San Antonios Teambasketball brachte den Spurs nicht nur ihre fünfte Meisterschaft, er stand teilweise auch in Kontrast zu allgemeinen Tendenzen in der NBA. Mit Hilfe von "SAP - hinter den Zahlen" versucht SPOX zu erkären, was Gregg Popovich' Spurs so besonders macht.
nba.deInside- statt Perimeterspiel: In den vergangenen Jahren hat die NBA ihre Vorliebe für den Dreier entdeckt. Eine innige noch dazu. Drei Punkte sind schließlich besser als zwei. Das klassische Inside-Spiel, das noch in den 90ern praktiziert und von versierten Big Men wie Hakeem Olajuwon, Patrick Ewing oder Shaquille O'Neal zelebriert wurde, stirbt zusehends aus. Hochprozentige Würfe hin oder her.
21,5 Mal drückten die Teams laut nba.com/stats vergangene Saison im Schnitt von jenseits des Perimeter ab. Zum Vergleich: 1990/91 traute man sich ligaweit lediglich in 7,1 Fällen den Wurf von draußen zu. Nun nahmen auch die San Antonio Spurs vergangene Saison 21,4 Dreier, unterscheiden sich damit auf den ersten Blick nur unwesentlich vom Rest der Liga. Allerdings pflegen insgesamt 15 Mannschaften eine innigere Beziehung zum Distanzwurf als Timmy, Manu, Tony und Co., die Timberwolves immerhin dieselbe.
Deshalb zu behaupten, San Antonio sähe den Wurf von draußen nicht als probates Mittel, wäre jedoch übertrieben - und noch dazu irreführend. Schließlich traf vergangene Saison kein Team den Dreier sicherer als die Spurs (39,7 Prozent).
Big Men als essentieller Baustein
Vielmehr drücken die 21,4 Triple pro Spiel aus, was im Grunde ohnehin bekannt ist. Coach Gregg Popovich balanciert seine Offense bestmöglich aus, möchte nur gute, offene Würfe sehen und missachtet den gezwungenen Schuss. Auch deshalb haben Big Men in San Antonio, entgegen der allgemeinen Entwicklung, durchaus ihre Daseinsberechtigung. Mehr noch: Sie sind essentieller Bestandteil von San Antonios Offense.
So stehen mit Tim Duncan und Tiago Splitter bei Tipoff im Normalfall zwei klassische Bigs auf dem Court. Zwei Bigs, die nicht Richtung Dreierlinie ausweichen, um von dort wie wild drauf loszuballern, als hätten sie einen Sommer lang Pickup-Games mit Josh Smith gespielt. Zwei Bigs, die mit Vorliebe rund um die Zone oder direkt in Brettnähe scoren. In der Konsequenz nimmt San Antonio die zweitmeisten Würfe in Ringnähe (17,5). Einzig die Wolves schlossen vergangene Saison häufiger am Brett ab (18 Würfe pro Spiel).
Ein Blick auf San Antonios Shotchart verrät zudem, dass die Spurs von überall rund um die und in der Zone häufiger abschließen als das durchschnittliche NBA-Team. Einzig der rechte Elbow bildet eine Ausnahme, erhärtet jedoch gleichzeitig den Verdacht, dass in Texas rein gar nichts dem Zufall überlassen wird.
Duncans Sweetspot
Nicht ganz zufällig trifft Tim Duncan von rechts oben am Zonenrand über Ligadurchschnitt (45 Prozent während der Regular Season, 45,45 Prozent während der Playoffs) - die Spurs als Team ebenfalls (45,96 Prozent FG), nehmen im Vergleich aber weniger Würfe als das Ligamittel (322 während der Regular Season).
Heißt: Der rechte Elbow ist Timmy-Land. Coach Pop hat den Sweetspot seines treuen Weggefährten gefunden und lässt ihn dort einsetzen. Der Rest des Teams überlässt den Elbow dem "Big Fundamental" - und es funktioniert.
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Überhaupt verrät das Shotchart einiges über die so beeindruckende Offense des Meisters. So nahmen die Spurs beispielsweise mehr Corner-Threes als ligaweit üblich, was in Theorie dem ersten Eindruck eines Inside-orientierten Teams widersprechen könnte. Andererseits ist der Dreier aus der Ecke, der aus Coach-Sicht vertretbarster aller Triples. Der Grund: Anstatt am Mann abzudrücken, wird in der Ecke auf den Assist gewartet, was in einer derart passorientierten Offense, wie sie San Antonio zelebriert, durchaus als probates Mittel erscheint.
Während der Playoffs, in denen das Spiel langsamer, der Wurf meist besser verteidigt ist, verlegten die Spurs ihre Offense noch deutlich mehr Richtung Brett. Hochprozentige, einfach Abschlüsse statt Glücksspiel von draußen, schien Coach Pop seinen Spielern angeordnet zu haben.
