Sieben Jahre. Eine gar nicht mal so lange Zeit, sagen die einen, eine halbe Ewigkeit sagen die anderen. Sieben Jahre ist es her, dass sich die Boston Celtics und die Los Angeles Lakers eine denkwürdige Finalschlacht lieferten, in der die Kelten die Oberhand behielten und Championship Nummer 17 nach Beantown holten.
Möglich war all das, weil die Celtics vor der Spielzeit dank ihrer stolzen Tradition und cleverer Transferpolitik (sowie freundlicher Hilfe vom damaligen Timberwolves-GM und Celtics-Legende Kevin McHale) mit Kevin Garnett und Ray Allen zwei große Namen verpflichtet hatten. Sieben Jahre ist das nun her, der Höhepunkt der "Big Three". In der besten Basketballliga eine verdammt lange Zeit.
Die NBA-Welt hat sich verändert. Das müssen auch die beiden Teams erfahren, die sich 2008 und 2010 noch in den Finals gegenüberstanden. Die großen Haie haben es schwer, namhafte Free Agents unterschreiben traditionell selten in Boston und auch nicht mehr in Los Angeles, nur weil es dort eben die Lakers sind.
Rebuild im Zeitraffer
Während man sich in Kalifornien tapfer uneinsichtig gibt und sich auch in der Free Agency 2015 mal wieder mit jedem Profi, der Rang und Namen hat, traf, um sich fast ausschließlich Absagen einzuholen und sich dann mit 1E-Lösung Roy Hibbert abzugeben, haben die Herrschaften in Grün schon länger die Zeichen der Zeit erkannt.
Bereits seit dem Abgang von Paul Pierce und Kevin Garnett gen Brooklyn im Juni 2013 sowie der beinahe gleichzeitigen Verpflichtung von Rookie-Coach Brad Stevens lautet das Motto in Boston: Rebuild. Doch der Umbau ging so fix voran und trug so schnell Früchte, dass Danny Ainge und Co. sich bislang kaum Gedanken machen konnten, ob sie das nun gut finden sollen oder nicht.
So reichte es in der letzten Saison dank eines homogenen Teams, eines herausragenden Trainers und einer schwachen Eastern Conference sogar schon für die Playoffs. Eine gute Position im Draft? Damit selbstredend verschenkt. Zeit also für großes Risiko in der Offseason, um dem jungen Team einen Superstar an die Seite zu stellen und die Celtics wieder zum Contender zu machen? Mitnichten!
Ein Hauch von Championship
Die Zeiten, in denen sich andere General Manager davor fürchteten, dass ihnen Bostons GM Danny Ainge mal wieder ein weiteres verdrehtes Angebot macht, sind scheinbar vorbei. Es war erstaunlich still rund um die Celtics. LaMarcus Aldridge, DeAndre Jordan oder Marc Gasol, also die großen Namen der Free Agency, verhandelten lieber mit Teams wie den Grizzlies, Mavs oder den Suns. Von der großen Franchise aus Massachusetts war nie die Rede. Dort regierte stattdessen das Understatement.
Mit Jae Crowder und Jonas Jerebko verlängerten zwei Stützen des letzten Jahres zu vernünftigen Konditionen, dazu wurde der zuvor etwas dünne Frontcourt aufgewertet. Aus Kanada kam der beim Publikum in Toronto sehr anerkannte Amir Johnson und unterschrieb für zwei Jahre.
Einen Hauch von Championship schnappten sich die Celtics dann doch noch, indem sie David Lee im Tausch mit Gerald Wallace von den Warriors loseisten. Die Celtics haben keine Probleme damit, Lees circa 13 Millionen in dessen letztem Vertragsjahr zu bezahlen, verdienen doch zehn von derzeit 16 Spielern im Roster weniger als 3,4 Millionen Dollar.
Kein Grund zur Panik
Mit Kelly Olynyk, Jared Sullinger, Lee, Jerebko und Johnson ist die vorherige Schwachstelle Frontcourt nun dick und breit besetzt. Dabei bringt Johnson smarte Defense und Rebounding mit. Champion Lee ist dagegen ein Spieler, der dem Team in der Offensive einen großen Schub geben sollte. Gleichzeitig ist der zugegebenermaßen schon über seinem Zenit agierende Power Forward bereits der größte Name unter den Neuen.
Die scheinbar fehlenden Ambitionen der Celtics, sich einen Superstar zu holen, sie sind verständlich und gleichzeitig trügerisch. Der Wille zur Jagd war auch schon in diesem Jahr da, lediglich die passende Beute hat gefehlt. Für die Playoffs wird es mit dem gezielt verstärkten und höchst entwicklungsfähigen Team (bis auf Lee ist kein Spieler älter als 30) aller Wahrscheinlichkeit auch so reichen.
