Die MLB-Saison 2020 ist Geschichte und brachte aufgrund der Coronavirus-Pandemie besondere Herausforderungen mit sich. Doch was bleibt von der Spielzeit? Wie schlug sich die Liga in so schwierigen Zeiten? Wie ist das Jahr sportlich zu bewerten und welche kurzfristigen Regeländerungen könnten beibehalten werden? SPOX-Redakteur Marcus Blumberg gibt einen Überblick.
Die World Series liegt hinter uns und erbrachte einen letztlich verdienten Champion mit den Los Angeles Dodgers. Jene schafften es, vom Start weg eine konstant überragende Leistung abzurufen und trotz einiger Verletzungen während der verkürzten Saison nie wirklich einzubrechen.
Generell allerdings muss davor gewarnt werden, die Leistungen insgesamt in dieser Saison überzubewerten. Das soll keineswegs den Erfolg der Dodgers - oder auch der Tampa Bay Rays - schmälern, doch ist es eben so, dass Baseballspieler an sich auf 162 Spiele plus X getrimmt sind. Eine Saison, die nur 60 Spiele andauert, ist also keineswegs der Normalfall.
Baseball basiert nun mal generell zu einem gewissen Maße auf Glück und Zufall und 162 Spiele haben die Tendenz, diese Faktoren auszugleichen, sodass sich am Ende eben doch die höhere Qualität in der Regel durchsetzt. Doch bei nur 60 Spielen ist dies eben nicht gegeben.
Den kompletten Playoff-Spielplan 2020 samt Modus findet Ihr hier!
2019 erst haben wir gesehen, wie wenig aussagekräftig die ersten 60 Spiele sein können. Der spätere Champion Washington Nationals stand damals auf den hinteren Rängen und fing erst später Feuer, um sich letztlich noch locker für die Playoffs zu qualifizieren.
Die Dodgers und Rays sowie die anderen Teams, die sich für die Playoffs qualifiziert haben, gingen mit der schwierigen Situation in diesem Jahr den Umständen entsprechend am besten um. Das ist löblich und aller Ehren wert, doch sollte man nun - auch im Blick auf die Bewertung von Spielern - nicht allzu große Schlüsse ziehen, da die neue Saison - hoffentlich - wieder unter normaleren Bedingungen stattfinden wird. Und dann sollte auch niemand ernsthaft anstehende Personalentscheidungen nur auf der Basis der erbrachten Leistungen einer verkürzten Saison treffen.
MLB und der Umgang mit Corona
Stichwort verkürzte Saison. Diese wurde nötig durch die Coronavirus-Pandemie. Und die Handhabung jener lässt sich nun nach Abschluss der Saison auch abschließend bewerten. Unterm Strich bewertet die MLB ihre eigene Leistung durchaus positiv, auch wenn Commissioner Rob Manfred nach Spiel 6 der World Series gegenüber FOX durchaus zugab, froh zu sein, dass "wir jetzt durch sind" mit dieser Saison.
Kein Zweifel, es war ein Drahtseilakt. Bereits vor dem ersten Spiel der Saison zwischen den Washington Nationals und New York Yankees wurde Superstar Juan Soto positiv auf Corona getestet, das Spiel fand anschließend aber statt. Anders war es dann bei den weiteren Fällen, die aus Vorsicht dann doch größtenteils verschoben wurden. Größere teaminterne Ausbrüche mit zahlreichen Fällen gab es indes nur bei den Miami Marlins und später St. Louis Cardinals. Bei beiden Teams waren jeweils klare Verstöße gegen die Richtlinien - Besuche von Casinos und Nachtclubs - die Hauptgründe für die Infektionen.
Bis zum Ende der World Series war es der gesamten Liga schließlich gelungen, über 50 Tage am Stück keine Neuinfektionen verzeichnet zu haben. Erst während Spiel 6 kam es zum nächsten positiven Fall, Dodgers-Third-Baseman Justin Turner, der noch während des Spiels isoliert wurde. Anschließend feierte er aber kräftig auf dem Feld und letztlich auch ohne Maske mit, was noch ein Nachspiel haben könnte - und sollte. Aber bis auf diesen Fall muss man konstatieren, dass die MLB die Umstände unterm Strich gut gemeistert hat, inklusive Playoff-Bubble.
