Was macht einen Hall-of-Famer aus? Generell sollte er zu den offensichtlich besten Spielern seiner Generation gehören. Und wenn das nicht reicht, dann sollte er wenigstens in der Nachbetrachtung durch das Prisma der hochtrabenden modernen Statistiken zu den Besten zählen.
Letzteres Hilfsmittel hat nach langem Warten dazu geführt, dass im Vorjahr Tim Raines, dessen Karriere gut, aber aus traditioneller Sicht nicht überragend war, es doch noch nach Cooperstown geschafft hat. Warum? Weil aus Sabermetrics-Sicht seine Leistungen eben doch überragend waren und sich von diversen Spielern seiner Zeit, aber auch heutiger Zeit, deutlich abhoben.
Einen solchen Fall allerdings gibt es in der Klasse von 2018 nicht. War auch nicht nötig. Chipper Jones war MVP und einer der besten Spieler seiner Zeit, Jim Thome schlug mehr als 600 Homeruns, was in Hall-of-Fame-Kreisen immer noch ein Totschlagargument ist - es sei denn, jemand vermutet, wenn auch ohne Beweise, das Doping theoretisch im Spiel hätte gewesen sein können. Aber Thome war nach Meinung aller clean. Und Trevor Hoffman ließen die selbstherrlichen Wähler ob seiner 600 Saves lange genug zappeln, also kam auch er im dritten Anlauf rein.
Und dann wäre da noch Vladimir Guerrero! Der Mann aus der Dominikanischen Republik, dem für viele überraschend 2017 noch die Aufnahme verweigert worden war, kam dieses Mal mit über 90 Prozent der Stimmen locker rein. Und warum auch nicht? "Vlad" befriedigte so ziemlich alle möglichen Generationen in ihrer Betrachtung der Hall-of-Fame-Qualifikation.
Die Traditionalisten hatten ohnehin ihre helle Freude an Guerrero, schließlich war sein Batting Average großartig! Von 1997, seiner ersten vollen Saison in der MLB, bis 2008 schlug er stets über .300 - überhaupt blieb er nur 2009 und 2011 unter dieser neuralgischen Zahl, doch auch in den Jahren waren es mit .295 und .290 stattliche Schlagdurchschnitte.
Vladimir Guerreros Schlagdurchschnitt: Ein Traum für Traditionalisten
Mehr noch: Seinen Schlagdurchschnitt von .318 übertrafen insgesamt nur 18 Spieler überhaupt, die mindestens auf seine 9059 Plate Appearances kommen. Allesamt sind diese Herren in Cooperstown anzutreffen!
Er schlug zwar "nur" 449 Homeruns, doch hinzu gesellten sich auch zahlreiche Doubles, wodurch seine Slugging Percentage insgesamt bei .553 lag - unter allen Spielern im Ruhestand belegt er damit Rang 21 - unter Hall-of-Famern gar Platz 14. Damit liegt er vor Leuten wie Mike Piazza oder Ken Griffey Jr., um nur zwei zu nennen.
Schaut man in die Welt der modernen, aussagekräftigeren Statistiken, dann weiß Guerrero aber genauso zu überzeugen. Am Ende seiner Karriere hatte er eine 140 OPS+ - eine Statistik, die grob gesagt alle möglichen Schlagleistungen zusammen fast und Umweltfaktoren wie Stadiengröße herausrechnet -, Superstar Alex Rodriguez kam ebenfalls auf diesen Wert. Ein Wert, der die Zahlen von Griffey Jr. und Tony Gwynn, der auch in der Hall of Fame ist, übertrifft.
Aber auch diverse andere Statistiken wie WRC+ (Weighted Runs Created Plus), was das Zutun eines Spielers an der Run-Produktion seines Teams ohne Umweltfaktoren berechnet, sehen ihn vor diversen Hall-of-Famern.
Unterm Strich gibt es also wenig, was gegen ihn spricht, wenn es um die Hall of Fame geht, zumal er auch noch einen MVP Award vorzuweisen hat, was Wähler auch immer gern sehen.
Vladimir Guerrero: Verdreckter Helm als Markenzeichen
Doch was machte Guerrero eigentlich so besonders? Was zeichnete ihn aus? Sein Markenzeicheichen war der eigentlich immer komplett mit Pine Tar (Holzteer) verdreckte Batting-Helm. Da Guerrero schon immer ohne Batting-Handschuhe schlug, schmierte er sich das Zeug auf den Helm. So konnte er mit einem kurzen Griff an den Helm Pine Tar an die Hände bekommen, um seinen Grip zu verbessern. Dass er aber ohnehin mit starken, widerstandsfähigen Händen ausgestattet war, ließ sich zurückführen auf seine Kindheit. Damals half er seinem Großvater in der Dom. Rep. dabei, Kühe über die Weide zu ziehen.
Rein sportlich wiederum war es sicherlich seine aggressive Art an der Platte, die er im Grunde schon in frühster Kindheit entwickelte. Als Kind spielte er in seiner Heimat ein Spiel, das Cricket ähnelte. Mit Besenstielen schwangen die Hitter nach Bällen, die die Pitcher auf den Boden prallen ließen und versuchten, gefaltete Autokennzeichen zu treffen.
