"Das hat man nicht unter Kontrolle"

Dirk Sing
08. Februar 201422:09
Chris Kaman (l.) kommt bei den Los Angeles Lakers derzeit nur sporadisch zum Einsatzgetty
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Chris Kamans Saison bei den Los Angeles Lakers verläuft bislang enttäuschend. Der Center erhält kaum Einsatzzeit, was auch am Sonntag beim Spiel gegen die Chicago Bulls der Fall sein dürfte (So., ab 21.30 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE). Im Interview mit SPOX spricht er über seine Enttäuschung, "Oldschool-Basketball", die Verletztenmisere in der NBA und eine mögliche DBB-Rückkehr.

SPOX

SPOX: Herr Kaman, wie würden Sie den bisherigen Saisonverlauf der Los Angeles Lakers beschreiben?

Chris Kaman: Wir haben sicherlich eine sehr schwere Saison hinter und auch noch vor uns. Die vielen Verletzungen beziehungsweise Ausfälle waren natürlich nicht hilfreich. Wir können momentan nichts anderes tun, als einerseits darauf zu hoffen, dass unsere Verletzten möglichst schnell wieder zurückkehren, damit wir personell mehr Möglichkeiten haben und andererseits in jedem Match weiter hart zu kämpfen. Insgesamt gesehen ist unser Roster sicherlich stärker, als es unser bisheriger Season-Record und die Platzierung aussagen.

SPOX: Und wie fällt Ihr persönliches Fazit aus?

Kaman: Naja, ich habe bislang eigentlich nicht die Chancen bekommen, die mich mir gewünscht hätte, um zu zeigen, was ich kann beziehungsweise, dass ich durchaus in der Lage wäre, dem Team zu helfen. Aber leider ist das in unserem Job manchmal der Fall. Mir bleibt daher nichts anderes übrig, als mich für die Momente bereit zu halten, wenn der Trainer meine Nummer ruft und mich auf den Court schickt.

SPOX: Vor dem Gastspiel bei den Miami Heat sind Sie bislang in lediglich 23 Partien mit durchschnittlich 16,7 Minuten zum Einsatz gekommen. Man kann also sicherlich sagen, dass Sie sich, als Sie in der letztjährigen Off-Season bei den Lakers ihren Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben haben, definitiv mehr ausgerechnet haben...

Kaman: Ja, auf alle Fälle. Ich war damals schon der Meinung, dass meine Spielweise zu der der Los Angeles Lakers passt und daher auch ein Platz für mich in der Mannschaft wäre. Aber am Ende sind das dann doch Dinge, die man selbst als Spieler nicht unter Kontrolle hat. Die Entscheidung darüber, ob du zum Einsatz kommst oder nicht, trifft ausschließlich der Trainer. Und wenn er sich eben entscheidet, mit anderen Line-ups beziehungsweise kleineren und schnelleren Leuten zu spielen, dann musst du das hinnehmen. Egal, ob dir das passt oder nicht.

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SPOX: Würden Sie - Stand heute - so weit gehen und sagen, dass Ihr Wechsel zu den Lakers ein Fehler war?

Kaman: Nein, das würde ich so nicht behaupten. Jeder Vereinswechsel, den du vornimmst, bringt dich immer in eine andere Position. Oftmals zahlt sich ein solcher Schritt aus - hin und wieder, wie es in dieser Spielzeit für mich der Fall ist, eben leider nicht. Aber auch wenn es bislang ein schwieriges und hartes Jahr ist, würde ich jetzt im Nachhinein niemals sagen, dass ich mich anders hätte entscheiden sollen.

SPOX: Ihr Vertrag bei den Lakers läuft bekanntlich am Saisonende aus! Haben Sie sich innerlich schon entschieden, dieses Kapitel danach zu beenden?

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Kaman: Auch das nicht. Man weiß nie, was die Zukunft bringt. Es wird sich zeigen, welche Pläne die Organisation hat und welche Entscheidungen sie trifft. Bis dahin werde ich mein Bestes geben und auch weiterhin versuchen, mich dem Trainer anzubieten. Mehr kann ich augenblicklich nicht machen.

SPOX: Haben Sie mit Ihrem Cheftrainer Mike D'Antoni schon einmal das Gespräch über Ihre unbefriedigende Situation gesucht?

