Nach seiner Entlassung bei den Golden State Warriors wechselte Mark Jackson unmittelbar zurück ans Kommentatorenpult und begleitet die Finals 2014 als Analyst. Im SPOX-Interview spricht er über die Serie, San Antonios unglaubliches Spiel 3, die Defense-Schwächen der Heat und seine Entlassung bei den Warriors. Außerdem: Derek Fisher als Headcoach der Knicks.
SPOX: Herr Jackson, nachdem Sie vor wenigen Wochen nach dem Playoff-Aus gegen die Los Angeles Clippers von Ihrem Klub, den Golden State Warriors, entlassen wurden: Schwingt bei Ihrer jetzigen Aufgabe als TV-Analyst beim Fernsehsender "ESPN" etwas Wehmut mit, wenn die Sie die NBA-Finals zwischen den Miami Heat und San Antonio Spurs verfolgen?
Mark Jackson: Nein, überhaupt nicht. Ich schaue mir diese Serie letztlich genau so an, wie ich es eigentlich schon immer gemacht habe: Als Spieler, Trainer und Analyst. Das ist sogar unabhängig von der Sportart. Auch ein Football- oder Baseball-Match verfolge ich auf diese Art und Weise. So ist es für mich am spannendesten und ich kann es am meisten genießen.
SPOX: Kommen wir trotzdem nochmals auf Ihr Ex-Team, die Warriors, zu sprechen. Wie groß ist denn fünf Wochen nach der Trennung noch der Schmerz und die Enttäuschung?
Jackson: Naja, ich würde lügen, wenn ich jetzt behaupten würde, dass mich diese Entlassung nicht getroffen hätte. Natürlich war ich anfangs sehr enttäuscht. Aber mittlerweile schaue ich eigentlich nur auf das Positive zurück und bin stolz, dass ich drei Jahre lang ein Teil dieser Entwicklung - vor allem was die Mannschaft, aber auch die einzelnen Spieler betrifft - sein durfte und auch meinen Teil dazu beitragen konnte. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass das Team auf einem sehr guten Weg ist. Viel mehr kann und möchte ich dazu gar nicht sagen.
SPOX: Dann lassen Sie uns über die Serie sprechen, die Sie derzeit hautnah als TV-Analyst begleiten: die NBA-Finals 2014. Die San Antonio Spurs führen mit 2:1. Wie lautet Ihr bisheriges Fazit nach den ersten drei Begegnungen?
Jackson: Ich bin absolut begeistert. Als Fan dieser Sportart kann man gar nichts anderes sagen. Es ist ein großartiges Duell zwischen den zwei besten Organisationen der Liga, zwei fantastischen Trainern und erstklassigen Spielern. Jedes Match hat bislang gehalten, was es versprochen hat. Ich hatte jede Minute ungemein viel Spaß. Und wir sind mit Sicherheit sehr weit davon entfernt, dass diese Serie schon in Kürze beendet sein wird.
SPOX: Bleiben wir bei Spiel drei vom vergangenen Dienstag, das die Spurs in Miami mit 111:92 gewinnen konnten. Vor allem in der ersten Halbzeit glänzte das Team von Headcoach Gregg Popovich mit einer schier unglaublichen Wurfquote. Nach dem ersten Viertel waren es unfassbare 86,7 Prozent, zur Pause immer noch 75,8 Prozent. War dies aus Ihrer Sicht das Ergebnis der starken Spurs-Offense oder vielmehr der schwachen Heat-Defense?
Jackson: Ich würde mal sagen, dass es eine gute Mischung aus beidem war. Aus Sicht der Spurs war es sicherlich beeindruckend, wie schnell man in der Transition reagiert, den Ball vorne bewegt und gnadenlos abgeschlossen hat. Auf Miami bezogen, sieht es natürlich ein bisschen anders aus. Die Heat werden und müssen enttäuscht darüber sein, wie sie sich in dieser Phase defensiv präsentiert haben. Auf diese Art und Weise kam San Antonio immer wieder zu einfachen Punkten. 71 Zähler in der ersten Hälfte sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache.
SPOX: Was hätte man denn aus Ihrer Sicht als Heat-Coach machen können, um die heiß gelaufenen Spurs in dieser Phase möglichst wieder abzukühlen?
