In der Theorie haben die Boston Celtics im Sommer vieles richtig gemacht. Nachdem der spätere Meister Miami im Finale der Eastern Conference bis ins siebte Spiel gezwungen worden war, verlor der Rekordmeister Ray Allen zwar ausgerechnet an die Heat, ansonsten schien das Roster für die neue Saison aber einige vielversprechende Optionen bereitzuhalten.
Mit Jason Terry, Rookie Jared Sullinger, dem wiedergenesenen Jeff Green sowie Courtney Lee, so die Annahme, wäre Boston nun tief genug besetzt, um schließlich auch noch tiefer in die Post Season vorzudringen. Heißt: Das Saisonziel Championship bedeutete in Massachusetts keinen Tabubruch.
Inzwischen, knapp ein halbes Jahr später, stehen die Celtics nach der zweiten Niederlage im zweiten Erstrundenspiel gegen die New York Knicks bereits vor dem frühen Aus. Mickrige 23 Punkte gelangen Boston am Dienstag in Halbzeit zwei - kein Celtics-Team erzielte jemals weniger. Inzwischen spricht rund um den TD Garden niemand mehr von Championship Banner Nummer 18.
Ohne Rondo keine Variabilität
Im Grunde waren derartige Träumereien bereits mit Rajon Rondos Kreuzbandriss im Februar beendet. Zwar gewann Boston 14 seiner ersten 18 Spiele ohne seinen Leader, inzwischen, speziell in den Playoffs, wird die Bedeutung des Point Guards für sein Team allerdings immer deutlicher.
Ohne Rondo mangelt es der Celtics-Offense, so paradox es angesichts dessen Dominanz im Angriff auch klingen mag, an Variabilität. Abgesehen von Jeff Green ist kein Kelte in der Lage, dauerhaft in die Zone zu ziehen. Wo Rondo durch Penetration zum Korb normalerweise Räume für seine Mitspieler schafft - und diese auch findet - herrscht rund um den Perimeter derzeit Statik vor.
Entsprechend kann sich die gegnerische Defense ganz auf das Verteidigen von Jumpshots konzentrieren. So erfordert jeder Wurf intensive Vorarbeit, weshalb man sich häufig auf unsichere Würfe aus der Mitteldistanz beschränkt. Bostons Offense ist ausrechenbar geworden, so ausrechenbar, dass den Celtics in den beiden Erstrundenpartien gegen die Knicks in Halbzeit zwei insgesamt nur 48 Punkte gelangen.
Probleme auf den großen Positionen
Dazu klafft in Bostons Zone ein gewaltiges Loch. Speziell, wenn Kevin Garnett, wie in Spiel zwei in New York, früh in Foul-Probleme gerät. Beim Rebound Rating belegen die Celtics ligaweit den letzten Platz (47,5). Das Problem: Muss Garnett auf die Bank oder fehlt er verletzt, bietet das Roster nicht einen adäquaten Ersatz.
"Wir sind wer wir sind", weiß auch Coach Doc Rivers. "Wir können uns dafür nicht entschuldigen. Diese Spieler sind uns geblieben und ich denke, das ist gut genug, um zu gewinnen." Dabei hätte durchaus die eine oder andere Möglichkeit bestanden, einige Planstellen zumindest provisorisch zu schließen.
Kenyon Martin beispielsweise, wäre vor wenigen Wochen noch verfügbar gewesen, hatte sogar durchaus Interesse an einem Engagement in Boston. Die Celtics entschieden sich jedoch gegen den ehemaligen Nummer-eins-Pick. Nun schloss sich Martin ausgerechnet den Knicks an, schnappte sich in Spiel zwei 11 Rebounds und verwehrte den Kelten vier Mal erfolgreich den Weg Richtung Korb.
Natürlich ist die Serie noch nicht entschieden, doch angesichts der Schwächen der Celtics und des deutlichen Rückstandes deutet einiges darauf hin, dass die Offseason in Boston diesmal deutlich früher als erhofft beginnen wird.
Kaum Spielraum für Verbesserungen
Und auch dort steckt der Rekordmeister in einem Dilemma. Das Problem rund um Rajon Rondo wird sich spätestens im Laufe des ersten Drittels der nächsten Saison lösen, wenn der Point Guard zurückkehrt. In Sachen Big Men sind den Celtics rein finanziell allerdings die Hände gebunden. Knapp 57 Millionen Euro entfallen in der kommenden Spielzeit auf Spielergehälter. Spielraum für die Verpflichtung eines großen Free Agents bleibt so kaum.
Auch große Trades sind im Grunde nicht zu erwarten. Mit Rondo, Avery Bradley, Jeff Green und Jared Sullinger hat Basketball-Präsident Danny Ainge schließlich ein durchaus stabiles Gebilde zusammengestellt, das es nun auszubauen gilt. Dass einer dieser vier Beantown verlassen wird, ist unwahrscheinlich.
Noch unwahrscheinlicher ist lediglich ein Tausch, der in irgendeiner Form Paul Pierce oder Kevin Garnett zum Objekt machen könnte. Beide haben immer wieder betont, ihre langen Karrieren in Grün beenden zu wollen. Zu groß ist der sprichwörtliche "Celtic Pride", zu ausgeprägt die Loyalität. Auch das Management denkt ob der Verdienste der beiden, wenn überhaupt, dann nur sehr widerwillig über einen möglichen Trade nach.
Zumal sowohl Pierce als auch Garnett in dieser Spielzeit, trotz fallender Statistiken mal wieder zu absoluten Leistungsträgern in Boston zählen. Die Gehälter der beiden nehmen allerdings einen nicht unwesentlichen Teil auf Bostons Payroll ein.
Wie entscheidet sich Garnett?
Nicht zuletzt deshalb gibt es verschiedene Szenarien. So liegt ein Rücktritt Garnetts im Sommer durchaus im Bereich des Möglichen - speziell, wenn er sich weiter mit kleineren Verletzungen herumschlagen muss.
In diesem Fall könnten oder müssten die Celtics die Amnesty-Klausel auf Garnetts noch zwei Jahre gültigen Vertrag anwenden. Paul Pierce könnte für 3,8 Millionen Dollar aus seinem letzten Vertragsjahr herausgekauft werden.
So erhielten die Celtics 3,8 Millionen Euro Cap Space, die wiederum in einen Big Man investiert werden könnten. Bleibt die Frage, ob ein solches Szenario Boston in irgendeiner Form weiterzuhelfen vermag.
Schließlich hätten die Celtics ihr Roster dann zwar verjüngt, mit Garnett gleichzeitig aber einen der auch mit 36 Jahren noch besten Big Men der Liga und mit Pierce den besten Closer des Teams verloren. Dazu gilt Pierce' Verbleib bis zu seinem Karriereende als nahezu sicher. Die Celtics stecken in einem Dilemma, das im vergangenen Sommer so noch niemand vorausahnen konnte.