Angedacht war es eigentlich nicht. Und dennoch konnte sich die die NBA-Welt am Draft-Abend 2014 ein Bild von Bojan Bogdanovic machen. Wie immer, nachdem Commissioner Adam Silver einen Spieler zu sich auf die Bühne gebeten hatte, um ihn in der NBA willkommen zu heißen, wurde ein kurzer Highlight-Clip ausgestrahlt. Man konnte zusehen, wie Bogdanovic den Dreier trifft, wie er zum Korb zieht, wie er einen Fadeaway verwandelt. Der Kroate hinterließ, das haben derlei Zusammenschnitte nun mal an sich, einen guten Eindruck.
Nur hatten die Phoenix Suns mit ihrem 27. Pick soeben eben nicht Bojan ausgewählt. Bogdan Bogdanovic machte sich auf den Weg Richtung Podium. Ebenfalls ein mit massig Talent gesegneter Basketballer vom Balkan. Aber eben aus Serbien und nicht aus Kroatien.
Bojan. Bogdan. Bogdan. Bojan. Dazu der gleiche Nachname. Da kann natürlich für Verwirrung sorgen. Dabei trennt die beiden viel mehr als nur zwei Buchstaben im Vornamen. Verwandt sind sie nicht, dazu die unterschiedliche Herkunft. Doch es gibt eben auch Gemeinsamkeiten abseits des Nachnamens. Beide spielen auf dem Flügel. Beide legten, beziehungsweise legen vor dem Abenteuer NBA einen Zwischenstopp in der Türkei ein. Genauer: Bei Fenerbahce Ülker.
Nach starken Leistungen in der Heimat bei Partizan Belgrad wechselte Bogdan Bogdanovic zur neuen Saison zum Team von Coaching-Legende Zeljko Obradovic, trifft nun im Rahmen der Global Games auf Champion San Antonio (Samstag, 18 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) - und wählt damit nahezu exakt denselben Weg wie sein kroatischer Namensvetter drei Jahre zuvor.
Enttäuschungen bei Real
Denn auch Bojan hatte in der Heimat, bei Cibona Zagreb, überzeugt. Auch Bojan wurde deshalb im Draft ausgewählt. Und auch Bojan entschied sich, zunächst zu Fenerbahce zu wechseln, um dort an seinem Spiel zu arbeiten und zusätzliche Erfahrungen zu sammeln. Wahrscheinlich fühlte er sich - wie wohl auch Bogdan - noch nicht bereit für die NBA. Vielleicht hatten Bogdanovic einige Erfahrungen aus den frühen Jahren seiner Karriere geprägt.
2005, er war gerade 16, unterschrieb der Kroate einen Fünfjahresvertrag bei Real Madrid. Aus der beschaulichen Heimat Mostar, wo er seine Karriere bei Zrinjski begonnen hatte, ging es zu einer der größten Adressen in Europa. Angekommen ist Bogdanovic in Madrid allerdings nie. Zunächst wurde er zurück nach Mostar verliehen, spielte dann zwei Jahre für Reals Nachwuchs und wurde anschließend erneut verliehen, nur um nach seiner Rückkehr abermals beim Nachwuchs eingesetzt zu werden.
Erst der Wechsel nach Zagreb, erst starke Leistungen in der Adriatic- und Euroleague ließen Bogdanovic größere Aufmerksamkeit zuteil werden. 2011 wählte Miami den Flügel schließlich an 31. Stelle aus und tradete ihn zu den Timberwolves, welche die Rechte noch am Draft-Abend wiederum an die Nets weitergaben.
Starke WM
Ob derlei Schachereien Bogdanovic damals interessierten, ist schwer zu sagen. Am Ende entschied er sich jedenfalls für einen Wechsel nach Istanbul - und hat damit retrospektiv alles richtig gemacht. In drei Jahren Fenerbahce ist der Kroate gereift, zählt mittlerweile zu den besten Flügeln Europas und untermauerte dies während der WM im Sommer noch einmal eindrucksvoll.
21,2 Punkte erzielte Bogdanovic im Schnitt, war damit gemeinsam mit Andray Blatche zweitbester Scorer des Turniers. Bei der knappen 64:69 Halbfinal-Niederlage gegen Frankreich trug er Kroatien auf seinen Schultern zudem beinahe zum Comeback. 27 Punkte erzielte Bogdanovic gegen den Europameister, traf starke 11 seiner 19 Würfe aus dem Feld. Sein Dreier zum 64:66 schien das Spiel sogar gänzlich zu drehen.
Genug war es am Ende dennoch nicht. Jedenfalls für ein WM-Viertelfinale. Denn Bojan Bogdanovic scheint bereit zu sein für die NBA. Der Meinung sind auch die Brooklyn Nets, die den Flügel mit einem Dreijahresvertrag ausstatteten, der ihm 10 Millionen Dollar einbringen soll. Aus der schillernden Metropole Istanbul geht es nun also in die schillernde Metropole New York. Sicherlich eine einfachere Transformation als damals, als es Bogdanovic von Mostar nach Madrid zog.
Hoher Basketball-IQ und gutes Shooting
Sportlich sind die Voraussetzungen ebenfalls nicht allzu schlecht. "Offensichtlich schätzen wir sein Spiel sehr", erklärte Nets-General-Manager Billy King, als Bogdanovic' Unterschrift publik gemacht wurde, "und wir sind glücklich, dass er nun endlich sein Talent nach Brooklyn bringt."
Sein Talent. Das ist zweifelsfrei vorhanden - und passt noch dazu relativ gut ins derzeitige Anforderungsprofil der Nets. Die entschieden sich im Sommer nämlich, Paul Pierce gen Washington ziehen zu lassen und benötigten deshalb zusätzliches Scoring vom Flügel. Auftritt: Bojan Bogdanovic.