Jackson: Ich denke, das Hauptproblem in den ersten beiden Vierteln aus Miamis Sicht war einfach, dass sich die Spieler nicht an den Gameplan gehalten haben. Es ist letztlich immer entscheidend, dass die Jungs auf dem Court auch das umsetzen, was du als Trainer vorgibst. Wenn das nicht der Fall ist, kannst du natürlich in den Auszeiten versuchen, immer wieder darauf hinzuweisen oder auch die Match-ups in der Defense zu tauschen. Sollte dann aber auch Plan B nicht funktionieren, hast du natürlich ein großes Problem beziehungsweise bist dann an einem bestimmten Punkt als Trainer auch ziemlich machtlos.
SPOX: Im Vergleich zu den ersten beiden Partien nahm Spurs-Coach Popovich eine Veränderung in seiner Starting Five vor. Für Center Tiago Splitter rückte Forward Boris Diaw in die Startformation. War dieser Wechsel aus Ihrer Sicht auch ein mitentscheidender Faktor?
Jackson: Es war zumindest ein Faktor. Pop wollte damit einen weiteren spielstarken Power-Forward, der ja schon Guard-Qualitäten besitzt, auf dem Court haben, der den Druck auf die gegnerische Verteidigung erhöht. Das hat sehr gut geklappt. Wobei ich aber bei allem Respekt vor Diaw schon der Meinung bin, dass es jetzt nicht der entscheidende Grund war. Die Defense-Schwäche der Heat in dieser Phase war meines Erachtens hauptverantwortlich, dass die Spurs im Grunde fast schon punkten konnten, wie sie wollten. NBA
SPOX: Der Mann des Abends hieß zweifelsohne Kawhi Leonard. Hat Sie der Auftritt des 22-Jährigen, der in den ersten beiden Duellen sowohl in der Offensive als auch Defenisve kaum in Erscheinung getreten war, mit seinen 29 Zählern überrascht?
Jackson: Naja, ich war zumindest über die Art und Weise, wie Kawhi gerade in der Anfangsphase zu seinen Punkten gekommen ist, schon etwas überrascht. Ich habe danach mit Gregg Popovich gesprochen und wollte wissen, was er denn vor dem dritten Match mit ihm angestellt hat (lacht). Pop hat ihn aufgefordert, von Beginn an aggressiv zu sein und auch immer wieder die Zone und das Brett zu attackieren. Was mir bei Kawhi aber besonders gut gefallen hat, war seine Verteidigung gegen LeBron. Auch wenn James in den ersten beiden Vierteln immer wieder zu Punkten kam, hat Leonard nie aufgehört, um jede Position zu kämpfen. Letztlich wurde er dafür dann auch entsprechend belohnt. Insgesamt gesehen war es sicherlich eine ganz starke und beeindruckende Vorstellung von Kawhi.
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SPOX: Seit Beginn der NBA-Finals wird auch immer wieder darüber diskutiert, welches Team über die bessere Bank verfügt. Würden Sie der These, dass die Mannschaft mit dem tieferen Kader am Ende die Meisterschaft holt, zustimmen?
Jackson: Es ist auf alle Fälle ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Beide verfügen schon seit Jahren neben ihren Topstars über zahlreiche erstklassige Spieler, die jederzeit in der Lage sind, einen großen Einfluss auf die Partie zu nehmen - sei es von Beginn an oder wenn sie von der Bank kommen. Das hat man auch zuletzt wieder in den Playoffs gesehen. Wenn du in der glücklichen Lage bist, beispielsweise einen Manu Ginobili oder Ray Allen während einer Begegnung einzuwechseln, dann spricht das zweifelsohne für die immens hohe Qualität der jeweiligen Mannschaften. Von daher spielt es also schon eine sehr große Rolle.
SPOX: Das vierte Aufeinandertreffen dieser Serie steigt am Donnerstagnacht (3 Uhr, im LIVE-TICKER) erneut in der American Airlines Arena. Ist dieses Match für die Miami Heat mit dem 1:2-Rückstand im Nacken bereits ein "Must-win-Game", zumal es dann ja wieder nach San Antonio geht?
Jackson: Ich bin der Meinung, dass allerspätestens in den Finals eigentlich jedes Spiel ein Must-win-Game ist - und zwar für jeden! Wenn man sich die jetzige Ausgangslage einmal anschaut: Miami möchte sicher nicht mit einem 1:3 im Gepäck nach San Antonio fahren. Aber auch für die Spurs wäre ein 2:2 alles andere als eine beruhigende Konstallation. Klar haben sie momentan wieder den Homecourt-Advantage auf ihrer Seite. Doch bislang hat der Heimvorteil nicht wirklich eine große Rolle gespielt. Auch die Heat haben ja in dieser Serie schon bewiesen, dass sie in San Antonio gewinnen können. Von daher stehen also beide Teams letztlich unter dem gleichen Druck.