Heutzutage tendieren immer mehr Hitter dazu, sich auf die berühmten "Three True Outcomes" zu beschränken, also: Homerun, Walk oder Strikeout.
Vladimir Guerrero hingegen kannte nur ein Ziel: Wenn ein Pitch angeflogen kam, musste er ihn schlagen! Egal wo er hinflog. Selbst Pitches in den Dreck waren kein Hindernis für Vlad, der auch daraus mitunter noch Hits machte. Hall-of-Famer und TV-Experte Cal Ripken Jr. sagte einst über Guerrero: "Er ist der beste Bad-Ball-Hitter, den ich je gesehen habe."
Im Jahr 2008 schwang er nach fast 46 Prozent der Pitches, die außerhalb der Strikezone lagen, der mit Abstand höchste Wert in dem Jahr. Mit seinen 1,91 Metern und immer ungefähr 106 Kilogramm hatte er eine enorme Reichweite und schaffte es trotz stets fragwürdiger Pitch-Selection immer wieder, die vermeintlich schlechten Pitches nicht nur zu schlagen, sondern sie auch mit Kraft zu schlagen. Für Doubles oder auch Homeruns.
Homeruns gelangen ihm also, doch die anderen zwei "wahren Ergebnisse" ignorierte Guerrero fast völlig! Gänzlich untypisch in der heutigen Zeit nahm Guerrero selten Walks. Sein Career High waren mal 88 im Jahr 2001. Insgesamt kam er lediglich auf 737. Allerdings strich er 250 Intentional Walks ein, was Platz 5 insgesamt bedeutet. Aber auch Strikeouts waren ihm völlig fremd, obwohl er ein so aggressiver Hitter war: Er hatte nie 100 Strikeouts in einer Saison, in seiner Karriere waren es auch nur 985. Unglaublich aus heutiger Sicht!
Vladimir Guerrero: Homerun, um nicht zu rennen
Diese Qualitäten zeichneten ihn indes auch schon ganz am Anfang seiner Karriere aus. Es ist überliefert, dass er sich einst im Trainingscamp der Los Angeles Dodgers anno 1993 bei einem Double am Oberschenkel verletzte und im anschließenden At-Bat mit Absicht einen Homerun schlug - um nicht laufen zu müssen!
Bei den Dodgers hielt ihn jedoch wenig, weil er die Struktur im dortigen Camp nicht mochte. Also ging es letztlich zu den Montreal Expos, für die er insgesamt acht Jahre aktiv war und diverse Franchise-Rekorde aufstellte. 2004 kam schließlich der Wechsel zu den Los Angeles Angels, für die er seine damals schon großartige Karriere fortsetzte.
Einer seiner Beweggründe für einen Wechsel nach Anaheim und nicht etwa New York oder zu einem der diversen anderen Teams, die sehr interessiert an seinen Diensten waren, soll dabei Teameigner Arte Moreno gewesen sein. Er war damals der erste Baseball-Teambesitzer mit lateinamerikanischen Wurzeln, was großen Eindruck auf Guerrero machte.
Seine Herkunft erfüllte ihn schon immer mit Stolz, bei All-Star Games oder seinem Sieg im Homerun Derby 2007 trug er immer die dominikanische Flagge mit sich. Und die Heimat steht auch hinter ihm. Am Mittwoch war einer der Gratulanten nach der Hall-of-Fame-Verkündung der Präsident der Dominikanischen Republik, Danilo Medina, der via Twitter erklärte: "Es erfüllt alle Dominikaner mit Stolz, dass er unsere Flagge an die Spitze getragen hat."
Setzt Vladimir Guerrero Jr. die Familientradition fort?
Guerrero selbst sagte nach der Verkündung: "Dies ist für Don Gregorio (sein Heimatort, Anm. d. Red.), meine Familie und die gesamte Dominikanische Republik."
Dass er in Anaheim wohl am richtigen Ort angekommen war, zeigte sich direkt 2004, denn Guerrero wurde zum MVP der American League gewählt, mit großem Abstand sogar. In den folgenden drei Jahren landete er stets in der Top Ten dieser Wahl - zweimal wurde er Dritter, einmal Neunter. Eine World Series aber erreichte er nie.
In seiner Zeit nach dem Baseball ist Guerrero weiterhin gut beschäftigt. Er besitzt diverse Unternehmen in seiner Heimat und ist außerdem achtfacher Vater - mit fünf Frauen. Einer seiner Söhne, Vladimir Guerrero Jr., könnte sogar die Familientradition fortführen. Er ist das Top Prospect der Toronto Blue Jays und könnte in nicht allzu ferner Zukunft den Sprung in die MLB schaffen.
Doch zunächst steht ein Trip im Ende Juli nach Cooperstown/New York an, wo Guerrero dann auch offiziell in die Ruhmeshalle des Baseballs aufgenommen wird. Zum Stolz der ganzen Dominikanischen Republik.
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.