"Ich habe Respekt vor LeBron"

Haruka Gruber
21. Juli 201408:02
Dirk Nowitzki (r.) zieht den Hut vor der Entscheidung seines Rivalen LeBron Jamesgetty
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Kein L.A., kein NY, kein Glamour: Dirk Nowitzki zieht vor LeBron James den Hut. Der Mavs-Superstar stattete der Deutschland-Zentrale seines Sponsors "ING-DiBa" in Frankfurt einen Besuch ab und stellte sich bei der Vorstellung zu dem am 18. September startenden Kinofilm "Nowitzki - Der perfekte Wurf" den Fragen von Moderator Frank Buschmann und den anwesenden Journalisten. Der 36-Jährige über Heimatverbundenheit, mütterliche Fürsorge und den neuen Go-2-Guy in Dallas.

Frage: Dirk Nowitzki, wie verbringen Sie dieses Jahr den Sommer?

Dirk Nowitzki: Wir haben schon in der ersten Runde verloren, daher waren wir Anfang Mai fertig. Seitdem sind wir ein bisschen rumgereist, haben Urlaub gemacht und abgespannt und langsam habe ich wieder angefangen, mich fit zu machen mit Krafttraining und Konditionstraining. Jetzt ist Heimaturlaub angesagt. Wir sind ein paar Wochen hier und reisen ein bisschen in Europa rum. Meine Frau ist ja Schwedin, daher fahren wir hoch und besuchen ihre Eltern. Im Grunde ist alles durchgeplant.

Frage: Mit welchem Gefühl sind Sie in die Offseason gegangen? Dachten Sie nach dem Ausscheiden in der ersten Runde gegen die Spurs, dass man doch besser war als gedacht angesichts der Leistungen des späteren Meisters?

Nowitzki: Es hat alles reingespielt. Wir haben unsere Verteidigung umgestellt und etwas Neues probiert, und das hat San Antonio Probleme bereitet. Wir haben viel geswitcht, viele Männer übernommen, dafür waren sie nicht ganz bereit. Wir hätten im Nachhinein betrachtet die ersten beiden Spiele stehlen müssen. Spiel 1 waren wir paar Minuten vor Schluss mit 10 vorne, Spiel 2 haben wir in San Antonio gewonnen. Ich muss aber auch sagen, dass San Antonio noch nicht auf dem Höhepunkt war. Wir wissen alle, dass Coach Popovich seine Stars vor den Playoffs runterfährt, um zum Schluss wieder topfit zu sein. Wir haben sie geärgert und ein bisschen gekitzelt - aber dann wurde Spiel 7 bitter. Da haben sie das mit Abstand beste Spiel der Serie gezeigt. Parker hat uns am Anfang echt frisch gemacht und sie haben von außen super getroffen. Man will immer nah dran bleiben, damit man im Schlussviertel nur mit 10 hinten ist und man noch eine Chance hat. Aber als es zur Halbzeit schon 30 waren, war das bitter. Wir haben in der zweiten Halbzeit noch einmal gekämpft, aber unter 20 sind wir nicht mehr richtig herangekommen. Dennoch: Wenn man sieht, wie die restlichen Playoffs gelaufen sind, können wir stolz auf uns sein. Wir waren die einzige Mannschaft, die die Spurs im siebten Spiel hatten.

Frage: Was ist in Ihrem Kopf passiert, als Dallas im siebten Spiel früh aussichtslos zurücklag?

Nowitzki: Der Gedanke war: Du willst ruhig bleiben. Wenn man sich Spiel 1 und Spiel 2 in San Antonio anschaut, haben wir im ersten Viertel immer mit 10 hinten gelegen. Das ist eine riesige Stärke der Spurs, sie kommen immer super raus, egal ob es direkt im ersten Viertel oder gleich nach der Halbzeit ist. Deswegen haben wir in den Auszeiten immer gesagt: "Hey, ruhig bleiben Jungs, unser Run kommt noch." Doch dann kamen die Spurs wie eine Lawine ins Rollen. Wir haben vorne nicht so gespielt und ich habe einige Dinge verhauen. Echt schade. Aber selbst als wir nur 20 hinten lagen, haben wir weiter gesagt, dass alles möglich ist und wir weiterkämpfen. Aber die Spurs waren an dem Tag einfach besser.

Frage: Der Knackpunkt war im dritten Viertel, als der Rückstand sogar auf 14 Punkte runterging bei eigenem Ballbesitz, jedoch danach nichts mehr lief?

Nowitzki: Wir haben zur Halbzeit unsere erste Fünf umgestellt, Dalembert rausgenommen und kleiner gespielt. Wir wollten damit Duncan forcieren, mich an der Dreierlinie zu decken, damit ich ziehen kann und andere Spieler offen stehen. Das hat ganz gut geklappt. Wir haben gleich ein paar Dreier getroffen und sie etwas schwitzen lassen. Aber dann hat Pop, für mich sowieso der beste Trainer der Liga, reagiert und die richtigen Auswechslungen getätigt und dann ging der Rückstand wieder hoch.

