Flyin' Dirk und die Rekordjäger

SPOX
16. Februar 201513:24
Dirk Nowitzki sorgte sportlich und verbal für gute Laune im Madison Square Gardengetty
Werbung
Werbung

Dirk Nowitzki und Tim Duncan machen trotz anfänglicher Bedenken das Beste aus dem All-Star Game, während Russell Westbrook und LeBron James aktiv Rekordjagd betreiben. Carmelo Anthony wird von Ex-Präsident Bill Clinton ausgestochen, während die Gasol-Hermanos ein besonderes Spiel erleben. Rudy Gobert leistet sich einen Twitter-Fauxpas. Ein Rückblick auf das All-Star Game 2015.

SPOX

Attack Attack, Westbrook: Russell Westbrook verschwendete keine Sekunde, die er auf dem Court stand. Der Thunder-Guard attackierte von Beginn an, als wäre er von der Tarantel gestochen - sobald er den Ball bekam, ging es Richtung Korb. Und zwar mit Vollgas.

Etliche krachende Dunks gingen auf Westbrooks Konto, die vielleicht verrückteste Phase lieferte Russ jedoch früh im zweiten Viertel, als er in vier Angriffen in Folge extrem weite Dreier nahm - und drei davon traf. Westbrook wollte jeden Punkt mitnehmen, so schien es. Als müsste er aller Welt zeigen, dass in Wirklichkeit er in die Starting Five gehört hätte.

Nun dürften die meisten Basketballpuristen aufschreien, wenn ein nomineller Point Guard 28 Abschlüsse nimmt und einen einzigen Assist spielt. Das wäre auch sicherlich nicht falsch. Allerdings ist Westbrook eben Westbrook - man liebt ihn oder hasst ihn. Dieses All-Star Game war da nur ein weiterer Mosaikstein eines polarisierenden Gesamtbildes.

Westbrook tut gut daran, über die Diskussionen nicht allzu viel nachzudenken. Schließlich ist es vor allem seine wilde, aggressive Art, die ihn als Spieler so wertvoll macht. Dem pflichtete LeBron James, der zeitweise übrigens ähnlich wild aufzockte wie Westbrook, nachdrücklich bei: "Sei einfach Russell Westbrook. Hör' auf, darüber nachzudenken, was andere über dich denken", riet er seinem Kollegen.

LeBrons Weg an die Spitze: A propos LeBron. 33 Punkte fehlten ihm vor der Partie noch auf den alleinigen Rekord des besten Punktesammlers der ASG-Geschichte. Lange Zeit sah es auch so aus, als würde James die Bestmarke von Kobe Bryant locker knacken, allerdings fehlten am Ende fehlten doch 2 Punkte auf dessen 240 - auch weil der König unter anderem 8 Dreier daneben setzte.

Nun braucht man sich aber nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, um vorherzusagen, dass der Rekord der Mamba im nächsten Jahr purzeln wird. Viel interessanter ist doch, wer LeBron dann irgendwann ablöst. Kevin Durant wäre da ein Kandidat, immerhin hat er bisher den höchsten Karriereschnitt beim All-Star Game (26 pro Spiel).

Am Sonntag konnte KD seinen Punktestand allerdings nur um 3 Zähler ausbauen. Fünf von sechs Würfen setzte der MVP daneben, insgesamt spielte er bloß knapp zehn Minuten und damit sogar weniger als Dirk. Nicht die beste Vorstellung der Durantula.

Clinton sticht Melo aus: Normalerweise bekommt der Hometown-Hero bei jedem All-Star Game ja den größten Applaus - in diesem Fall gebührte die Ehre jedoch Bill Clinton. Das hat einerseits mit der großen Beliebtheit des Ex-Präsidenten in den USA zu tun, aber wohl auch mit dem Zustand der gebeutelten Knicks.

Immerhin gab es noch nie einen Gastgeber, der mit einer schlechteren Siegquote (0,189) ins Spiel der Besten ging. Im Vorfeld der Partie war daher spekuliert worden, dass Carmelo Anthony das gesamte Wochenende zum Rekrutieren möglicher Stars nutzen würde.

Wie erfolgreich seine Gespräche verliefen, ist nicht überliefert, spielerisch wird er mit seiner Leistung aber kaum Reize gesetzt haben (6/20 FG). Anthony wirkte nicht wirklich fit und setzte etliche weit offene Würfe daneben. Nicht optimal, sollte dies tatsächlich das letzte Spiel von Melo in dieser Saison gewesen sein.

Neues vom Stifle Tower: Mit seinem Auftritt bei der Rising Stars Challenge hatte Rudy Gobert mit Nachdruck auf sich aufmerksam gemacht und sein Potenzial angedeutet. Beim Spiel der Großen war der "Stifle Tower" zwar nicht direkt dabei, irgendwie aber schon - denn Gobert ließ während der Halbzeitshow den Tweet des Tages ab.

Für die musikalische Unterhaltung sorgte dort bekanntlich Ariana Grande, ihres Zeichens 1,53 Meter groß und von der Statur her sehr zierlich gebaut. Als die Sängerin dann während ihres Medleys die keineswegs zierliche Nicki Minaj auf die Bühne holte und mit der Rapperin tanzte, ließ Gobert per Twitter verlauten, dass Grande dieses "Arsch-Duell" lieber nicht eingehen solle - sie habe doch keine Chance...

(Mittlerweile hat er den Tweet übrigens gelöscht)

Brother Love auf Spanisch: Schon mit ihren Nominierungen hatten sie Geschichte geschrieben. Als der Moment dann letztendlich da war, wirkten Marc und Pau Gasol dennoch überwältigt. Bei der Vorstellung gab es eine empathische Umarmung, dann ging es zum Tip-Off - den der ältere Pau für sich entschied.

