteien werden von diesem Deal beeinflusst. Die Konkurrenz in der NL East darf aufatmen, denn der gefährlichste Hitter in dieser Division ist Geschichte. Sportlich ändert sich andererseits wenig in der East, denn die Marlins waren ohnehin keine echte Konkurrenz für die Nationals.
In der AL East jedoch sind die Yankees nun Stand jetzt der klare Favorit. Und sie setzen ihren Erzrivalen, die Boston Red Sox, enorm unter Druck. Das größte Defizit der Red Sox war 2017 nämlich die fehlende Power. Sie gehörten zum hinteren Drittel der Liga, was Homeruns anging. Die Yankees führten die MLB in dieser Disziplin an - und holen jetzt den Major-League-Homerun-Leader.
Die Sox müssen also reagieren, was letztlich dazu führen könnte, dass sie gegen sich selbst bieten. Ein J.D. Martinez für mutmaßlich 200 Millionen und vielleicht noch ein Eric Hosmer für mindestens 150 Millionen, um irgendwie mitzuhalten mit den Bronx Bombers? Ob das weise ist, sei dahingestellt, aber es könnte durchaus passieren.
Großen Einfluss wird es auch auf Nationals-Supestar Bryce Harper haben. Dem nämlich bricht nun wohl der größte und reichste Interessent weg. Die Yankees werden wohl kaum auch noch versuchen, Harper für teures Geld im nächsten Winter zu verpflichten. Das anstehende Wettbieten wird zwar dennoch kommen, aber vielleicht nicht ganz so schwindelerregende Höhen erreichen wie bei einem Interesse des Rekordchampions.
Umso spannender macht dies auch die Situation von Third Baseman Manny Machado, dessen Vertrag in Baltimore ebenfalls nach der Saison 2019 ausläuft. Die Yankees waren ohnehin schon ein möglicher Interessent für den zweitgrößten Namen des Winters 2018. Jetzt könnte er das Top-Target der Yankees zu werden, denn die Third Base wird dann wahrscheinlich offen sein - das Outfield nicht.
Der Stanton-Deal ist ein echter Blockbuster, der hohe Wellen schlägt und für eine hochinteressante Saison 2018 sorgen wird. Die Yankees haben ein Ausrufezeichen gesetzt. Wie werden die Konkurrenten reagieren? Your move, Boston!
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.