Drew Henson sollte im Football und im Baseball ein Superstar werden - für die Dallas Cowboys und New York Yankees. Er war dabei, als Tom Bradys Aufstieg begann und die Cowboys und Yankees neue Stars fanden. Selbst ins Rampenlicht jedoch schaffte es Henson nie. Seine Karriere blieb vielmehr eine Randnotiz in der Vita vieler Größen des Sports.
Sie sind selten, aber es gibt sie alle paar Jahrzehnte mal, diese Super-Athleten. Enorme Talente, die gleich in mehreren Sportarten brillieren und bei denen von klein auf klar ist, dass eine große Karriere nur eine Frage der Zeit ist. Man denke an Leute wie Bo Jackson oder Deion Sanders, die sowohl im Baseball als auch im Football für Furore sorgten.
Einer, der ebenfalls prädestiniert war, in diese Riege aufgenommen zu werden, ist Drew Henson.
Henson war zu High-School-Zeiten ein Star in Baseball, Basketball und Football, gab den Basketball aber schon relativ früh auf - nicht jedoch die anderen zwei Sportarten. Im Baseball wurde er bereits aus der High School heraus gedraftet - und nicht von irgendwem: Die ruhmreichen New York Yankees, die 1998 ihre vielleicht beste Saison überhaupt hingelegt haben, zogen Henson in jenem Jahr in der dritten Runde des Drafts. Signing Bonus in Höhe von zwei Millionen Dollar inklusive - mit 2,7 weiteren Millionen oben drauf, wenn er sich komplett vom Football verabschiedet hätte.
Henson aber wollte beides: Eine College-Football-Karriere und eine professionelle Baseball-Karriere. Also spielte er fortan im Sommer Baseball im Minor-League-System der Yankees und schloss sich schließlich den ebenso ruhmreichen Michigan Wolverines im College Football an.
Henson galt als einer der besten Quarterbacks aus der High School, aber auch einer, der eben eine mögliche Baseball-Karriere als Plan B hatte. Folglich war Head Coach Lloyd Carr, der Michigan 1997 mit QB Brian Griese zu einer ungeschlagenen Saison geführt hatte, bemüht, Henson auch spielen zu lassen. Griese ging in die NFL und so wurde der Posten des Starting Quarterbacks frei.
Das Problem für Henson: Im Team war da auch noch ein Redshirt-Junior, der sich ebenfalls Hoffnungen machte auf Einsätze. Sein Name? Tom Brady.
imago imagesDrew Henson: Schwerer Stand hinter Tom Brady
Letztlich durften beide 1998 ran, gegen Saisonende aber entschied sich Carr für Brady als Starter. Ein Jahr darauf sorgte Carr dann für Aufsehen, indem er beide in einem Platoon ran ließ - Brady im ersten, Henson im zweiten Viertel und danach wurde nach Tagesform entschieden. Auch in dem Jahr setzte sich am Ende dann doch Brady durch, der seine College-Karriere schließlich als Starter und Orange-Bowl-Gewinner über Alabama abschloss und in die NFL ging, wo er keine ganz so schlechte Karriere hinlegen sollte.
Henson wiederum blieb noch ein Jahr in Ann Arbor und schrieb sogar Geschichte: Er ist bis heute der letzte Michigan-Quarterback, der die Wolverines zu einem Sieg im Horseshoe, der Heimat der Ohio State Buckeyes, geführt hat - die Rivalität zwischen Michigan und Ohio State ist eine der verbittertsten überhaupt im Football. Am Ende der Saison 2000 gewann Henson noch den Citrus Bowl, entschied sich jedoch nach langer Überlegung dazu, Football aufzugeben und sich den Yankees anzuschließen.
Ein großer Grund dafür? Der berüchtigte Teameigner der Yankees, George M. Steinbrenner, köderte den Third Baseman mit garantierten 17 Millionen Dollar, um nur noch Baseball zu spielen - mit dem Versprechen, seine Entwicklung zu beschleunigen und Henson baldmöglichst in die MLB zu bringen - als Nachfolger von Scott Brosius, der die Position über mehrere Jahre und drei Meisterschaften in Serie bekleidet hatte.
Steinbrenner war seit jeher fasziniert von Football und hatte in den 80er Jahren sogar versucht, John Elway von einer Baseballkarriere zu überzeugen - die Yankees drafteten den später Hall-of-Fame-Quarterback 1981 sogar in der zweiten Runde. Henson wurde seinerzeit gar mit Elway im Football und dem legendären Third Baseman Mike Schmidt (Philadelphia Phillies) vergleichen.