MLB: Bleiben die Regeländerungen bestehen?
Bleiben noch die in dieser Saison eingeführten Regeländerungen, die ausdrücklich erstmal nur für 2020 galten. Doch ein paar davon könnten auch beibehalten werden. Ein Überblick:
Automatischer Base Runner in Extra Innings
In den Minor Leagues wurde es bereits früher eingeführt, in der MLB setzte man jedoch aufgrund des begrenzten Zeitrahmens nun auch auf die Regel, dass jedes Extra-Inning mit einem Base Runner auf der zweiten Base, also in "Scoring Position", beginnt. Das Ergebnis war, das kein Spiel länger als 13 Innings ging.
Die Frage ist nun: Sollte das auch so bleiben? Aus meiner Sicht ja, denn MLB-Spiele sind seit jeher zu lang, speziell solche, die in Extras gehen. Mit Läufer auf der zweiten Base hat man direkt die Chance, zu scoren und damit ein Spiel zeitig zu beenden. Gleichermaßen aber bringt es auch taktisch viele Möglichkeiten. Der Old-School-Manager, der so langsam ausstirbt, ist hier vielleicht geneigt, den Läufer per Bunt auf die dritte Base zu schicken, während die Analytiker eher den Ansatz vertreten, dass in dieser Situation drei Batter die Chance hätten, mit einem Hit einen Run zu ermöglichen. Bei Sac Bunt dagegen legt man es eher darauf an, mit zwei Battern den Run zu erzielen, was die Chancen natürlich senkt.
Aber in jedem Fall gibt es mehr Scoring auch in Extras, was den Unterhaltungswert steigert.
gettyUniverseller Designated Hitter
Eine Regel, die unbedingt bleiben sollte, ist die Einführung des Designated Hitters in beiden Ligen und nicht nur in der American League. Sicherlich gibt es ein paar Pitcher, die durchaus mit dem Schläger umgehen können. Doch ein "echter" Hitter bringt mehr Offense und mehr Offense hat noch keinem Sport geschadet. Zudem, und das war der Hauptbeweggrund für die Einführung in dieser abgelaufenen Saison, verringert man so das Risiko von Pitcher-Verletzungen auf den Bases. Gerade Pitcher von AL-Teams sind es nicht gewöhnt, die Bases zu laufen, müssen dies aber mitunter in Interleague-Spielen in NL-Parks bislang jedes Jahr tun. Bleibt es beim universellen DH, ist das kein Thema mehr.
Homeruns, Strikeouts und Designated Hitter: Baseball-Begriffe erklärt!
Für die Spieler ist es zudem ein Vorteil, denn so werden nicht nur Karrieren von älteren Spielern, die vielleicht nicht mehr im Feld spielen sollten, verlängert. Es gibt den Spielern essenziell einen Extra-Positionsspieler in 15 Teams der Liga, die dann auch entsprechend bezahlt werden müssen. Teams müssen dann also insgesamt mehr Geld ausgeben, was immer ein Plus für die Spieler ist.
Kadererweiterung auf 28 Spieler
Die Saison begann mit der Idee, die aktiven Kader auf 30 Spieler zu erweitern, dann nach zwei Wochen auf 28 zu gehen und wiederum zwei Wochen später auf die neu eingeführte Zahl von 26 zu kürzen - zuvor waren es stets 25 Spieler. Letztlich beschloss man jedoch, nach den zunächst 30 Spielern bei 28 zu bleiben.
Eine Maßnahme, die durchaus Sinn ergibt. So haben Manager mehr Möglichkeiten, sowohl taktischer Natur während der Spiele als auch bei der Schonung von Spielern über eine lange Saison. Es gibt mehr Alternativen, speziell auch beim Pitching, wo gerade zu Saisonbeginn die Belastungsteuerung immer ein großes Thema ist. 28 Spieler sind zudem eine gute Zahl, die es wiederum mehr Spielern ermöglicht, Major-League-Luft zu schnuppern und nebenbei auch ihre Servicetime anzusammeln, um ultimativ schneller Free Agents zu werden.
