Drazen Petrovic gilt bis heute als einer der besten Shooting Guards aller Zeiten. Er war ein Pionier in der NBA und Superstar in seinem Land. Als er am Höhepunkt seines Schaffens steht, beendet ein tragischer Unfall sein Leben. Doch er bleibt als eine Legende des Sports in Erinnerung.
Dieser Artikel erschien erstmals am 9. November 2014. Alle weiteren Geschichten zu den Legenden der NBA findet Ihr in unserem Archiv.
"Drazen Petrovic ist der beste Shooter, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe." "Besser als Ray Allen?" "Der beste Shooter, den ich je in meinem Leben gesehen habe."
Diese Worte stammen nicht von irgendwem, sondern von keinem Geringeren als Reggie Miller, selbst einer der besten Schützen in der NBA-Geschichte. Er sollte also wissen, wovon er spricht.
Petrovic gilt bis heute als einer der besten Shooting Guards aller Zeiten. Viele fragen sich, wie seine Karriere verlaufen wäre, wenn es am 7. Juni 1993 auf der A9 in der Nähe von Ingolstadt nicht zu diesem tragischen Unfall gekommen wäre, der sein Leben früh beendete.
Alles beginnt in Sibenik
Drazen Petrovic wird am 22. Oktober 1964 in Sibenik geboren und fängt schon von klein auf an, sich mit dem Basketball auseinanderzusetzen. Bei seinem Heimatverein, dem KK Sibenik, in der ersten jugoslawischen Liga, entwickelt er sich rasend schnell, spielt schon mit 15 Jahren gegen viel ältere Profis und in der jugoslawischen Nationalmannschaft.
Dabei zeigen sich schon früh Eigenschaften, die ihn seine ganze Karriere begleiten werden: Harte Arbeit und unermüdlicher Trainingseifer. "In Sibenik hatte er die Schlüssel für die Halle. Um sechs Uhr morgens stand er auf und wollte immer allein trainieren. Er stellte Stühle auf und umdribbelte sie. Jeden Tag hängte er sich an die Tür, weil er größer werden wollte. Ständig sprang er durch das Haus, wollte jeden Tag spielen und besser werden. Er hatte nur Basketball im Kopf", berichtet Petrovic' Mutter von dessen Besessenheit.
Superstar in Kroatien
Doch sein Stammverein ist schon bald zu klein für ihn. Nach einem Jahr Wehrdienst wechselt der Flügelspieler 1985 zu Cibona Zagreb und wird dort endgültig zum Superstar.
In vier Jahren bei Zagreb erreicht er einen Punkteschnitt von 37,7. In einem Spiel schenkt er einem Ligakonkurrenten 112 Zähler ein. Bei seinem ersten Europaligaspiel erzielt er gegen Real Madrid 44 Punkte.
"Der Mozart des Basketballs" wird er bald genannt, weil er sein Spiel genau so zelebriert wie besagter Komponist die Musik. Petrovic führt Cibona zwei Mal zum Europapokal der Landesmeister sowie zu mehreren Meisterschaften und Pokalen auf Landesebene. Mit seinem Siegeswillen wird er zum Idol eines ganzen Landes: "If Drazen can do it, you can do it, too".
Drazen Petrovic erobert Europa
Im Sommer 1988 bildet er mit Dino Radja, Toni Kukoc und Vlade Divac den Kern der Nationalmannschaft, die die Basketballgeschehnisse auf Länderebene auf Jahre hinweg prägen soll. Auch den Mitspielern fällt schon früh die fast manische Besessenheit auf.
Petrovic' Qualitätsmerkmal ist gleichzeitig auch eine Schwäche: Er kann sich niemals ausruhen. "Mit Drazen konnte man nur über Basketball reden. Wenn wir über Musik oder irgendetwas anderes reden wollten, kam er immer wieder auf Basketball zurück. Sein Leben war der Basketball ", erzählt Kukoc über seinen Teamkameraden.
