Was waren die New York Knicks verhöhnt worden. Mit (von Anfang an unrealistischen) Titelambitionen war man in die Saison gestartet, nur um sich nach kurzer Zeit am Ende der Tabelle wiederzufinden. 3-13, das war gleichbedeutend mit der zweitschlechtesten Bilanz der gesamten NBA für ein Team, das derzeit den teuersten Frontcourt der Ligahistorie beschäftigt.
Carmelo Anthony hatte sich bereits in mehreren Interviews beklagt und anerkannt, dass die Knicks mit ihrem verkorksten Saisonstart zur "Lachnummer der Liga" geworden waren. Coach Mike Woodson bestätigte die Einschätzung seines gestrigen Gegenübers Jason Kidd, dass beide New Yorker Teams derzeit "stinken".
Steve Kerr, "TNT"-Experte und normalerweise nicht für beißenden Sarkasmus bekannt, verdeutlichte mit einem Tweet, wie das vor der Saison so hoch gehandelte New Yorker Derby mittlerweile im Ansehen gesunken ist: "Morgen bin ich in NYC, um Nets vs. Knicks zu analysieren. Äh, juhu..." Dann sorgte vor dem Spiel auch noch eine Meldung über Anthonys Zukunft für Aufregung.
Stephen A. Smith, seines Zeichens NBA-Insider in Diensten von "ESPN", verkündete folgendes: "Carmelo Anthony ist weg. Nie im Leben wird er in New York bleiben. Ich habe gehört, dass die Entscheidung gefallen ist." Melo dementierte dies zwar, trotzdem machte es die Situation vor dem New Yorker Derby nicht unbedingt leichter.
Bargnani: "Ein großartiges Spiel"
"Wir haben verstanden, dass es ein extrem wichtiges Spiel für uns war", bestätigte Amar'e Stoudemire nach dem Blowout in Brooklyn, "es war zu diesem Zeitpunkt ein Must-Win für uns." Es war tatsächlich zu erkennen, dass die Knicks ihrem peinlichen Negativtrend von neun Niederlagen in Folge endlich ein Ende setzen wollten - mehr als ihr Gegner.
"Jeder war voll dabei", sagte Woodson, "jeder, der gespielt hat, hat auf dem Feld genau das gebracht, was ich von ihm haben wollte." Auch Melo stimmte in den Tenor seines Trainers ein und bemerkte, dass die guten Leistungen der anderen es ihm "erlaubt haben, sie zum Sieg zu führen."
Es war in der Tat das wohl beste Spiel der jungen Saison und zum ersten Mal ging wieder das Erfolgsrezept des letzten Jahres auf, als der Ball munter verteilt und nicht jeder Wurf erzwungen wurde. Sechs Spieler mit zweistelliger Punkteausbeute, keiner mit mehr als 13 Würfen - das spricht für eine Balance, von der zuvor seit langem nichts mehr zu sehen war.
Die Stimmung war dementsprechend gut, Andrea Bargnani freute sich über "ein großartiges Spiel" - man muss allerdings kein Juwelier sein, um zu erkennen, dass längst nicht alles Gold ist, was glänzt. Der Sieg, so überzeugend er auch war, wurde gegen ein völlig desolates Nets-Team eingefahren, das in diesem Spiel nur um den Titel "Lachnummer der Liga" und nicht um den Sieg kämpfte.
Nur ein kleiner Schritt
Die Probleme der Knicks sind dadurch aber freilich noch nicht gelöst. New York ist immer noch abhängig vom Jumper, immer noch schlecht bei den Rebounds und in der Defense, wo Tyson Chandler an allen Ecken und Enden fehlt. Es ist immer noch nicht klar, was mit Iman Shumpert, um den es immer wieder Trade-Gerüchte gibt, in der Zukunft passiert oder wo Anthonys Reise nach der Saison hingeht.
Nicht zuletzt weiß man nicht, welches Standing Woodson in der Organisation noch hat - schließlich wurden schon diverse potenzielle Nachfolger für seinen Posten gehandelt, unter anderem Jeff Van Gundy, George Karl oder Allan Houston. Besitzer James Dolan ist nicht eben für seine Geduld bekannt, wenn es um Personalentscheidungen geht. Immerhin dürfte sich Woodson nun wieder etwas Kredit erspielt haben.
Das alles werden die Knicks nun aber erstmal zur Seite schieben, zumal man die Probleme ohnehin nicht von hier auf gleich lösen kann. Das nächste Spiel liegt bereits in der heutigen Nacht an, der Schedule hält für die Knicks zwei vermeintlich leichte Heimspiele gegen die Orlando Magic und die Boston Celtics (So. ab 18 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) parat.
Auf der anderen Seite: Welche Heimspiele sind schon leicht, wenn man zu Hause nur das erste Saisonspiel gewinnen konnte, seitdem sieben Niederlagen in Folge kassiert und mit schöner Regelmäßigkeit von den eigenen Fans vom Court gebuht wird?
Trendwende oder Ausreißer?
Allerdings: Bis zum 21. Dezember geht es ausschließlich gegen Teams aus der schwachen Eastern Conference. Bis dahin wird sich zeigen, ob der gestrige Blowout ein Ausreißer nach oben war, oder ob die Knicks jetzt doch die Kurve kriegen. Immerhin soll Chandler in der nächsten Zeit wieder zum Team stoßen.
Dass sie den Titel der Lachnummer aber schon morgen "zurückerobern" könnten, weiß auch Melo: "Immer, wenn du am verlieren bist, lachen dich Leute aus. Wenn du gut spielst, klopfen sie dir auf die Schulter. So ist die Gesellschaft eben. So ist das Leben."
Der Sieg in Brooklyn war für den Moment ein Schritt in die richtige Richtung von einem Team, das zuvor wochenlang in die falsche marschiert war. Nicht mehr und nicht weniger.