Mit Marcus Smart, Avery Bradley, Sullinger, Crowder oder Olynyk befinden sich etliche Spieler im Roster, die sich bereits in der Liga etabliert haben, in den Playoffs standen und trotzdem noch immer großes Entwicklungspotenzial besitzen. Eventuell kristallisiert sich aus diesem Kreis auch noch ein neuer Franchise-Player heraus.
Draften, bis der Arzt kommt
Um genau jene Spieler wird Brad Stevens auch sein bislang so erfolgreiches System weiter aufbauen. Zu großen Anpassungen ist er dank der vorsichtigen Kaderpolitik nicht gezwungen. Lee und Johnson, beide als überdurchschnittlich intelligente Spieler bekannt, werden kaum Probleme bei der Eingewöhnung haben. Ihre Uneigennützigkeit gepaart mit reichlich Erfahrung sollte dem jungen Kern nicht nur auf, sondern auch abseits des Feldes helfen.
Zudem stoßen wiederum gleich drei neue Rookies zum Team. Im Draft gelang es nicht, sich weiter vorne zu platzieren, obwohl Danny Ainge öffentlich beteuerte, dass er versucht habe Justice Winslow zu holen, dennoch hatte Boston die große Auswahl und konnte gleich vier Spieler wählen.
Zwar wurde gerade der Pick des relativ unbekannten Point Guards Terry Rozier, der als Spielertyp Sophomore Smart sehr ähnelt, von vielen Seiten kritisch hinterfragt, doch hier sind Experimente ebenso erlaubt wie bei Power Forward Jordan Mickey, der nach einer bärenstarken Summer League mit dem höchstdotierten Kontrakt aller Zeiten für einen Zweitrundrenpick (4 Jahre, 5 Millionen) ausgestattet wurde.
Der Grund für die Experimente liegt im Draft 2016: Im Optimalfall besitzen die Celtics (Brooklyn sei Dank) im nächsten Jahr gleich vier Picks in der ersten und ebenso viele Picks in der zweiten Runde. Die erneute Chance also auf mächtig Talent oder interessante Trade-Szenarien.
Das Gerüst steht
So erscheint es nicht verwunderlich, dass Ainge seine nervösen Finger in der diesjährigen Offseason erstaunlich ruhig hielt. Der Rekordchampion hat seine Hoffnungen auf einen ganz großen Namen noch längst nicht aufgegeben. Auch in diesem Jahr zählten aber erst einmal andere Dinge.
Die Boston Celtics 2015 sind junges, aber dennoch playofferprobtes Team mit ordentlich Platz und Flexibilität unter dem Salary Cap. So stehen mit Isaiah Thomas, Bradley, Crowder, Johnson, Rozier, Mickey, R.J. Hunter und Jerebko lediglich acht Spieler auch 2016 sicher unter Vertrag, nur Johnson bezieht mit 12 Millionen Dollar ein zweistelliges Millionengehalt. Ein ideales Grundgerüst also für die Superstar-Jagd.
Zudem besitzt man den Vorzug eines gerade einmal 38 Jahre jungen Coaches, der einen außerordentlich guten Ruf unter den Spielern genießt, wie Neu-Wizard Jared Dudley kürzlich gegenüber Grantlands Zach Lowe bestätigte. Der darf sich auch in diesem Jahr beweisen. Mit einem eingespielten und jungen Team, was lediglich an einigen wenigen Stellen verbessert wurde, wäre je nach Entwicklung auch ein etwas tieferer Playoff-Run möglich.
Schicksalsjahr 2016?
Was zum Contender fehlt, ist nur noch der Spieler mit dem gewissen Extra. Gutes Geld, gutes Team, guter Coach, gute Franchise. Das alles sind Gründe für Superstars, sich einem neuen Team anzuschließen. Die Voraussetzungen sind also geschaffen.
Eine ähnlich ruhige Offseason wie in diesem Jahr ist von den Celtics deswegen nicht noch einmal zu erwarten. Das machen auch die Worte von Danny Ainge deutlich, der angesichts einer sich anbahnenden Free Agency 2016 um Durant, James und Howard zuletzt betonte: "Ich höre nie damit auf daran zu denken, ob ich satt und zufrieden bin oder nicht. Es ist noch viel Arbeit zu tun."
Also rüsteten die Celtics weiter punktuell auf, ohne sich auf allzu viele lange Verträge festzulegen, weil die Verantwortlichen in Boston wissen, dass die Konkurrenz um die großen Namen stärker geworden ist, dass es mittlerweile mehr Argumente braucht als nur eine stolze Tradition, dass am Ende eben auch immer eine Portion Glück dazugehört, damit der große Hai die kleinen Fische wieder frisst, damit der Jäger seine Beute auch erwischt. Die Offseason 2015 war da nur ein Zwischenschritt.