Verkürzte Spiele bei Doubleheadern
Wenn normalerweise zwei Spiele an einem Tag stattfinden, dann sind dies einfach zwei normale Spiele nacheinander. 2020 jedoch gingen Spiele, die Teil eines Doubleheaders waren, jeweils nur sieben Innings, um Zeit zu sparen, da der Terminplan eng wie nie war und es schlicht kaum Alternativtage gab.
Diese Spiele hatten jeweils ein komplett anderes Gefühl. Pitcher wurden früher ausgewechselt, zudem war eine andere Dringlichkeit zu erkennen. Letzteres mag ein Punkt für eine Beibehaltung des Konzepts sein. Aber auf der anderen Seite ist ein Sieben-Inning-Spiel eben etwas anderes als ein Neun-Inning-Spiel und unter normaleren Umständen wäre es sinnvoll, dass alles Spiele wieder gleichlang wären.
Nach der Pandemie wird der Terminplan wieder entspannter ausfallen, es wird deutlich weniger Absagen und Verschiebungen geben, sodass die Häufigkeit von Doubleheadern generell wieder zurückgehen wird, weshalb es dann eigentlich keine Sieben-Inning-Doubleheader mehr bräuchte. Und das wäre letztlich auch besser, zumal solche Doubleheader in dieser Saison naturgemäß ungleich verteilt waren. Um einen ausgeglichenen Wettbewerb zu gewährleisten, wäre es daher wünschenswert, wieder zu Neun-Inning-Spielen in Doubleheadern zurückzukehren.
Erweiterung der Playoffs
Die Playoffs wurden in der abgelaufenen Saison von sonst zehn auf 16 Teams erweitert. Hauptgrund dafür war, dass man dadurch eine Wildcard-Runde mit insgesamt acht Drei-Spiele-Serien einführen und diese extra vermarkten konnte. Das brachte Medienberichten zufolge zusätzliche TV-Einnahmen in Höhe von rund einer Milliarde Dollar.
Es war essenziell ein "Money Grab", um die verminderten Einnahmen aus der verkürzten Saison und des Ausschlusses von Zuschauern in den Ballparks irgendwie abzufedern. Doch nun stellt sich die Frage, ob das neue Format beibehalten wird.
"Jein", ist von Commissioner Manfred zu hören. Noch während der Playoffs erklärte er in der Radioshow "The Dan Patrick Show", dass "16 Teams nicht die richtige Zahl" sei. Ein größeres Playoff-Feld als die bisherigen zehn jedoch gefalle ihm sehr wohl.
Lange vor Covid war die Rede von einem Plan, auf 14 Teams aufzustocken. Die Idee war es, dass der jeweilige Top-Seed ähnlich wie in der NFL ein Freilos für Runde 1 hätte, während die Plätze 2 bis 7, bestehend aus den zwei weiteren Division-Siegern und den besten übrigen Teams der Saison, untereinander eine Wildcard-Runde mit insgesamt sechs Drei-Spiele-Serien austragen würden. Von da an ginge es dann im üblichen Format weiter. Sprich: Maximal fünf Spiele in den League Division Series und eben maximal sieben in League Championship und World Series.
Während nichts dagegen spräche, einfach weiterhin maximal fünf Teams pro Liga in die Playoffs zu lassen - bei 30 Teams in der Liga ist das eine gute Zahl, die wirklich die besten Teams einer Saison belohnt -, ist eine Erweiterung zumindest mal nicht komplett verwerflich. 16 Teams allerdings sind definitiv zu viele, denn das sind mehr als die Hälfte der Liga. Und so kommt es dann zu unschönen Situationen, in denen Teams mit negativer Bilanz an der Postseason teilnehmen, was sich einfach falsch anfühlt. Bei 60 Spielen nimmt man es unter den gegebenen Umständen hin, über 162 aber spräche das wirklich nicht für die Gesamtqualität des Wettbewerbs.
Unterm Strich ist eine Erweiterung der Playoffs aber mehr als nur denkbar, denn sie brächte wie nun schon gesehen eine deutliche Steigerung der TV-Einnahmen. Ein klarer Motivator für alle Beteiligten. Und das Produkt an sich war für den Zuschauer durchaus auch attraktiv mit den zahlreichen Spielen an einem Tag in Runde eins. Davon darf es gerne mehr geben.