SPOX: Wagen Sie eine Prognose, wer sich am Schluss durchsetzt und die Larry O'Brien-Trophy holt?
Jackson: Ganz ehrlich: Ich kann es nicht! Diese Serie ist derart eng und ausgelichen, dass sie nach jedem Spiel auf die andere Seite kippen kann. Auch wenn die Spurs jetzt mit 2:1 führen, heißt das noch lange nicht, dass sie bereits als Meister feststehen. Ich habe ja bereits gesagt, dass wir meiner Meinung nach noch weit von einer Entscheidung entfernt sind.
SPOX: Entscheidung ist ein gutes Stichwort! Verlassen wir zum Abschluss die NBA-Finals und blicken nach New York: Die Knicks haben vor wenigen Tagen Derek Fisher als neuen Headcoach vorgestellt. Mal Hand auf's Herz: Trauen Sie ihm als absoluten Newcomer diese schwere Aufgabe zu?
Jackson: Ja, absolut! Ich denke, er verfügt über alle Eigenschaften, die wichtig sind, um ein guter und erfolgreicher Trainer zu sein. Während seiner langjährigen Karriere als Spieler war Fish bereits ein echter Leader, der sein Team stets geführt hat und wusste, worauf es ankommt. Ich schätze ihn aber nicht nur fachlich, sondern auch menschlich sehr. Er verfügt beispielsweise auch über die Gabe, Menschen von etwas zu überzeugen - und genau das ist als Trainer ungemein wichtig. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass er ein erstklassiger Headcoach wird.
SPOX: Nach Ihrer Spielerkarriere waren Sie zunächst viele Jahre als TV-Analyst tätig, bevor Sie dann 2011 bei den Golden State Warriors Ihr Trainer-Debüt gefeiert haben! Rückblickend betrachtet: Was war die wichtigste und wertvollste Erfahrung, die Sie in Ihrer ersten Saison als Headcoach gesammelt haben?
Jackson: Du brauchst Talent - und das ist jetzt nicht etwa auf mich persönlich bezogen! Die NBA ist eine Spielerliga. Wenn Du nicht das nötige Potenzial zur Verfügung hast, dann wird es ungemein schwer bis unmöglich. Zum einem brauchst du ein gewisses Spielertalent in deiner Mannschaft. Zum anderen aber auch - und das ist eigentlich das Wichtigste - sehr gute Leute drumherum, denen du blind vertrauen kannst. Sei es im Trainerstab, der medizinischen Abteilung oder im weiteren Umfeld. Hast Du das alles zur Verfügung, dann ist vieles möglich.
SPOX: Sie selbst galten während Ihrer aktiven Laufbahn als einer der besten Point Guards in der NBA. Ist Ihnen die Erfahrung, die Sie gerade als Playmaker gesammelt haben, für Ihre jetzige Trainer-Karriere zugute gekommen?
Jackson: Definitiv! Als Point Guard bist du ohnehin so etwas wie ein spielender Co-Trainer. Du gibst die Richtung auf dem Court vor, sagst die Plays an, schickst deine Mitspieler , wenn es sein muss, auf die richtigen Positionen und bist letztlich auch für das Tempo verantwortlich. Ich hatte zudem noch das große Glück, dass ich bei meinen jeweiligen Klubs unter sechs oder sieben Hall-of-Fame-Coaches spielen durfte. Da nimmst du dir natürlich viele gute Sachen mit und packst sie in deinen Rucksack. Und wenn der Moment dann gekommen ist und du eine erste Trainerstelle antrittst, dann bist du bereits bestens vorbereitet.
SPOX: Wie groß schätzen Sie denn Ihre Chancen ein, bereits in der kommenden Saison wieder als Headcoach bei einem NBA-Team zu arbeiten?
Jackson: So etwas ist immer sehr schwer zu sagen! Selbstverständlich würde ich so schnell wie möglich gerne wieder eine gute und ambitionierte Mannschaft übernehmen, da mir diese Aufgabe sehr viel Spaß bereitet. Sollte es eine Anfrage geben, würde ich mir diese natürlich auch anhören. Aber vorhersagen lässt sich in diesem Bereich absolut nichts.
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