"Dirk ist ein Idol für mich"

Thorsten Schmidt
21. März 201416:18
Jose Calderon (r.) und die Dallas Mavericks kämpfen weiterhin um die Playoffsgetty
Werbung

Der Spanier Jose Calderon ist bei den Dallas Mavericks der Aufbauspieler und tritt an der Seite von Dirk Nowitzki am Montag gegen die Brooklyn Nets an (0.30 im LIVE-STREAM FOR FREE). Der 32-Jährige spricht im Interview mit SPOX über Meisterschaftsträume, fehlendes Benzin und einen ganz besonderen Rekord von der Freiwurflinie. Dazu blickt Calderon auf die Heim-WM voraus.

SPOX

SPOX: Herr Calderon, ein Spanier an der Seite eines Deutschen in der NBA. Da fragt man sich: Kann das auf Dauer gut gehen?

Jose Calderon: (lacht) Sehr gut sogar. Dirk und ich verstehen uns super. Im Vergleich zu all den Amerikanern gibt es nämlich etwas, was uns besonders zusammenhält.

SPOX: Was?

Calderon: Fußball! Während sich die Teamkollegen über Football oder Baseball unterhalten, quatschen wir über Fußball. Das haben wir Europäer einfach viel mehr im Blut.

SPOX: Haben Sie einen Lieblingsklub?

Calderon: Na klar: Real Madrid. Zuletzt gab es sogar ein deutsch-spanisches Duell. Im Achtelfinale der Champions League traf Real ja auf den FC Schalke 04. Da gab es natürlich wieder ein paar Sticheleien zwischen Dirk und mir.

SPOX: Und wie es ist, gemeinsam mit Nowitzki auf dem Spielfeld zu stehen?

Calderon: Wenn du Dirk an deiner Seite hast, profitierst du als Mitspieler enorm davon. Durch seine Größe und seinen gefährlichen Dreier ist er für gegnerische Mannschaften enorm schwer zu verteidigen. Er zieht häufig die großen Jungs des Gegners aus der Zone heraus. Für uns Teamkollegen bedeutet das viel mehr Freiraum. Oft setzen die Gegner auch gleich zwei Bewacher auf ihn an. Dadurch bekommt man selbst in der Offensive deutlich mehr Optionen. Es ist viel besser, wenn Dirk mit dir spielt als gegen dich.

SPOX: Wie profitiert Nowitzki von Ihnen?

Calderon: Ich bin ein uneigennütziger Aufbauspieler. Ich liebe es, andere Leute in Szene zu setzen. Ein Assist bedeutet mir mehr, als selbst zu scoren. Davon kann Dirk profitieren.

SPOX: Trotz Ihrer guten Abstimmung und den mitunter starken Leistungen der Mavs insgesamt bleibt die Tabellensituation knifflig...

Calderon: Das stimmt. Die Western Conference ist hart, richtig hart sogar. Es gibt wahnsinnig viele Mannschaften, die sich um die Playoffs streiten. Ganz besonders eng ist es bei den Rängen sieben und acht - vier oder fünf Mannschaften kämpfen darum!

Schaue alle Spiele der Mavericks im spannenden Kampf um die Playoffs

SPOX: Können Sie trotzdem mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden sein?

Calderon: Wir wussten von Beginn an, dass es eine Weile dauert, bis alle Neuzugänge das System hier verinnerlichen. Vor der Saison kamen ja neun neue Leute, das ist eine ganze Menge Holz. Es gibt zwar noch viele Dinge, die wir verbessern können. Aber wir sind auf einem guten Weg. Wir spielen guten Basketball.

SPOX: Und trotzdem verlieren Sie zu viele Spiele...

Calderon: Ja, leider. Unser Hauptproblem ist: Obwohl wir häufig in Führung lagen, haben wir einige ärgerliche Spiele in der Schlussphase noch verloren.

SPOX: Warum ist dies so?