Mit Divac teilt er sich ein Zimmer: "Ich habe noch niemanden gesehen, der so fokussiert war. Wir waren eigentlich wie für einander geschaffen: Er zeigte mir, wie man mit harter Arbeit etwas erreichen konnte und ich konnte ihm zeigen, wie man auch mal relaxt."
gettyNächster Halt: Real Madrid
Bereits 1986 sichern sich die Portland Trail Blazers die Dienste von Petrovic. Für den Shooting Guard geht es aber erst einmal zu den Königlichen nach Madrid. Drazen mutiert direkt zum Leader des Teams. Im legendären Finale der Europapokal der Pokalsieger 1989 schenkt er Saidero Caserta 62 Zähler ein. Gegner und Mitspieler sind oft gleichermaßen verwundert: Kann Petrovic überhaupt daneben werfen?
Auch mit dem Nationalteam sammelt er weiter fleißig Titel. Bei der Europameisterschaft 1989 im eigenen Land spielen er und das Team in einer eigenen Liga. Der Lohn ist die Goldmedaille. In überlegener Manier gewinnen die Jugoslawen das Finale gegen Griechenland. Für Petrovic scheint es nur bergauf zu gehen.
Probleme in Portland
1989 folgt der Schritt in die NBA zu den Trail Blazers. Nun will er auch auf dem neuen Kontinent Erfolge feiern. Petrovic interessiert das Geld nicht, er sucht nur die größtmögliche Herausforderung. Je härter der Wettkampf, desto besser. Damals werden europäische Talente in den USA aber noch misstrauisch beäugt. Der damalige Blazers-Coach Rick Adelman sieht das ähnlich.
Hinter Clyde Drexler und Terry Porter sieht er kaum Spielzeit. Als ein Jahr später auch noch Veteran Danny Ainge zum Team stößt, wird es noch härter. "Es begann die schlimmste Zeit seines Lebens, weil er wusste, dass er mit den Besten mithalten kann", berichtet sein Bruder Alexandrow später.
Sein Konkurrent um den Platz in der Starting Five, Drexler, sieht es ähnlich: "Wir alle wussten, dass er besser war und er mehr Spielzeit verdient hätte." Als Reaktion macht Petrovic das, was er immer macht, wenn er dem Rest der Welt etwas beweisen will: Er trainiert noch mehr, noch härter.
Eine wichtige Stütze zu dieser Zeit wird Divac, der gleichzeitig mit ihm in die NBA kam und bei den Lakers erfolgreich ist. Die beiden telefonieren viel, tauschen sich aus. Der eher introvertierte Kroate muss sich in einem fremden Land an viele neue Dinge gewöhnen und das Schlimmste dabei ist, dass er nicht tun kann, was er liebt.
Zur gleichen Zeit ist sein Heimatland durch politische Unruhen gespalten. Der Jugoslawienkrieg bahnt sich an. Das hindert das Nationalteam nicht daran, in Argentinien die nächste Goldmedaille einzufahren. Im WM-Finale bezwingen sie die Sowjetunion. Der Erfolg spornt ihn an, sich endlich auch in der NBA durchzubeißen. Die Wende folgt mit dem Trade zu den New Jersey Nets. Endlich bekommt er Spielzeit und Vertrauen.
Im zweiten Jahr führt Petrovic die Nets in Sachen Scoring an. Endlich misst er sich Abend für Abend mit den besten Spielern der Welt. New Jersey erreicht die Playoffs. Zwar werden die Nets in Runde eins von den Cleveland Cavaliers gesweept, doch Drazen ist in der NBA angekommen.
1992 erklärt Kroatien seine Unabhängigkeit und der Shooting Guard wird bei den Olympischen Spielen 1992 endgültig zum Nationalhelden. Er führt sein Land zur Silbermedaille. Gegen die USA um Magic, Bird und Co. ist kein Kraut gewachsen, doch Petrovic stemmt sich gegen die Niederlage wie kein Zweiter und steht für die Kroaten sinnbildlich für deren neue Identität, Nationalstolz und Eigenständigkeit.
