Eine Pest in der Defense. Offensiv immer mit dem Auge für den Mitspieler, dazu treffsicher. In den entscheidenden Momenten einfach "clutch", gesegnet mit einem Rainbow-Jumper aus der Mitteldistanz, der kaum zu verteidigen ist. Der geborene Anführer. "Der Ball gehört Clyde", sagt Willis Reed gegenüber Sport. "Er lässt uns einfach ab und zu auch mal mitspielen."
Frazier führt die Knicks 1972 ein zweites Mal in die Finals, diesmal sind die Lakers zu stark. Doch ein Jahr später besiegt man L.A. zum zweiten Mal, mit astreinem Team-Basketball: Alle fünf Starter des Champions machen im Schnitt zwischen 15,6 und 18,6 Punkte. Frazier verbringt in fünf Partien ganze zehn Minuten auf der Bank. Es ist das letzte Meisterstück im Big Apple.
Dressman und Nightlife-Phänomen
Doch die Knicks-Legende ist nicht nur in Basketball-Shorts eine Ikone. In gleichem Maße, wie sein Können auf dem Court zunimmt, freundet er sich auch mit der Stadt und deren Bewohnern an. Und während er sich im Garden nie aus der Ruhe bringen lässt - in seiner ganzen Karriere kassiert er kein einziges technisches Foul! -, lässt er es abseits bald so richtig krachen: "Ich war jeden Abend unterwegs. Ich brauchte keine Küche."
In den wilden 70ern ist sein Borsalino dabei nur der Anfang. Im Team bricht ein regelrechter Wettstreit darüber aus, wer am besten gekleidet ist, doch mit Frazier kann niemand mithalten - er ist der Inbegriff von "cool". Die Jets hatten "Broadway Joe" Namath, die Knicks hatten Clyde.
"Klamotten sind meine einzige Schwäche", gibt er zu. "Ich rauche nicht, trinke nicht, spiele nicht. So geht mein Geld eben für Kleidung drauf." Maßgeschneiderte Anzüge, Pelze, teure Schuhe. "Phil Jackson fragte mich einmal: 'Clyde, wie kannst du nur 50 Dollar für Krokodillederschuhe ausgeben?' Und ich sage: 'Wie kannst du nur 25 Dollar für ein technisches Foul ausgeben?'"
"Vor den Air Jordans gab es den Clyde"
Frazier legt sich einen Rolls Royce zu, Nummernschild: "WCF", das "Clydemobile". Er veröffentlicht ein Buch: "Rockin Steady: A Guide to Basketball and Cool". Irgendwann hat er so viele Fans, dass ihm Puma eine für die damalige Zeit revolutionäre Idee unterbreitet.
"Ich war der erste, der für einen Sneaker geworben hat", bestätigt er. "Andere bekamen Schuhe, aber sie wurden nicht dafür bezahlt." Der "Puma Clyde" wird ein Riesenerfolg: "Alle reden ständig von Air Jordans, aber vor den Air Jordans gab es den Clyde."
Frazier wird zur Marke - obwohl er es nicht drauf anlegt. "Ich bin nie mit einem Haufen Berater im Schlepptau in einen Raum marschiert. Ich war 25, in der großartigsten Stadt auf der Welt, erfolgreich, und hatte einfach eine tolle Zeit."
Walt Frazier: Abgesang in Cleveland
Große Zeiten haben etwas an sich: Jede geht einmal zu Ende. Nach dem zweiten Titel 1973 folgt der langsame Niedergang der Knicks, die Frazier 1977 nach Cleveland abgeben. Für ihn ist es ein Schock. "Ich schätze, dass mein Image irgendwann hinderlich war", verrät er Sports Illustrated.
"Wenn wir gewonnen haben, hieß es 'Frazier ist cool, er zeigt keine Emotionen.' Und als wir dann verloren, sagten alle: 'Schaut euch Frazier an, dem ist alles egal.'" Den Fans ist er nicht egal: Bei seinem ersten Gastauftritt im Garden bekommt er vom Publikum eine drei Minuten lange Standing Ovation - Knickerbocker for life.
Drei Jahre später hängt er seine Puma Clydes an den Nagel, versucht sich als Berater, Investor und zieht sich irgendwann auf seine Ranch auf den Virgin Islands zurück. Erst ein Interview mit Marv Albert 1987, im gleichen Jahr wird er in die Hall of Fame aufgenommen, bringt ihn zu seiner Franchise zurück. Dass man ihn heute als langjährigen, kultigen Co-Kommentator der Knickerbockers kennt, hat allerdings kuriose Gründe.
Die Karrierestatistiken von Walt "Clyde" Frazier
Teams | Saisons | Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% |
Knicks | 10 | 759 / 38,2 | 19,3 | 6,1 | 6,3 | 49,2 |
Cavaliers | 3 | 66 / 29,8 | 14,6 | 3,5 | 3,8 | 46,5 |
Gesamt | 13 | 825 / 37,5 | 18,9 | 5,9 | 6,1 | 49,0 |
"Swishing and Dishing" - die Clydeisms
Denn eigentlich startet seine zweite Karriere im Radio. "Als Co-Kommentator im Radio kommt man kaum zum Zug", so Frazier in einem Interview mit onthemedia.org. "Und wenn ich dann mal länger geredet habe, hat mir mein Kollege einfach das Wort abgeschnitten. Also habe ich mich gelangweilt, und überlegte mir folgendes: Wenn die Knicks zum Beispiel gut gepasst haben und mein Kollege Luft holen musste, warf ich schnell so etwas ein wie 'They're swishing and dishing' ein. Mehr durfte ich ja sowieso nicht sagen."
So entstehen die berühmten "Clydeisms" - kurze Reime, mit denen er das Geschehen auf dem Court zusammenfasst und sich einen Namen beim Publikum macht: "Posting and Toasting", "Stumbling and Bumbling", "Slicing and Dicing". Die Bosse sind anfangs nicht gerade erfreut, doch bei den Fans kommt es an.
Also bleibt Clyde am Ball: "Ich habe mir die New York Times geholt, den 'Kunst und Freizeit'-Teil, in dem die Theaterkritiken standen." Stück für Stück erweitert er sein Vokabular - und findet eine neue große Liebe. "Ich habe einen Haufen Bücher, vollgeschrieben mit Wörtern und Phrasen, die ich immer wieder studiere."
Nicht wegzudenken aus dem Garden
Sein Stil gefällt nicht jedem, doch er ist einzigartig. So sitzt der Mann mit der weichen, schmeichelnden Stimme, aus der man eigentlich immer ein verschmitztes Lächeln herauszuhören meint, seit mehr als zwei Jahrzehnten am Mikrofon, ob nun Radio oder TV, und geht mit seinen Knicks durch Höhen und Tiefen. In dem Garden, in dem seit 1979 seine Rückennummer 10 an der Hallendecke hängt.
Was hält er vom modernen Spiel? "Als ich in die Liga kam, konnten dich deine Gegner im wahrsten Sinne des Wortes herumstoßen, ohne dass ein Foul gepfiffen wurde", grinst er. Durch das verbotene Handchecking sei der Sport flüssiger und runder geworden. Außerdem wäre aufgrund der großzügigen Assist-Vergabe heute ein Triple-Double im Schnitt für ihn drin gewesen. "Swishing and Dishing" eben.
Den extravaganten Kleidungsstil hat er sich übrigens auch im Alter von 75 Jahren bewahrt.
Nur der Borsalino - der hängt im Schrank.