Drew Henson: Von eigenen Fans ausgebuht
Henson war seinem großen Traum sehr nahe. Mit 21 Jahren bereits war er ins Triple-A-Team der Yankees, die Columbus Clippers, aufgestiegen und nur noch eine Stufe von der MLB entfernt. Geliebt wurde er gerade in Columbus allerdings nicht. Seinen Sieg über die Buckeyes nahm man dem Michigan-Star so übel, dass er vor heimischem Publikum regelmäßig ausgebuht wurde.
An dem Punkt stockte auch die Entwicklung. Henson wollte zu schnell zu viel. "Ich war ein Teilzeit-Baseballspieler, der mit erhöhter Geschwindigkeit durch die Minor Leagues geklettert ist, mit nur 21 Jahren. Ich erreichte Triple-A mit kaum einer ganzen Saison an At-Bats auf dem Konto. Aber das spielte für mich keine Rolle. Ich versuchte, gewissermaßen schon am nächsten Tag in die Big Leagues zu kommen und am besten auch noch All-Star zu werden", sagte Henson kürzlich gegenüber der New York Post.
Er schaffte letztlich 2002 und noch kurz 2003 den Sprung in die Big Leagues und machte ganze acht Spiele für die Yankees. Ihm gelang ein Hit.
Eine verrückte Kettenreaktion
Mehr jedoch war Henson nicht vergönnt. Er entwickelte sich nicht mit der Geschwindigkeit, die sich die Organisation versprochen hatte. Und das löste eine denkwürdige Kettenreaktion in New York aus - eine von mehreren, die Henson durch seine gesamte sportliche Karriere meist unfreiwillig losgetreten hatte.
Die Yankees sahen sich gezwungen, einen Trade für Third Baseman Aaron Boone mit den Cincinnati Reds einzufädeln. Boone wäre noch bis Ende 2004 unter Vertrag gewesen und trug sich selbst in die Geschichtsbücher ein mit seinem dramatischen Extra-Inning-Homerun gegen den verhassten Rivalen Boston Red Sox in der American League Championship Series 2003 - das Halbfinale in den Playoffs. Er schickte die Bronx Bombers in die World Series.
Anschließend aber riss sich Boone das Kreuzband beim Basketball spielen, wurde entlassen und die Yankees tradeten mit den Texas Rangers für Superstar Alex Rodriguez. Boone wiederum wurde wegen Vertragsbruchs - Basketball war verboten - entlassen, landete letztlich aber 2018 wieder in New York und ist nun der Manager des Teams.
Henson: Rücktritt vom Baseball 2004
Henson wiederum sah die Boone-Verpflichtung und letztlich auch die von A-Rod als klares Signal und beendete schließlich 2004 sein Baseballkarriere. Nun sollte es dann doch Football sein.
Henson wurde im NFL Draft 2003 in der sechsten Runde von den Houston Texans gezogen, quasi auf Verdacht, denn er spielte ja Baseball und sollte ein Star für die Yankees werden. Die Texans aber sicherten sich dennoch die Rechte an ihm für den Fall, dass er doch nochmal in die NFL gehen wollte. Zu der Zeit hatten sie bereits David Carr als ersten Pick insgesamt 2002 gezogen und sahen Henson eher als Trade-Chip. Mit gutem Grund, glaubt man Henson selbst, der noch Jahre später davon ausging, dass er wohl der erste Pick im Draft 2002 geworden wäre - und nicht Carr - wenn er seine Senior-College-Saison 2001 gespielt und nicht für Baseball aufgegeben hätte.
Die Texans, die 2004 keine Verwendung mehr für Henson hatten, hielten daher im Frühjahr - nur drei Tage vor dem A-Rod-Trade - ein Showtraining mit Henson ab, an dem 21 Teams teilnahmen. Letztlich bissen die Dallas Cowboys - das Football-Äquivalent zu Baseballs Yankees, was die Popularität angeht - an. Auf Geheiß vom exzentrischen Teameigner Jerry Jones tradeten sie für Henson und gaben einen 2005er Drittrunden-Draftpick für ihn ab. Ein hoher Preis für einen Quarterback, der seit drei Jahren nicht mehr gespielt hatte.
Abgesehen davon, dass er eingerostet war zu Beginn, hatte Henson im Laufe seiner zwei Jahre in Dallas aber noch ein viel größeres Problem: Der damalige Head Coach Bill Parcells brachte nach der Entlassung von Starter Quincy Carter einen alten Bekannten mit: Vinny Testaverde, den er schon bei den Jets unter sich hatte.