Der Drive als Waffe
Da passt es auch ins Bild, dass abgesehen von den Miami Heat nach dem Drive kein Team hochprozentiger abschloss als San Antonio (51,9 Prozent). Einerseits besitzt der Meister wie die Heat (LeBron James, Dwyane Wade) mit Tony Parker, Kawhi Leonard und Manu Ginobili das richtige Material, andererseits verlassen sich die Spurs allerdings nicht allein auf die Qualitäten ihrer drei Slasher.
Häufig wird versucht, die gegnerische Defense durch ein buntes Potpourri an Pässen und Screens kollabieren zu lassen, um dann den freien Weg zum Korb vorzufinden. Auch der Kickout wird gern genommen (40,7 Prozent 3FG im Catch-and-Shoot; ligaweit Rang drei). All das kulminierte vergangene Saison in der zweibesten Effective-Field-Goal Percentage der gesamten Liga (53,7 Prozent eFG%).
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nba.deDie Minutenverteilung: Tony Parker? 29,4 Minuten. Tim Duncan? 29,2 Minuten. Kawhi Leonard? 29,1 Minuten. Manu Ginobili? 25,2 Minuten. Was uns das sagt? Gregg Popovich verwaltet die Kräfte seiner Spieler so effektiv wie wohl kein zweiter Coach in der NBA. Kein einziger Spurs stand vergangene Saison im Schnitt länger 30 Minuten auf dem Court. Einzig Parker, Leonard und Duncan knackten in den Playoffs die Halbstundenmarke.
Anders als der Rest der Liga ist der San Antonio nicht allein von seinen Besten abhängig, wenngleich das Spiel auch in Texas ohne Ginobili, Leonard, Duncan und Parker wesentlich weniger schön anzuschauen, vor allem aber weniger erfolgreich wäre.
Coach Pop ist es allerdings gelungen, ein System zu installieren, das größer ist als seine Einzelteile, das auch ohne, beziehungsweise mit verminderter individueller Klasse zu funktionieren vermag. Es wird so häufig erzählt und trifft doch gerade in San Antonio besonders zu. Jeder Einzelne ist wichtig für den Erfolg des großen Ganzen.
Mills mit Fabelquoten
Nehmen wir allein Patty Mills. Der Australier stand während der vergangenen Jahre nicht zwingend im Verdacht, ein entscheidendes Puzzlestück in einem Championshipteam zu sein - und war es plötzlich doch. Während der Finals legte Mills eine unglaubliche Effective Field-Goal Percentage von 69,92 Prozent auf, LeBron James, der selbstverständlich wesentlich mehr Scoringlast schultern muss und sich deutlich größerer Aufmerksamkeit seiner Gegenspieler erfreute, kam zum Vergleich auf 65,22 Prozent.
Was Mills' Quote derart in die Höhe trieb, war seine Sicherheit von draußen (56,5 Prozent 3FG in den Finals) und natürlich San Antonios System, das die temporäre Stärke des Australiers optimal zu nutzen wusste. Mills Aufgabe war es, den Dreier zu treffen. Dafür wurde er optimal in Szene gesetzt und nutzte seine Chance zudem nahe der Perfektion.
Coach Pop hat sein System neben den Superstars auf Spieler wie Mills ausgelegt, die ihre Stärken im großen Ganzen perfekt zu Geltung bringen können und den alten Herren um Duncan und Ginobili so zusätzliche Pause erlauben. Ist dann tatsächlich einzig Talent gefragt, sind die großen Vier (Parker, Duncan, Leonard, Ginobili) frisch und können liefern.
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nba.deDie Lineups: Die Finals 2013 öffneten Gregg Popovich die Augen. Er habe nicht alle Eventualitäten bedacht, während der Regular Season nicht genügend ausprobiert, gab Pop nach der bitteren Niederlage gegen Miami zu. Im Klartext: Die Perfektion war noch nicht erreicht, Popovich hatte nicht genügend Lineups getestet, nicht exakt herausgefunden, wer mit wem in welcher Situation am besten harmoniert.
Sein Versäumnis holte Pop während der vergangenen Regular Season nach und experimentierte, um in den Playoffs situativ bestmöglich reagieren zu können. Dass er damit Erfolg haben würde, deutete sich bereits während der ersten 82 Spiele an. Während derer stellten die Spurs nämlich vier der 15, in Sachen Fieldgoal Percentage, effektivsten Lineups - mit Marco Belinelli, Tim Duncan, Boris, Diaw, Kawhi Leonard und Tony Parker sogar das dritteffektivste (56,6 Prozent).
Nun wäre Pop jedoch nicht Pop, würde er sich auf einige, wenige Aufstellungen versteifen, nur weil sie in gewissen Aspekten des Spiels gut miteinander harmonieren. So standen besagte vier Lineups im Schnitt lediglich zwischen 3 und 4,6 Minuten gemeinsam auf dem Feld. San Antonios Starting Five darf pro Spiel immerhin 8,7 Minuten ran, rangiert damit ligaweit jedoch lediglich auf Rang 104.