Frage: San Antonio setzte sich durch und gewann am Ende auch das Finale gegen Miami, woraufhin LeBron James den Abgang von den Heat sowie die Rückkehr nach Cleveland bekanntgab. Was denken Sie darüber?

Nowitzki: Ich freue mich fast schon für Cleveland. Das war damals bitter, wie er weg ging und wie er das Ganze gehandhabt hat und wie sie in Cleveland seine Trikots auf den Straßen verbrannt haben. Daher freue ich mich, dass ihr Sohn wieder nach Hause kommt. Und jetzt sind die Cavaliers von einem Tag auf den nächsten Meisterschaftsfavorit, vor allem im Osten. Das ist eine schöne Geschichte. Vor allem, dass er dazu bereit ist. Cleveland ist ein kleinerer Markt, viele haben gesagt, er muss nach L.A. oder New York. Ich habe Respekt, dass er zurückgeht.

Frage: Heimatverbundenheit bedeutet Ihnen ebenfalls viel: Sie verzichten auf viel Geld und der neue Vertrag ist weit weg vom Maximum. Wieso ließen Sie sich darauf ein?

Nowitzki: Es war meine 16. Saison in Dallas. Die Stadt ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich fühle mich dort sehr, sehr wohl, habe viele Freunde. Mein Umfeld stimmt einfach. Deswegen glaube ich, dass ich in Dallas das Maximale aus meinen letzten paar Jahren herausholen kann. Daher hatte ich Respekt davor, noch einmal alles zu wechseln, noch einmal neu anzufangen. Das wäre nur ein Thema gewesen, wenn ich die Meisterschaft nicht geholt hätte. Wenn ich ohne Ring gewesen wäre, hätte ich mir das schärfer überlegen müssen. Aber so war es nie ein Thema. Ich will meine Karriere auf jeden Fall in Dallas beenden. Und auf Geld zu verzichten, gehört zum Alter dazu. Du möchtest eine gute Mannschaft haben und du willst oben mitspielen, wenn es geht unter den Top Vier im Westen. Vor zwei Jahren waren wir gar nicht in den Playoffs, letztes Jahr waren wir Achter. Daher muss jeder Opfer bringen. Mir ging es beim letzten Vertrag nie darum, den letzten Pfennig rauszuholen.

Frage: Mit wem sprachen Sie über den neuen Vertrag? Mit Ihrer Mutter Helga, die Ihnen angeblich immer noch Geld zum Einkaufen gibt?

Nowitzki: Die Mutter gibt mir immer noch Taschengeld. (lacht) Bei den Klamotten bin ich zwar erwachsener geworden, aber mit dem Taschengeld hat es sich noch nicht verändert. Dennoch habe ich nicht mit meiner Mutter über den Vertrag gesprochen. Wir haben es mit Holger gemacht, natürlich viel mit Mark Cuban gesprochen, mit dem ein fast schon freundschaftliches Verhältnis besteht. Wir haben einen guten Mittelweg für beide Parteien gefunden, damit noch genug Geld übrig ist für andere Spieler.

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Frage: Wie zum Beispiel Tyson Chandler, dem wichtigen Bestandteil auf der Center-Position in der Meistermannschaft von 2011, der zurückgeholt wurde. Dazu wurde Chandler Parsons von den Rockets und Rashard Lewis von den Heat geholt. Lautet die Botschaft von Besitzer Mark Cuban, dass er Ihnen noch einmal die Gelegenheit geben will, ganz vorne mitzuspielen?

Nowitzki: Mark war nach der Meisterschaft auch nicht zufrieden. Wir mussten die ganzen Spieler, mit denen wir Meister wurden, weggehen lassen, weil wir nicht genug Geld unter dem Salary Cap hatten. Und so sind die letzten drei Jahre dahingeplätschert, dass muss man so klar sagen. In der Streiksaison gegen Oklahoma City in der ersten Runde 0-4 verloren, im Jahr darauf hatte ich die Knie-OP und wir sind gar nicht in die Playoffs gekommen und im letzten Jahr waren wir Achter. Deswegen wollen Mark und Donnie Nelson, unser GM, richtig angreifen, damit wir in den letzten Jahren noch einmal alles geben, um vorne mitzuspielen. Sie haben die richtigen Signale gesetzt und jetzt schauen wir mal, wie wir die Mannschaft füllen.

Frage: Die größten Hoffnungen ruhen auf Parsons. Er scheint ideal, um bei Ihnen abzuschauen, weil er ein großer, guter Schütze ist. Es gibt allerdings viele, denen ein Carmelo Anthony lieber gewesen wäre. Was meinen Sie?