Kaman: Nein, bislang noch nicht. Ich bin aber auch nicht der Typ, der wegen solchen Sachen zum Coach geht, um mit ihm darüber zu sprechen. Er wird seine Gründe dafür haben. Und wenn er eben der Meinung ist, dass es für das Team so besser und erfolgreicher sei, dann muss ich das schlichtweg akzeptieren.

SPOX: Die Spielweise und Systeme, die Mike D'Antoni sowohl seinen ehemaligen Teams als auch jetzt den Lakers vorgibt, gelten - gelinde ausgedrückt - nicht gerade als "Center-freundlich". In wieweit spielt dies bezüglich Ihrer persönlichen Situation auch eine Rolle?

Kaman: Das ist mit Sicherheit auch ein entscheidender Grund. Wir haben momentan mit Pau Gasol eigentlich nur einen Spieler, der immer wieder auf die Center-Position rückt, dort auch das Post-up sehr gut beherrscht und einsetzt. Ansonsten verfügt unser Kader aber hauptsächlich über schnelle und laufstarke Akteure, die vor allem über ihren Schuss kommen. Von dem her ist die Position des Centers in unserem System nicht gerade eine einfache Aufgabe.

SPOX: Stichwort Center: Kobe Bryant hat erst kürzlich in einem Interview erklärt, dass er den sogenannten "Old-School Basketball" in der NBA, bei dem die "Big Men" noch eine richtig dominante Rolle in ihren Teams eingenommen haben, vermisse. Der "Small Ball", der mittlerweile immer häufiger praktiziert wird, würde ihn dagegen langweilen. Stimmen Sie dieser Aussage Ihres Mannschaftskollegen zu?

Kaman: Ja, absolut! Ich persönlich bin mit dem "Old School Basketball" groß geworden und habe damit auch die meiste Zeit in der NBA verbracht. Ehrlich gesagt ist es für mich nicht gerade einfach, mich auf diese neuen Gegebenheiten, die seit den letzten Jahren vornehmlich von den Mannschaften praktiziert werden, ein- beziehungsweise umzustellen. Das ganze Spiel ist dadurch wesentlich schneller geworden, was es natürlich für einen großen Mann nicht gerade einfacher macht.

SPOX: Sind Sie der Meinung, dass der "Small Ball" auch künftig, sprich in den nächsten Jahren, in der NBA die dominierende Spielweise ist oder wird es möglicherweise wieder eine vermehrte Rückkehr zum "Old School Basketball" geben?

Kaman: Ich persönlich bin davon überzeugt, dass sich der "Small Ball" zwar vielleicht noch ein paar Jahre in der Liga halten wird, doch die Teams früher oder später wieder auf den "Old School Basketball" zurückgehen werden. Der entscheidende Grund dafür ist die mittlerweile hohe Anzahl an verletzten Spielern. Sie müssen doch nur aktuell in die Liga schauen, wieviele Top-Akteure derzeit längerfristig außer Gefecht sind. Bei insgesamt 82 Regular-Season-Games ist die physische Belastung bei dieser sehr intensiven und auf Schnelligkeit und Athletik ausgelegten Spielweise schlichtweg immens. Die logische Konsequenz ist, dass die Zahl der schweren Verletzungen leider immer weiter ansteigt.

Seite 1: Chris Kaman über seine Enttäuschung und den "Small Ball"

Seite 2: Chris Kaman über die Verletztenmisere und eine DBB-Rückkehr

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SPOX: Lassen Sie uns genau bei diesem Thema bleiben! Sie selbst hatten in Ihrer bisherigen Karriere häufig mit Verletzungspech zu kämpfen. Wie würden Sie Ihren momentanen Gesundheitszustand beschreiben?

Kaman: Meinem Körper geht es soweit sehr gut - eben bis auf die Tatsache, dass ich leider nicht der körperlichen und spielerischen Verfassung bin, in der ich jetzt wäre, würde ich regelmäßig zum Einsatz kommen und Spielzeit erhalten. Dennoch versuche ich, weiter das Beste für mich und meinen Körper zu machen, um möglichst gut vorbereitet zu sein, wenn ich meine Chance auf dem Court bekomme.

SPOX: Würden Sie sagen, dass Ihre zahlreichen Verletzungen in der Vergangenheit schlichtweg Pech waren oder hatte dies Ihrer Meinung nach auch andere Gründe?