"Er hat einen hohen Basketball-IQ", sagte beispielsweise Joe Johnson nach den ersten Trainingseinheiten mit seinem neuen Teamkollegen. "Er hat ein gutes Gefühl für das Spiel, kann unglaublich gut werfen. Deshalb denke ich, dass er dem Team wirklich helfen wird." Nun wäre es durchaus verwunderlich, würde Johnson Bogdanovic' Qualitäten noch vor den ersten gemeinsamen Auftritten in Frage stellen, doch die Euphorie des Swingman ist im Kern durchaus berechtigt.
Schließlich gehört Verständnis für das Spiel in den Balkan-Staaten einerseits beinahe zur DNA. Andererseits kann Bogdanovic - frei nach Dirk Nowitzki - tatsächlich "relativ gut einen Ball in ein Körbchen reinschmeißen." Zwar traf der Kroate vergangene Saison für Fener lediglich 29,1 Prozent seiner Dreier, in den beiden Jahren zuvor waren es jedoch 41,1 respektive 40,5 Prozent.
Vielseitiges Offensivarsenal
Dazu versteht es Bogdanovic, trotz - gerade auf NBA-Niveau - mangelnder Athletik, sich seinen Wurf zu kreieren. Ein Pump-Fake hier, ein bisschen Post-up da. Dazu Step-backs oder Jab-Steps. Bogdanovic wird seinen Wurf los - und trifft ihn häufig. Das Spiel des Kroaten ist vielseitig, erinnert in Ansätzen sogar ein wenig an Paul Pierce.
Heilsbringer für die Nets ist Bogdanovic dennoch nicht. Dessen ist er sich auch selbst bewusst. "Natürlich wird es nicht leicht", gestand er der "New York Times". "Ich muss mich schon anpassen. Vor allem, da es so viele Spiele sind. Viel mehr als in Europa. Aber ich bin bereit und denke, dass ich sofort helfen kann."
Damit würde sich Bogdanovic dann auch von Mirza Teletovic abheben, der ebenfalls aus Mostar stammt, ebenfalls als europäischer Star nach Brooklyn wechselte, in der ersten Saison kaum spielte und immer wieder als mahnendes Beispiel angeführt wird, sobald von Bogdanovic die Rede ist. Allerdings war die Situation des Bosniers eine andere als jene, die sein neuer Kollege nun vorfindet.
Denn die Nets brauchen Bogdanovic' Qualitäten, die noch dazu vielseitiger sind als die von Teletovic. Während sich letzterer größtenteils auf seine Qualitäten als Schütze verlässt, weiß der Kroate auch anders zu scoren. "Ich mag Bojan. Er ist ein Basketballer, nicht nur ein Shooter", sagt deshalb Coach Lionel Hollins. "Ich sehe ihn als Shooting Guard."
Chancen als Shooting Guard?
Und genau diese Sichtweise könnte Bogdanovic zugutekommen. Denn potentiell besitzen die Nets mit Andrei Kirilenko, Alan Anderson, Teletovic und Sergej Karasev einige Konkurrenz auf der Drei, der eigentlichen Position des Kroaten. Coach Hollins sieht dort allerdings Joe Johnson, was wiederum eine Planstelle auf der Zwei öffnet. Diese können eigentlich nur noch Bogdanovic und Anderson besetzen. Beim Preseason-Auftakt gegen Maccabi Tel Aviv durfte der Kroate deshalb sogar direkt starten.
Spielzeit dürfte Bogdanovic also durchaus erhalten. Ob dann auch allzu viele Würfe abfallen, ist da schon wesentlich fraglicher. Schließlich spielen die Herren Deron Williams, Joe Johnson und Brook Lopez ebenfalls in Brooklyn. Drei Herren, die den Ball häufig in ihren Händen brauchen, um effektiv zu sein. Bogdanovic wird sich also auch hier anpassen müssen, nicht so häufig die bevorzugte Scoring-Option sein wie bei Fener oder in der Nationalmannschaft.
Allerdings bescheinigte Hollins dem Kroaten bereits, sich abseits des Balls sehr gut zu bewegen. Eine Qualität, die Bogdanovic gerade in Hollins Motion-Offense zugutekommen dürfte. Die größten Schwierigkeiten lauern aber wohl ohnehin nicht vorne, sie liegen - wie so häufig bei europäischen Flügeln in der NBA - in der Defense. Mangels Athletik ist auch Bogdanvic nicht der schnellste. Gerade seine laterale Geschwindigkeit ist mehr als ausbaufähig. Möglicherweise muss ihn Hollins defensiv deshalb ein wenig verstecken.
Petrovic als Motivation
Und selbst, wenn er dies zu Beginn häufig auf der Bank tun sollte, so kann sich Bogdanovic immer noch die Karriere eines berühmten Landsmannes vor Augen führen. Denn auch Drazen Petrovic verbrachte seine erste Saison in Portland größtenteils auf der Bank, ehe ihm in New Jersey der Durchbruch gelang. Bei den Nets, wo das Trikot des Kroaten noch heute zu bestaunen ist.
"Dass sein Trikot in der Trainingshalle hängt, hinterlässt Spuren von ihm", sagt Bogdanovic. "Natürlich komme ich in Sachen Talent nicht an ihn heran, ich kann auch nicht spielen wie er. Aber zu diesem Klub zu kommen und das Trikot zu tragen, das auch er trug, nehme ich als Motivation. Dadurch wird ein Traum wahr." Ein Traum, der am Draft-Abend 2014 begann. Moment...