In beeindruckender Manier holen sich die San Antonio Spurs den Sieg in Spiel fünf (104:87) gegen die Miami Heat und sichern sich damit den fünften NBA-Titel ihrer Franchise-Geschichte. Dank nahezu perfektem Team-Basketball und einem Kawhi Leonard in Topform dominieren die Spurs die Serie. Die Revanche ist geglückt.
Mitte des dritten Viertels: Der Spalding läuft durch die Reihen der Miami Heat und landet schließlich in den Händen von Dwyane Wade auf dem rechten Flügel. Mit einer einfachen Körpertäuschung geht der 32-Jährige an Manu Ginobili vorbei und zieht an der Baseline aggressiv Richtung Korb. Nach dem zuvor schwachen Auftritt könnte ein krachender Dunk genau richtig sein, um das gesamte Heat-Team wieder aufzuwecken. Wade steigt hoch...
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Wenige Sekunden später liegt er am Boden. Anstatt ekstatisch seinen Einzug in die Top 10 zu feiern, macht er ein Gesicht wie nach drei Tagen Regenwetter. Wade hatte wohl mit vielem gerechnet, nur nicht mit Tiago Splitter.
Nachdem Ginobili geschlagen wurde, kam der Brasilianer von der Weakside herangerauscht, stieg gleichzeitig mit Wade hoch und blockte den Dunking-Versuch des Veteranen. Eigentlich fehlte nur noch der Mutombo-Finger.
Rache ist süß!
Die Fans waren natürlich aus dem Häuschen, nur für Splitter blieb nicht viel Zeit zum feiern. Für den 29-Jährigen blieb nur ein kleines, verschmitztes Lächeln auf dem Gesicht und ein Gedanke im Hinterkopf: Rache ist süß!
Nachdem Splitter in den Finals 2013 noch übel von LeBron James abgeräumt worden war, gab es in Spiel fünf die persönliche Revanche gegen die Miami Heat. Und es wurde sogar noch besser. Die Spurs-Fans im AT&T-Center hatten sich noch gar nicht wieder hingesetzt, da hämmerte Patty Mills auf der anderen Seite auch schon den Dreier durch die Reuse.
Kurze Zeit später legte der Australier von Downtown nach: Nothing but net! Und auch Manu Ginobili ließ sich natürlich nicht lumpen und stach den Heat mit einem weiteren Dreier direkt ins Herz. Plötzlich stand es 65:44 für die Gastgeber. Die Messe war gelesen.
Spoelstras Adjustments verpuffen
"Sie haben ausgezeichneten Basketball in dieser Serie gespielt - vor allem in den letzten drei Spielen. Sie sind das bessere Team. Da geht kein Weg daran vorbei, das zu sagen", erklärte Heat-Coach Erik Spoelstra nach der Partie und zollte damit den San Antonio Spurs seinen Respekt.
spoxSeine Veränderung in der Starting Five vor dem Spiel sollten sich letztendlich nur im ersten Viertel wirklich auszahlen. Nach seinen schwachen Vorstellungen in der gesamten Serie musste Mario Chalmers große Teile der Partie auf der Bank schmoren. Für ihn stand Ray Allen auf dem Parkett, der mit einer Wurfquote von 12,5 Prozent (1/8 FG) allerdings nicht die erhoffte Leistung brachte.
Immerhin stellte man mit der veränderten Aufstellung San Antonio im ersten Viertel vor relativ große Matchup-Probleme. Besonders Tony Parker hatte zu kämpfen, da er sich einerseits in der Defense nicht mehr an der Seite von Chalmers ausruhen konnte und andererseits LeBron James in der Offense nicht von seiner Seite wich.
So erzielte der Franzose über weite Strecken der Partie keinen einzigen Zähler, stand zwischenzeitlich bei 0/12 aus dem Feld - und dennoch dominierte San Antonio nach den ersten zwölf Minuten die Partie.
Leonard dreht erneut auf
Unter anderem, weil LeBron das unglaubliche Tempo aus dem ersten Viertel im weiteren Spielverlauf nicht mehr ganz halten konnte, aber auch, weil die Unterstützung für den 29-Jährigen mal wieder zu wünschen übrig ließ. Das ermöglichte San Antonio teilweise drei Gegenspieler auf James anzusetzen, ohne dafür bestraft zu werden.