Kaman: Ich denke, alle Verletzungen ausschließlich mit dem Wort Pech zu definieren, würde nicht der Wahrheit entsprechen. Natürlich kann man bei einigen Blessuren behaupten, dass ich wohl zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war (lacht). Bei anderen hingegen habe ich sicher auch selbst Fehler gemacht. Gerade als junger Spieler weißt du noch nicht so recht, wie du deinen Körper pflegen und behandeln musst beziehungsweise wie du bestimmte Signale, die der Körper aussendet, deutest. Was das betrifft, habe ich während meiner bisherigen Karriere wirklich sehr viel gelernt.

SPOX: Sie haben das deutlich höhere Tempo, das seit einigen Jahren in der NBA gespielt wird, bereits angesprochen. Zahlreiche Experten kritisieren hinsichtlich der zunehmenden Verletzungen im gleichen Atemzug den engen und dichten Spielplan mit 82 Vorrunden-Partien, darunter zahlreiche Back-to-Back-Games. Müsste man hier auch den Hebel ansetzen?

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Kaman: Naja, es kommt nicht selten vor, dass Mannschaften sogar fünf Partien innerhalb von sieben Tagen haben. Natürlich stoßen die Spieler in solchen Situationen an ihre physischen Grenzen oder gehen darüber hinaus, was dann eben Verletzungen zur Folge hat. Aber was kann man daran ändern? Den Spielplan in die Länge zu ziehen, damit die Pausen größer werden, lässt sich wohl nicht verwirklichen, da die Saison ansonsten noch länger wird und auch mit anderen Sportarten in den USA kollidiert.

SPOX: Also bleibt den Spielern letztlich nichts anderes übrig, als sich diesen Gegebenheiten anzupassen und zu versuchen, sich bestmöglich darauf vorzubereiten?

Kaman: Grundsätzlich ja. Man sollte dabei das Ganze immer von zwei Seiten betrachten. Im Grunde geht es darum, dass die NBA ein sehr gutes Unterhaltungsgeschäft ist. Und wir Spieler werden sehr gut dafür bezahlt, um die Fans eben bestmöglich zu unterhalten. Andererseits kann es aber auch nicht im Sinne der Klubbesitzer, die ja letztlich die Gehälter bezahlen, sein, dass immer mehr und mehr Akteure verletzt sind und sie damit praktisch ihr Geld für Spieler, die zumeist in der Reha sind, ausgeben. Ich komme daher in diesem Zusammenhang nochmals auf den "Old School Basketball" zurück. Natürlich hat es früher auch Sprunggelenks- oder Knieverletzungen gegeben, keine Frage. Aber durch die deutlich höhere körperliche Belastung aufgrund der neuen Spielweise ist die Verletzungsgefahr ohne Zweifel nach oben gegangen. Ich hoffe daher, dass bei den Vereinen kurz- oder mittelfristig hier ein gewisses Umdenken stattfindet.

SPOX: Apropos Mittelfristig: Im Jahr 2016 stehen die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro auf dem Programm. Nachdem Sie 2008 in Peking ja schon einmal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei einer solchen Großveranstaltung getragen haben: Würde Sie ein derartiges Turnier nochmals reizen?

Kaman: Wir werden sehen, was bis dahin passiert! Letztendlich hängt alles davon ab, wie es bei mir rein sportlich gesehen weitergeht. Entscheidend für mich ist, dass ich bei einen Team unter Vertrag stehe, bei dem ich mein Geld verdiene. Wenn ich für Deutschland spiele, dann bekomme ich dafür ja nichts und mache es praktisch zum Spaß. Daher ist es zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwer, eine genaue Aussage zu treffen. Aber klar, grundsätzlich vorstellen kann ich mir ein erneutes Engagement natürlich schon.

SPOX: Mit Jerryd Bayless von den Boston Celtics, dessen Mutter in Deutschland geboren ist, hat ja bereits ein weiterer NBA-Akteur verlauten lassen, dass er es sich durchaus vorstellen könnte, künftig für die DBB-Auswahl zu spielen...

Kaman: Ja, das habe ich auch schon gehört. Er ist ein guter Junge, der die Mannschaft definitiv verstärken könnte. Darüber hinaus gibt es ja auch mit Dennis Schröder seit dieser Saison einen weiteren Deutschen in der NBA, der meines Erachtens durchaus das Potenzial besitzt, ein richtig Guter zu werden.

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