"Petro for three - got it"
Auch in New Jersey wird Petrovic zum Leader. Die Trainer lernen sogar einige kroatische Sätze auswendig, um Petrovic Anweisungen zu geben. Der häufigste, der zum Einsatz kommt: "Shoot the three." Petrovic sagt selbst einmal: "Wieso soll ich einen langen Zweier nehmen, wenn ich nur einen Schritt zurück machen muss und einen Dreier werfen kann." Er lacht viel häufiger und wirkt entspannter.
Der Kroate punktet fast wie er will. Die Verteidiger verzweifeln an seinem lupenreinen Sprungwurf. Erneut ziehen die Nets in die Playoffs ein, erneut kommt das Aus gegen die Cavaliers. Drazen und die Nets blicken dennoch einer rosigen Zukunft entgegen. Dann folgt die Tragödie.
Im Sommer 1993 ruft die kroatische Nationalmannschaft, die Vorbereitung zur EM steht an. Trainer und Freunde raten ihm ab: Er solle sich erholen. Doch Petrovic will spielen. Sein Ehrgeiz ist zu groß.
Nach Testspielen in Deutschland fliegt das Team von Frankfurt aus zurück nach Kroatien. Drazen entscheidet sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin und einer Freundin der beiden, mit dem Auto zu fahren. Seine Freundin sitzt am Steuer, Petrovic ist erschöpft und schläft ein.
Tragischer Tod in Deutschland
Dann passiert der Unfall. Auf regennasser Fahrbahn auf der A9 durchbricht ein LKW die Gegenfahrbahn und crasht in den VW Golf von Petrovic und seinen beiden Begleiterinnen. Der 28-Jährige überlebt den Unfall nicht. Ein ganzes Land verfällt schlagartig in Trauer.
Als der damalige General Manager, der den Shooting Guard einst zu den Nets brachte, Willis Reed, zur Beerdigung nach Zagreb fährt, beschreibt er die unfassbare Stimmung: "Ich denke jeder Kroate weiß, wer Drazen Petrovic war. Wir alle trauern. Ich wusste, dass er berühmt war, aber er war größer als alles, was man sich vorstellen kann."
Der Flügelspieler ist noch heute eine absolute Legende. Sein Trikot hängt unter der Hallendecke im Barclays Center. Jedes Kind in Kroatien will so sein wie er. 2002 wird er in die Basketball Hall of Fame berufen, 2008 zu einem der 50 bedeutendsten Spieler der FIBA gewählt. Beim Three-Point-Contest 2012 trägt Anthony Morrow das Trikot mit der legendären Nummer 3.
In der Dokumentation "Once Brothers" fasst Vlade Divac das Leben, Wirken und die Tragik des Kroaten zusammen: "Alles was Drazen erreicht hat, hat er sich hart erarbeitet. Er war unser großes Vorbild, vor allem, was den Arbeitseifer anging. Er war einer der besten Drei-Punkte-Werfer in Europa und Amerika - bis heute zählt er zu den Besten. Er wollte immer in der besten Liga der Welt spielen und als er es geschafft hatte, endete sein Leben tragisch."
gettyWas wäre wenn?
Petrovic war einer der großen europäischen Pioniere in der NBA. Er öffnete den Weg für Größen wie Peja Stojakovic, Dirk Nowitzki und die Gasol-Brüder. Divac denkt noch heute: "Was hätte noch aus ihm werden können?"
Es ist mühselig, darüber nachzudenken. Vielmehr sollte man sich daran erinnern wie er die Basketballwelt mit seinem einzigartigen Sprungwurf, seiner Übersicht auf dem Feld in den Bann gezogen hat. Oder um es mit den Worten von Divac zu sagen: "Er war dazu geboren, ein Basketballspieler zu sein."
Die NBA-Statistiken von Drazen Petrovic
Saison | Team | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3FG% |
89/90 | Blazers | 77 | 12,6 | 7,6 | 48,5 | 45,9 |
90/91 | Blazers/Nets | 61 | 16,6 | 10,2 | 49,3 | 35,4 |
91/92 | Nets | 82 | 36,9 | 20,6 | 50,8 | 44,4 |
92/93 | Nets | 70 | 38 | 22,3 | 51,8 | 44,9 |