Auch danach gab es häufig das direkte Duell der Gasol-Hermanos zu sehen. Pau hatte mit 10 Punkten und 12 Rebounds leichte Vorteile gegenüber Marc (6 Punkte, 10 Rebounds). Allerdings stand der Wettkampf in diesem Fall nicht im Vordergrund. "Die Emotionen waren überwältigend", gab Pau nach dem Spiel zu. "Es war ein ganz besonderes Spiel für uns. Schwer zu glauben, dass das wirklich passiert ist."

Seite 1: LeBron, Russ, Melo und der Stifle Tower

Seite 2: Hawk-Mania und der fliegende Dirk

SPOX

Oldies but Goldies: Mit Dirk Nowitzki und Tim Duncan waren zwei legitime Oldies für den Westen dabei - und beiden war zu Beginn anzumerken, dass sie auch nichts gegen eine Pause gehabt hätten. Speziell Duncan wirkte, als beneide er seinen Coach Gregg Popovich, der während des Spiels vermutlich an einem Kamin saß, in einem schönen Buch schmökerte und dabei ein Glas trockenen Rotwein trank.

Steve Kerr allerdings zeigte kein Mitleid. Während der Partie machte er sich über Duncan lustig und weigerte sich, Nowitzki frühzeitig freizugeben. Uns Dirk musste haarsträubende 12 Minuten ran, Duncan schleppte sich sogar unfassbare 15:14 Minuten über den Court. Erbarmungslos!

Wie gut, dass beide trotzdem in das Highlight des Abends involviert waren. Als Nowitzki einen Alley-Oop-Pass von Stephen Curry verwertete und im Anschluss in Vince-Carter-Manier abfeierte, lachte sich nicht nur der Passgeber schlapp - die beste Reaktion zeigte Duncan, der auf der Bank ein Gesicht machte, als hätte ihm jemand seinen Bank Shot weggenommen.

Dirk reagierte wiederum völlig entspannt und machte auch nach der Partie noch Scherze. "Sowas mache ich halt", entgegnete er auf die Frage eines Reporters. Zur Info: Den letzten Alley-Oop hat Dirk am 3. Januar verwertet - 2004! Aber manchmal läuft es eben. Beim Aufwärmen hatte Nowitzki einen Shooting Contest gegen Durant gewonnen, wie er Earl Sneed verriet: "Da wusste ich, dass heute mein Abend sein würde. Da wusste ich, dass ich das Anspiel verwerten könnte." Na dann!

Hawk-Mania im MSG: Der Osten war bekanntlich ziemlich Atlanta-lastig unterwegs - vier Spieler sowie Coach Mike Budenholzer schickten die Hawks nach New York. Und Coach Bud ließ tatsächlich mehrfach alle vier gleichzeitig auf den Court, wahlweise mit LeBron, Kyrie Irving oder Jimmy Butler als fünftem Mann.

Witzig war, dass diese Lineups im Gegensatz zu allen anderen mehrfach sogar richtige Plays liefen. Die allermeisten davon endeten mit dem derzeit vielleicht hochprozentigsten Wurf im Basketball - einem Dreier für Kyle Korver. Bei so viel unorganisiertem und wildem Basketball war das zwischenzeitlich eine willkommene Abwechslung.

Die Dominanz der Point Guards: Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Eins derzeit die am tiefsten besetzte Position in der NBA ist. Dennoch ist es immer wieder faszinierend, was für Ausnahmekönner sich dort finden und wie verschieden sie sind. Allein im Westen war die Auswahl an Point Guards schier atemberaubend.

Da war Westbrook mit seinem irren Scoring. Da war Chris Paul mit seinem Playmaking (15 Assists), dem Scoring in der Crunchtime sowie überraschend guter Defense gegen LeBron. Und dann Stephen Curry, der zwar aus der Distanz eher harmlos war (3/10 3FG), dafür aber mit einigen Pässen und Dribblings die Zuschauer aus den Sitzen riss. Und Damian Lillard war ja auch noch da...

Wie soll man sich da für einen Floor General entscheiden? Überhaupt nicht! Das dachte sich zumindest Kerr, der über weite Strecken des Spiels - unter anderem in der Schlussphase - mit drei nominellen Point Guards spielen ließ. Wohl dem, der so eine Auswahl hat.

Pace, Pace, Pace: Zugegeben, so richtig ruhig geht es beim ASG nie zu. Das Spektakel steht schließlich im Vordergrund, wenn nicht gerade Al Horford zum Midrange-Jumper ansetzt. Das Tempo am Sonntag war dann aber doch noch einmal eine besondere Nummer.

Nicht nur wurde der kombinierte Punkte-Rekord aus dem letzten Jahr ausgebaut (von 318 auf 321), es purzelten auch noch diverse andere Bestmarken, vor allem im Bereich Dreier. Unter anderem ließen beide Teams zusammen unglaubliche 133 Triples fliegen - hoffentlich hat Dreier-Hasser Byron Scott das Spiel nicht gesehen!

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn mehr Spieler so effizient genetzt hätten wie LaMarcus Aldridge (4/4 3FG). Auch so wurde jedoch schwindelerregend viel gepunktet. 83:82 ist bei Spielen mit Beteiligung von Indiana oder Charlotte gerne mal der Endstand, in dieser Partie ging man mit dem Spielstand in die Halbzeit-Pause.

Seite 1: LeBron, Russ, Melo und der Stifle Tower

Seite 2: Hawk-Mania und der fliegende Dirk

Der Spielplan im Überblick