SPOX: Vor einem knappen Jahr kannte noch niemand Ihren Namen. Haben Sie bereits realisiert, was in den vergangenen Monaten mit Ihnen passiert ist?
Lillard: Nicht wirklich. Ich kann mich noch haargenau daran erinnern, wie ich jeden Tag morgens früh aufgestanden bin, um rechtzeitig an meiner Uni anzukommen. Ich war ein ganz normaler Student. Doch plötzlich stehe ich im Rampenlicht und bin auf dem besten Weg, zum NBA Rookie oft he Year ausgezeichnet zu werden. Es ist unfassbar, wie schnell das alles ging.
Schlaglichter: Portland kehrt gegen Boston in die Erfolgsspur zurück
SPOX: Wie bewerten Sie Ihre ersten Monate bei den Portland Trail Blazers?Lillard: Ich bin mehr als zufrieden. Als Schulnote würde ich mir sogar eine Eins geben. Zwar ist es als junger Point Guard nie einfach, das Tempo zu kontrollieren und den Ball gut zu verteilen, so dass alle Mitspieler zufrieden sind. Doch ich glaube, das ist mir alles richtig gut gelungen.
SPOX: Sie spielen fast 40 Minuten pro Spiel, das wäre selbst für einen gestandenen Profi kein Pappenstiel: Wie schaffen Sie es als Neuling, ihre Kraft zu konservieren und nicht gegen die berühmte "Rookie Wall" zu laufen?
Lillard: Du musst auf deinen Körper achten. Es gehört mehr dazu, als nur Basketball zu spielen. Es geht darum, was du zu dir nimmst, wie viel Ruhe du dir gönnst - die Dinge, die du für deinen Körper machst. Dazu macht es Sinn, seinen Tag mit festen Abläufen zu organisieren.
SPOX: Mit Ihnen als junger Anführer befinden sich die Trail Blazers mitten im Kampf um die Playoff-Plätze. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Lillard: Grundsätzlich können wir mit dieser Saison sehr zufrieden sein. Wir haben eine unheimlich junge und unerfahrene Mannschaft. Trotzdem sind wir konkurrenzfähig. Gegen die Clippers, die Heat, die Lakers oder die Knicks haben wir allesamt schon gewinnen können. Allerdings kommt es darauf an, ob wir dieses hohe Level in der zweiten Saisonhälfte halten können. Bei jungen Mannschaften ist die Konstanz häufig eine schwierige Sache. Aber auch, falls wir es nicht in die Playoffs schaffen sollten, können wir optimistisch in die Zukunft blicken.
SPOX: Mehr als bei jeder anderen Mannschaft kommt es in Portland auf die Starting Five an. Woher kommt das tolle Verständnis, das Sie Abend für Abend mit ihren Starter-Kollegen demonstrieren?
Lillard: Wir verstehen uns auch abseits des Courts sehr gut. Deshalb spielen wir wesentlich selbstloser und versuchen uns gegenseitig zu unterstützen. Wenn es dann bei einem richtig gut läuft, freuen sich alle. Ich denke, das ist der Hauptgrund.
SPOX: Zuletzt allerdings hatten die Trail Blazers einige Probleme, es gab sieben Niederlagen in Serie, ehe gegen Boston wieder ein Sieg gelang. Gehen die Planungen jetzt doch eher Richtung kommender Saison?
Lillard: Ich glaube, wir haben immer noch eine Chance auf die Playoffs. Wir hatten während des letzten Road Trips einige Probleme, aber sollten wir in den kommenden Heimspielen einige Siege landen, können wir vielleicht alles noch einmal zum Guten wenden.
SPOX: Zurück zu Ihrer Person. Sie besuchten die Weber State University in Utah - ein unbekanntes College mit keiner großen Basketball-Tradition. Warum sind Sie dort gelandet?
Hintergrund: Portland Trail Blazers gefangen zwischen Gegenwart und Zukunft
Lillard: Als ich die High School besuchte, wurde mir von jedem gesagt, dass ich zu schlecht für ein großes, bekanntes College-Team sei. Deshalb bin ich an die Weber State University gegangen. Ich war dankbar, dass ich dort überhaupt die Chance bekam, Basketball zu spielen. Ich bin schon immer unterschätzt worden. Doch das hat meinen Willen nur verstärkt, es irgendwann in die NBA zu schaffen. Auch als ich im NBA-Draft an Nummer sechs gezogen wurde, sagten viele, dass ich ein vergeudeter Pick sei. Mittlerweile höre ich von all diesen Kritikern kein einziges Wort mehr.