Diaws Wert
Popovich passt sein Team also den jeweiligen Gegebenheiten an, um auf die, ihm vom Coaching-Pendant gestellten Aufgaben bestmöglich reagieren zu können. Ein zentraler Ansatz trägt dabei einen Namen - und noch dazu vielleicht ein wenig zu viel Gewicht mit sich herum. Boris Diaw war während der Playoffs so etwas wie die Konstante im Spiel der Spurs. Einerseits war der Franzose einfach konstant gut - gerade in den Finals - andererseits war er essentiell wichtig für das gute Ballmovement San Antonios.
Dass Diaw für einen Big Men herausragende Passfähigkeiten besitzt, ist auch ohne Statistik-Blick offensichtlich. Die Zahlen wissen dies jedoch zu untermauern. So ist der Forward stolzes Mitglied der sechs effektivsten Lineups der Spurs. Steht Diaw auf dem Court, legt San Antonio auf 100 Possessions gerechnet meist deutlich bessere Effective Field Goal Percentages auf als der jeweilige Gegner. Dazu zählt der Franzose zu den fünf besten Passing-Lineups der Spurs.
Mit seinem unorthodoxen Stil steht Diaw quasi sinnbildlich für den Ansatz der Spurs. Als Secondary-Playmaker auf der Vier stellte der Franzose nicht nur die Miami Heat vor erhebliche Probleme und trug somit immens zum Titel der Spurs bei. Dass Diaw im Schnitt dennoch "nur" 25 Minuten auf dem Court stand, liegt an Pops Experimentierfreude.
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nba.dePassing/Assists: Es gibt kein Team in der NBA, das den Ball derart sehenswert und effektiv bewegt wie der Champion. Punkt. Der Assist ist höchstes Gut in San Antonio. Deshalb überrascht es auch nicht, dass die Spurs die meisten Vorlagen aller Teams lieferten (25,2). Wer nun an Zufall glaubt, dem sei ein Blick auf den ersten Verfolger empfohlen. Der kommt aus Atlanta und wird von Mike Budenholzer trainiert, der zuvor, sicherlich nicht ganz zufällig, jahrelang Gregg Popovich assistierte.
Mehr noch: Wo auch immer die Spurs in Sachen Passing in der Ligaspitze auftauchen, sind auch die Hawks nicht weit - ob nun bei der Assist Ratio (Spurs: 19,1, Rang eins; Hawks: 19, Rang zwei) oder assistierten Punkten (Spurs: 59,4, Rang zwei; Hawks: 59,5; Rang zwei).
Der Zufall dürfte nun also endgültig als Faktor ausgeschlossen sein. San Antonios Vorliebe für den Pass hat System, Popovich'sches System. 330,4 Pässe spielen die Spurs pro Spiel und sind damit ligaweit auf Rang zwei hinter den Charlotte Hornets. Die Bucks auf Rang drei verteilen bereits knapp zehn Zuspiele weniger (320,5).
Ähnlich eindeutig wird es bei einem Blick auf die Secondary Assists, also jene Pässe, die binnen ein bis zwei Sekunden in einen Assist münden. Dort liegen, welch Überraschung, die Spurs im Ligavergleich vorn. Allerdings gemeinsam mit den Clippers (7,2). Anstatt sich auf die Fähigkeiten seiner Individuen zu verlassen, versucht San Antonio also, den Zufall so gut es geht auszuschließen und stets den bestmöglichen Wurf herauszuspielen. Team- statt Heroball!
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nba.deTouches: Dass die Spurs den Ball gern und viel bewegen, ist mittlerweile klar. Dass sie mit 447,7 Touches pro Spiel vergangene Saison auf Rang zwei lagen, ist deshalb nicht wirklich überraschend. Deutlich interessanter wird es jedoch im Front Court. San Antonios Big Men bekommen den Ball insgesamt nämlich 333,6 Mal pro Spiel zugepasst, sollen dann entweder selbst abschließen oder aber die Offense weiter laufen lassen.
Dieser Fakt verdeutlicht erneut, welch wichtige Rolle die großen Jungs im System von Gregg Popovich einnehmen. Dank der Passfähigkeiten eines Boris Diaw, aber auch Tim Duncan und Tiago Splitter erhält San Antonio häufig einen weiteren Playmaker im Post, was die Offense noch reibungsloser fließen und unberechenbarer werden lässt.
So passt es auch in Bild, dass in Sachen Close-Touches (näher als 3,6 Meter am Ring) lediglich die Memphis Grizzlies, ein Team häufiger in Erscheinung treten als der Champion (23,3 Close Touches pro Spiel).
Ähnlich einem Team, das um die beiden klassischen Big Men Marc Gasol und Zach Randolph aufgebaut ist, versuchen die Spurs also, den Ball so oft wie möglich, so nah wie möglich an den Ring zu bringen, um dort hochprozentig abschließen zu können. Die Variante, den Spalding lediglich am Perimeter umherwandern zu lassen fällt meist komplett weg. Schlechte Würfe am Mann damit ebenfalls.
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