SPOXspox

Calderon: Am Ende vieler Spiele fehlt uns das Benzin. Da sind wir häufig körperlich platt. Man muss ja bedenken, dass wir nicht mehr die jüngste Mannschaft haben. Viele von uns sind schon mehr als 30 Jahre alt - nicht nur Dirk, sondern auch Vince Carter, Shawn Marion, Samuel Dalembert oder auch ich selbst. Ich wäre sehr froh, Kniegelenke wie vor zehn Jahren zu haben. Aber das ist vorbei. Trotzdem müssen wir versuchen, die Spiele besser zu beenden und die Führungen nach Hause zu bringen. Vor allem, je näher die Playoffs rücken. Sonst wird es schwierig.

SPOX: Was bedeutet das für die nächsten Wochen, wenn es vorrangig gegen West-Gegner geht?

Calderon: Wir brauchen dringend einen Run. Jeder einzelne Sieg zählt jetzt doppelt.

SPOX: Immerhin können Sie in Ruhe arbeiten. Während alle über die Heat, die Thunder oder die Clippers diskutieren, ist das Interesse an den Mavericks eher gering. Stört Sie das?

Calderon: Das ist mir eigentlich egal. Aber klar ist: Wir sind eine bessere Mannschaft, als es viele von uns momentan denken. Wir werden unterschätzt. Wie schon gesagt: Wir spielen guten Basketball, müssen aber mit unseren Führungen besser umgehen. Wenn uns das in den vergangenen Wochen besser gelungen wäre, hätten wir jetzt schon fast die Playoffs sicher. Aber sobald man dann in den Playoffs steht, ändert sich alles. In einer Sieben-Spiele-Serie ist alles möglich.

SPOX: Das heißt, Sie machen es wie 2011? Die Mavericks gehen als Außenseiter in die Playoffs und werden dann wieder Meister?

Calderon: Das wäre vielleicht ein bisschen weit gedacht. (lacht) Aber es gibt schon gewisse Parallelen zu 2011.

SPOX: Die wären?

Calderon: Die Mannschaft ist nicht mehr die jüngste, dafür ist sie aber enorm hungrig. Dazu gehöre auch ich. Obwohl ich schon seit 2005 in der NBA spiele, bin ich erst zweimal in den Playoffs gewesen - und dann auch immer gleich rausgeflogen. Ich möchte meine Bilanz unbedingt verbessern.

Seite 1: Die Meisterschaftsträume und fehlendes Benzin

Seite 2: Ganz besondere Rekorde und die Heim-WM

SPOX

SPOX: Von 2005 bis 2013 spielten Sie für die Toronto Raptors, dann eine halbe Saison für die Detroit Pistons. Wie haben Sie den Playoff-Run der Mavericks 2011 miterlebt?

Calderon: Ich war genauso überrascht wie all die anderen. Das war nicht abzusehen. Aber es hat mich für Dirk ganz besonders gefreut. Ich würde fast sagen, er ist eine Art Idol für mich. Als ich 2005 in die NBA kam, war er bereits ein Star. Obwohl er aus dem kleinen Europa kommt. Natürlich orientiert man sich dann als NBA-Neuling an europäischen Spielern, die bereits den Durchbruch geschafft haben.

SPOX: Ihr langjähriger Klub aus Toronto spielt eine außergewöhnlich gute Saison - ohne Sie. Wie ist Ihre Gefühlslage dabei? Freude oder Neid?

Calderon: Pure Freude! Acht Jahre meiner NBA-Karriere habe ich in Toronto verbracht. Die Stadt, die Menschen und die Organisation der Raptors sind mir enorm ans Herz gewachsen. Mit Kyle Lowry und DeMar DeRozan haben sie einen großartigen Backcourt. Hoffentlich geht es so erfolgreich weiter.

SPOX: Im Raptors-Trikot ist Ihnen in der Saison 2008/2009 etwas gelungen, was nicht mal Dirk Nowitzki geschafft hat: 87 Freiwurf-Treffer in Folge. Erst der 88. ging dann daneben...