Dann fand er nach dem 2004er Draft auch noch einen QB aus Eastern Illinois, der ihm positiv aufgefallen war: Ein gewisser Tony Romo. Kurzum: Jones hatte Henson ohne klare Zustimmung von Parcells geholt und Parcells war entsprechend nicht begeistert.
Drew Henson: "Coach Bill Parcells mochte mich nicht"
"Bill hat Tony gefunden und verpflichtet. Und Jerry war eher für mich. Das entwickelte eine gewisse Eigendynamik. Und ich glaube, dass mich Coach Parcells von Anfang an aus irgendeinem Grund nicht gemocht hat", sagte Henson Jahre später.
Letztlich war er 2004 meist Testaverdes Backup und bekam schließlich sogar einen Start - sein einziger in der NFL - an Thanksgiving! Aber auch der verlief suboptimal aus Hensons Sicht: "Ich durfte ein Spiel starten, ich warf eine Interception und Parcells nahm mich wieder raus. Jeder kennt die Story." Henson hatte das Spiel sogar mit einem Touchdown-Drive - und seinem einzigen Touchdown-Pass in der NFL - begonnen. Letztlich führte Testaverde das Team zum Sieg.
Henson blieb noch ein Jahr länger bei den Cowboys, war aber in keinem der 16 Regular-Season-Spiele 2005 aktiv hinter Starter Drew Bledsoe und eben Romo.
Die Cowboys entließen ihn 2006 nach einem Sommer in der NFL Europe für Rhein Fire (Düsseldorf) und Henson hatte noch ein paar Gastauftritte auf Practice Squads der Minnesota Vikings und schließlich Detroit Lions, für die er kurzfristig sogar noch zum aktiven Kader gehörte. Die Lions entließen ihn 2009 endgültig, nachdem sie ihre 0-16-Saison hingelegt und anschließend Matthew Stafford mit dem ersten Pick gezogen hatten.
Henson und die langfristigen Verbindungen
Für Henson endete damit die Karriere mit einer weiteren schier unglaublichen Connection: Stafford nämlich besuchte dieselbe High School in Dallas wie Hansons Frau Madeilene, die er in Dallas kennenlernte. Und: Ihre Brüder waren im selben Jahrgang wie Stafford.
Henson verlor also den Konkurrenzkampf gegen Tom Brady auf dem College, der dann zum Megastar wurde, anschließend war es seine stockende Entwicklung im Yankees-System, die letztlich einen historischen Moment in der Franchise-Geschichte, zudem Alex Rodriguez' Ankunft in New York und wohl auch Aaron Boone als heutigen Manager der Bronx Bombers ermöglichte.
Darüber hinaus verhalf Henson mit seiner Baseball-Entscheidung David Carr vermutlich zum Nummer-1-Pick 2002 und machte später dann auch noch Tony Romos Aufstieg in der Frühphase von dessen Karriere überhaupt erst möglich. Wer weiß, vielleicht hätten wir sonst immer noch Phil Simms an der Seite von Jim Nantz am Mikro von CBS bei NFL-Spielen?
imago imagesCorona-Pandemie stoppt Drew Hensons nächsten Schritt
Henson arbeitete in der Folgezeit als Baseball-Scout für die Yankees und war drauf und dran, in ähnlicher Rolle ins Footballgeschäft einzusteigen. "Ich habe keine Pro Bowls, keine All-Star Games, aber ich habe einen enormen Erfahrungsschatz und kann damit einem Team für die nächsten 20, 30 Jahre helfen, denn ich habe all das gelebt. Und im Scouting-Bereich kann ich mich selbst und all die Leute als Beispiel hernehmen, denen ich begegnet bin", sagte Henson.
Er spielte Football für Koryphäen wie Lloyd Carr und Bill Parcells und Baseball für Hall-of-Fame-Manager Joe Torre, war Teamkollege vom GOAT.
Dass es noch nicht mit dem Football-Job geklappt hat, lag einmal mehr an den Umständen: Gerade, als das Thema heiß wurde, kam die Corona-Pandemie.
Etwas, das Henson aber nun auch nicht mehr aus der Ruhe bringt: "Ich habe endlich Geduld gelernt und, dass nicht alles nach meinem Zeitplan passiert." Eine Tugend, die ihm im Baseball abging, was letztlich zu seinem Scheitern führte.