Die Schwäche der Heat ist dagegen die größte Stärke der Spurs: Die Tiefe der Mannschaft! Fünf Spieler punkteten zweistellig, jeder Akteur unterstützte den anderen. Als es zum Beispiel bei Parker nicht lief, nahm Patty Mills das Spiel in die Hand. Später drehte dann der Franzose auf. Zuvor hatten auch Tim Duncan und Manu Ginobili ihre Momente - und natürlich Kawhi Leonard!
Mit seinen 22 Punkten und 10 Rebounds führte der 22-Jährige einerseits sein Team zum vierten Sieg und sahnte außerdem auch noch die Finals-MVP-Trophäe ab. Und zwar als jüngster Spieler seit einem gewissen Magic Johnson 1980! Leonard ist sogar noch jünger als Tim Duncan bei dessen Titelgewinn 1999 und liefert damit den besten Beweis: Der Generationswechsel bei den Spurs ist bereits in vollem Gange.
"Zur Hölle mit Tony, zur Hölle mit Timmy, zu Hölle mit Manu! Du bist unser wichtigster Mann", brachte es Spurs-Coach Gregg Popovich auf den Punkt und auch der Gegner musste die Leistung des 22-Jährigen anerkennen. "Es wirkte so, als hätte er einfach befreit aufgespielt. Er ist die Zukunft des Teams", meinte Dwyane Wade.
Perfekter Team-Basketball
Vielleicht wird Leonard bereits in der kommenden Saison einen noch größeren Teil der Last auf seine Schultern nehmen müssen. Denn Tim Duncan will sich noch alle Optionen offen halten und schließt weder den Ruhestand, noch ein weiteres Jahr in der NBA kategorisch aus.
Bis eine Entscheidung gefallen ist, können Duncan, Leonard, Ginobili, Parker und Co. allerdings erst einmal ein wenig entspannen, den Erfolg genießen und das verarbeiten, was in den letzten Wochen passiert ist. "Momentan fühlt es sich einfach surreal an", so Leonard, nachdem er den Bill-Russell-Award erhalten hatte. "Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was gerade abgeht."
So dürfte es auch einigen Basketball-Puristen gegangen sein, als die Spurs den Titelverteidiger in den Spielen eins, drei, vier und fünf nach Strich und Faden auseinandernahmen. Der nahezu perfekte Team-Basketball, den die Spurs regelmäßig auf's Parkett brachten, begeisterte Fans, Gegner und den NBA Commissioner gleichermaßen.
"Ihr habt der Welt gezeigt, wie wunderschön dieses Spiel ist", sagte Adam Silver und auch Chris Bosh schlug in die gleiche Kerbe: "Das ist das beste Team, das ich jemals gesehen habe. Das beste Team, gegen das ich jemals gespielt habe."
Revanche geglückt
Also auch das beste Team aller Zeiten? Darüber kann man lange diskutieren, aber Fakt ist, dass die San Antonio Spurs in den letzten 15 Jahren fünf NBA-Titel einfahren konnten. Und es hätten auch genauso gut sechs sein können.
Die bittere Pleite in den Finals 2013 schwebte wie ein Schatten über der Saison von San Antonio. Doch anstatt daran zu zerbrechen, nahmen die Spurs ihre Motivation aus dieser Niederlage, um umso stärker zurückzukommen.
"Wir haben uns an letztes Jahr erinnert und daran, wie wir uns im Locker Room gefühlt haben", erklärte Tim Duncan. "Das hat uns stark gemacht und uns hierhin zurückgebracht. Das ist unglaublich!"
Der Titelgewinn 2014 heilt den Schmerz, den die letztjährigen Finals bei den Spielern, Verantwortlichen und Fans hinterließ. "Das macht das letzte Jahr erträglich", meinte Duncan über die Revanche gegen die Miami Heat und spricht damit mit Sicherheit auch Tiago Splitter aus dem Herzen.