Calderon: Ich wusste ja selbst: Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ich mal wieder einen Freiwurf verpasse. In dieser Saison habe ich 98,1 Prozent aller Freiwürfe versenkt, auch damit habe ich mich ja in den Geschichtsbüchern der NBA verewigt. So eine hohe Trefferquote über die Saison hinweg hatte kein anderer Spieler jemals davor oder danach.

Folge NBA.de bei Twitter und bekomme alle News - auch Dirk Nowitzki ist dabei!

SPOX: Ihre 87 Freiwurf-Treffer rangieren in der NBA-Historie auf Platz zwei. Nur Michael Williams von den Minnesota Timberwolves war in den 90er Jahren mit 97 Treffern am Stück besser.

Calderon: Diese Freiwurf-Serie ist wirklich etwas, das Bestehen bleibt. Wenn ich irgendwann meine Karriere beende, werde ich mich noch häufiger daran erinnern. Trotzdem: Das Entscheidende im Sport ist, deine Mannschaft zu Siegen zu führen. Manchmal nehmen solche Kleinigkeiten wie der Freiwurf-Run in der Öffentlichkeit mehr Raum ein, als sie es eigentlich verdient hätten.

SPOX: Und dennoch: Wie war das Gefühl, als der Ball beim 88. Wurf nicht durch das Netz schlupfte?

Calderon: Ich glaube, ich war mir sicher, dass auch der reingeht. Aber an Einzelheiten kann ich mich nicht mehr so erinnern. Gegen wen haben wir da überhaupt gespielt? Puh, vielleicht war es Milwaukee? Ich weiß es nicht mehr genau.

SPOX: Im Spätsommer findet die WM in Ihrer Heimat Spanien statt. Werden Sie dabei sein?

Calderon: Auf jeden Fall, ich werde dabei sein. Definitiv. Wir wollen die Chance nutzen, uns gegen die USA für viele vorherige Niederlagen zu revanchieren. Wir waren in letzter Zeit häufig auf Augenhöhe, haben dann aber immer knapp verloren. Jetzt ist es an der Zeit, sie zu besiegen.

SPOX: Aber passen Sie auf: Ihr Arbeitsplatz ist in den USA...

Calderon: Ja klar, ich weiß, was ich sage. Wobei: Heute, da jeder abgehört wird... Mal schauen, ob ich jetzt noch ausreisen darf. (lacht)

SPOX: Vielleicht wird es bei der Heim-WM den letzten gemeinsamen Auftritt der "Goldenen Generation" aus Spanien geben. Der Auftakt Ihrer gemeinsamen Nationalmannschafts-Karriere war in Deutschland, nicht wahr?

Calderon: Das stimmt, 1998 beim Albert-Schweitzer-Turnier in Mannheim. Das war der Ort, wo alles begann. Zum allerersten Mal spielten wir dort zusammen: Pau Gasol, Juan Carlos Navarro und ich.

SPOX: Danach gewannen Sie fast in jedem Jahr Medaillen, darunter EM-Gold 2009 und 2011 sowie WM-Gold 2006. Hinzu kommen zwei olympische Silbermedaillen 2008 und 2012.

Calderon: Sollten wir jetzt die Heim-WM gewinnen und dabei die USA schlagen - das wäre die absolute Krönung.

SPOX: Natürlich sind Sie in dieser Zeit auch häufig auf Deutschland getroffen? Abgesehen von Nowitzki: Wer war der unangenehmste Gegenspieler?

Calderon: Pascal Roller! Das ist dieser kleine Kerl mit der Glatze und dem tödlichen, plötzlichen Dreier. Er hat immer auf der Eins gespielt, wenn wir auf Deutschland getroffen sind. Und natürlich Steffen Hamann, ein ganz lästiger Verteidiger. Auch gegen ihn habe ich nur sehr ungern gespielt.

Seite 1: Die Meisterschaftsträume und fehlendes Benzin

Seite 2: Ganz besondere Rekorde und die Heim-WM

Jose Calderon im Steckbrief