SPOX: Viele Superstars, die heute in der NBA spielen, waren bereits als Teenager im ganzen Land bekannt. Beispielsweise wurden die meisten Highschool-Spiele von LeBron James extra live im Fernsehen übertragen...
Lillard: Viele andere NBA-Spieler hatten es leichter als ich. Im Gegensatz zu denen bekam ich als Teenager keine Trainingsklamotten geschenkt. Auch meine Schuhe musste ich mir alle selbst kaufen. Ich kannte das ja auch nicht anders. Aber wenn ich heute sehe, wie manche Teenager gehypt werden, ist das fast ein bisschen unfair. Andererseits: Ich bin durch eine harte Schule gegangen und habe mir alles selbst erarbeitet. Deshalb kann ich meine jetzigen Erfolge auch viel mehr wertschätzen.
SPOX: Würden Sie es anderen jungen Spielern auch empfehlen, ein unbekannteres College zu besuchen?
Lillard: Das kann man nicht pauschalisieren. Mir persönlich hat es sehr gut getan, mich ohne Medienrummel auf meine Profikarriere vorbereiten zu können. Andere brauchen das aber vielleicht, um die letzten Prozente aus sich herauszukitzeln. Von daher ist das von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Klar ist allerdings: Auch wenn man es nicht zu einem Top-College schafft, darf man nicht verzweifeln. Wenn man ein guter Spieler ist, hat man immer die Möglichkeit, später in die NBA zu kommen.
SPOX: Während Ihrer Zeit am College brachen Sie sich im Dezember 2010 den Fuß. Wären Sie heute noch stärker, wenn dies nicht passiert wäre?
Lillard: Im Gegenteil. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber dieser Fußbruch hat mich auf das nächste Level gebracht.
SPOX: Wie bitte?
Lillard: Durch diese Verletzung konnte ich intensiv mein Spiel analysieren. Mein damaliger Trainer gab mir die DVDs all meiner College-Spiele. Ich habe mich in meinem Zimmer eingegraben, um mir alles reinzuziehen. Ebenso gab er mir DVDs von den besten Point Guards der NBA: Chris Paul, Tony Parker, Deron Williams, Derrick Rose oder Russell Westbrook. Ich habe mir genau angeschaut, wie sich diese Jungs im Pick'n'Roll oder im Transition-Game verhalten. Parallel habe ich mich natürlich selbst an die Arbeit gemacht...
SPOX: Selbst an die Arbeit? Mit einem gebrochenen Fuß?
Lillard: Na klar. Ich habe Wege gesucht und gefunden, um aktiv trainieren zu können, während ich in meinem Zimmer auf einem Stuhl saß. Zum Beispiel habe ich mir einen Korb aufgebaut und mehrere hundert Würfe pro Tag versenkt. Oder ich habe mit einem Ball um meinen Stuhl herum gedribbelt, um mein Ballhandling zu verbessern.
SPOX: Das hat sich offensichtlich ausgezahlt: Sie durften beim All-Star Weekend in Houston teilnehmen und gewannen dort die Skills Challenge.
Lillard: In Houston dabei zu sein, war ein großartiges Erlebnis. Besonders habe ich mich gefreut, Shaquille O'Neal und Charles Barkley kennenzulernen. Seit vielen Jahren bin ich ein großer Fan von diesen beiden. Ihre gemeinsamen Moderationen im amerikanischen Sportfernsehen finde ich legendär. Dass Shaq und Chuck plötzlich von mir schwärmen, ist eine unfassbare Sache.
SPOX: Sie haben außerdem ihre Rookie-Kollegen näher kennengelernt. Welcher von ihnen besitzt das Potenzial, früher oder später ein All-Star zu werden?
Lillard: Mehrere Rookies können das schaffen: Bradley Beal, Anthony Davis, Andre Drummond oder auch Dion Waiters. Entscheidend ist jedoch, weiterhin hart an sich zu arbeiten. Wer sich ausruht, wird es niemals schaffen.