Nowitzki: Chandler passt sehr, sehr gut rein in unser Team. Was er super macht: Wie er sich ohne Ball bewegt. Er ist nicht so einer wie Carmelo, dem man den Ball gibt und sagt: "Mach' mal dein Ding und kreiere uns 20, 25 Punkte im Schnitt." Das ist nicht Chandlers Spielweise. Er ist mehr ein Typ, der aus der Bewegung spielt, der im Schnellangriff sehr gut abschließt, von außen gut schießen kann und der gut in unser Spielsystem passt. Unser Coach Rick Carlisle ist einer der besten der Liga und er wird ihn so integrieren, dass wir alle eine super Saison spielen.

Frage: Was fehlt den Mavs noch für die NBA-Spitze?

Nowitzki: Der Westen ist voll geladen, die Topmannschaften sind top besetzt. Die Clippers, die Thunder, die Spurs, die sind sowieso seit 20 Jahren unter den Top 4. Da oben ist die Luft dünn. Aber ich hoffe doch, dass wir in Zukunft mehr knappe Spiele gewinnen. Wir haben letztes Jahr so viele Spiele wegen dummen Fehlern verloren, obwohl wir vorne waren. Wenn wir von denen 4 oder 5 gewonnen hätten, wären wir sogar an 5 und nicht an 8 gesetzt gewesen. Es ist alles drin und wir können ein Wort mitreden. Tyson Chandler, wenn er gesund ist, wird ein Schlüsselspieler für uns. Mit seiner Verteidigung, seinen Rebounds, seiner Führungspersönlichkeit. Das bedeutet uns sehr viel.

Frage: Wenn wir über die kommende Saison hinausblicken: Wie geht es mit dem DBB weiter? Können Sie sich die EM 2015 vorstellen? Oder gehen Ihnen die Fragen nach einem Nationalmannschafts-Comeback auf die Nerven?

Nowitzki: Es ist ein bisschen auch meine Schuld, weil ich immer wieder sage: "Wir setzen uns nächsten Sommer mit dem DBB zusammen." Ich habe noch nie richtig den Deckel draufgehauen, deswegen ist es auch mein Fehler. Aber ich will den Deckel nicht draufmachen, weil es über die Jahre so viel Spaß gemacht hat, Deutschland zu vertreten. Wir haben schöne Erfolge gefeiert und die Olympischen Spiele 2008 waren eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Das wäre schon toll. Rio 2016 ist noch weit weg. Bis dahin wäre ich 38. Aber ich möchte mir die Hintertür offen lassen. Das Problem mit dem Alter ist: Wenn ich auf hohem Niveau spielen will, muss ich fast noch mehr Arbeit reinstecken, als ich es vor zehn Jahren gemacht habe, Wenn ich nächstes Jahr EM spielen würde, müsste ich quasi durchtrainieren und dürfte mir keinen Urlaub erlauben. Von daher lasse ich es mir offen. Ich werde mich auf jeden Fall schon in diesem Sommer mit dem DBB treffen. Vielleicht schaffe ich es auch zu einem der EM-Quali-Spiele im August in die Halle.

Frage: Ist 2011 ein warnendes Beispiel? Nach dem emotionalen Höhepunkt mit dem NBA-Titel traten Sie bei der EM an.

Nowitzki: Das war ein schwerer Sommer. Wenn man einmal sein Ziel erreicht hat, dann ist alles von mir abgefallen, der ganze Druck, die ganzen Emotionen. Dann haben wir zwei oder drei Wochen später mit Holger in Rattelsdorf trainiert. Körperlich und mental war es schwer, mich wieder aufzuraffen. Dann ging es noch ganz gut in der Vorbereitung, aber als das Turnier losging und wir jeden Tag oder jeden zweiten Tag ein Spiel hatten, habe ich gemerkt, dass ich schon zur Halbzeit total ausgepumpt und mein Trikot immer total durchgeschwitzt war. Da gab der Körper nicht mehr her. Aber mal schauen, was nächstes Jahr ist. Wenn wir mit Dallas wieder früh in den Playoffs verlieren sollten, was wir nicht hoffen, dann hätte man wieder Zeit vor der EM, um sich gezielt vorzubereiten. Das werden wir alles im nächsten Sommer sehen.

Frage: Ganz allgemein: Wie geht es dem 36-jährigen Dirk Nowitzki körperlich?

Nowitzki: Es geht noch ganz gut. Damals, in meinen 20er Jahren, habe ich immer gedacht, dass wegen meinen Füßen die Karriere kürzer laufen könnte. Ich bin einmal die Woche oder alle zwei Wochen umgeknickt und ich hatte wieder etwas anderes. Aber die Füße haben die letzten Jahre gut gehalten. Dafür hat es jetzt mit den Knien angefangen und ich bin vor zwei Jahren operiert worden. Sonst fühle ich mich aber wieder gut. In der letzten Saison habe ich auch 80 von 82 Speilen mitgemacht. In dem einen haben sie mir freigegeben wegen Altersschwäche, beim anderen Male hatte ich ein bisschen Magenkrämpfe. Deswegen: toi, toi, toi.

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Dirk Nowitzki im Steckbrief