NBA

Etwas Glück im Unglück

Deron Williams absolvierte insgesamt fünf Saisons für die Brooklyn Nets
© getty

Vor drei Jahren galt Deron Williams den Dallas Mavericks noch als Hauptpreis der Free Agency. Damals entschied sich der Point Guard anders, nun kommt er tatsächlich nach Hause - allerdings als Trostpreis. Die Verpflichtung riecht angesichts der letzten Jahre nach Verzweiflung, ist am Ende aber sinnvoll für Spieler und Team.

Cookie-Einstellungen

Beginnen wir mit einer Gegenüberstellung.

Spieler A von 2005 bis 2011: 18,7 Punkte, 9,9 Assists, 47,1 Prozent FG, ein Trip in die Conference Semifinals, 3 All-NBA Teams, Rookie of the Year.

Spieler B von 2005 bis 2011: 17,3 Punkte, 9,1 Assists, 46,6 Prozent FG, ein Trip in die Conference Finals, zwei Trips in die Conference Semifinals, 2 All-NBA Teams.

Ziemlich nah beieinander, richtig? Individuell würde man Spieler A leicht im Vorteil sehen, den Team-Erfolg sieht man allerdings bei Spieler B. Spieler B hört auf den Namen Deron Williams, Spieler A ist ein gewisser Chris Paul.

Es scheint heute eine Ewigkeit her zu sein, aber die Debatte "D-Will oder CP3" wurde über Jahre durchaus geführt, zumal die Trajektorie beider Karrieren lange Zeit überaus ähnlich verlief. Beide kamen 2005 in die Liga, beide wurden von den Point Guard-bedürftigen Hawks zugunsten von Marvin Williams verschmäht. Beide galten nach relativ kurzer Zeit in der NBA als Aushängeschild zweier künftiger Contender.

Und: Beide verließen diese Teams während dem (Williams) beziehungsweise nach dem (Paul) sechsten Jahr. Spätestens hier - das muss man heute so deutlich sagen - ist die Debatte, ja sogar die Vergleichbarkeit der beiden Spieler gestorben.

Alle Entscheidungen der Free Agency im Überblick

Ärger mit Sloan

Im Prinzip sogar vorher, da die Jazz Williams frühzeitig abgaben und die (damals noch) New Orleans Hornets Paul im Leben nicht hätten ziehen lassen, wenn dieser nicht explizit den Wunsch geäußert hätte. Williams wiederum war mit Utahs Trainerlegende Jerry Sloan dermaßen oft aneinander geraten, dass der entnervte Trainer noch während seiner 23. Saison bei den Jazz den Hut nahm.

Danach verliefen die Karrieren beider Spieler fast schon gegensätzlich. Williams wurde in seiner ersten Saison in Brooklyn zwar noch All-Star und galt im Sommer 2012 als einer der wichtigsten Free Agents. Die Mavericks gehörten zu den Teams, die ihn jagten, und machten sich angesichts seiner texanischen Herkunft wohl auch berechtigte Hoffnungen.

Williams entschied sich damals dennoch für Brooklyn. Zunächst wurde Mavs-Besitzer Mark Cuban ausgelacht, weil er das Meeting mit dem Spieler zugunsten einer Aufzeichnung seiner TV-Sendung "Shark Tank" sausen ließ. Nach und nach wurde aber deutlich, dass er den Mavs damit wohl eher einen Gefallen getan hatte. Sinnbildlich entgingen sie einer Kugel, wie Neo in "Matrix".

Noch 43 Millionen offen

Während Paul die Clippers legitimierte (gut, mehr als die zweite Runde kam bisher nicht zustande) und sich den "Best PG alive"-Gürtel sicherte, setzte bei D-Will ein trauriger Trend ein, der letztendlich mit der vorzeitigen Terminierung seines 2012 unterschriebenen Maximalvertrags vor wenigen Tagen endete.

Verständlicherweise: In der letzten Saison verdiente Williams knapp 20 Millionen Dollar, in den nächsten beiden Jahren wären es noch rund 43 weitere Millionen gewesen. Er war nach Paul der Point Guard mit dem zweithöchsten Gehalt, ohne dies auch nur im Geringsten zu rechtfertigen.

Aus dem vermeintlichen Top-2-Guard war ein unterdurchschnittlicher Starter geworden. 13 Punkte und 6,6 Assists im Schnitt sind ordentlich, aber weit weg von seinem Potenzial und früheren Leistungen. Die Wurfquote von knapp 39 Prozent aus dem Feld ist katastrophal für einen, der beispielsweise 2008 noch 50 Prozent getroffen hatte.

"Er will diese Verantwortung nicht"

Die Gründe für seinen Abstieg sind dabei vielfältig. Wie so oft spielten Verletzungen eine Rolle, insbesondere der Knöchel machte ihm immer wieder zu schaffen: 12,8 Spiele verpasste D-Will im Schnitt in den letzten fünf Saisons. Auch die vielen Personal-Wechsel auf und neben dem Court in Brooklyn taten sicher ihr Übriges; Kontinuität steht bei Nets-Besitzer Mikhail Prokhorov weit unten auf der Prioritätenliste.

Der Abstieg hatte aber wohl auch mit Williams' Persönlichkeit zu tun, wie Paul Pierce in einem Interview mit ESPN vor wenigen Wochen andeutete. Pierce kam 2013 nach Brooklyn und hielt Williams für einen MVP-Kandidaten - bis er ihn kennen lernte. "Er will diese Verantwortung nicht", so Pierce. "Der Druck hat ihm sehr zu schaffen gemacht. Es war für ihn das erste Mal im Rampenlicht, und das hat ihn sehr beeinträchtigt."

In der Tat schien es, als hätte sich D-Will in Brooklyn nie so richtig wohl gefühlt. Immer wieder wirkte er, als würde ihn das Geschehen nicht so richtig interessieren, wenngleich sein zweifellos noch vorhandenes Potenzial immer mal durchblitzte. Im Prinzip reicht zur Veranschaulichung ein Blick auf die Playoff-Serie gegen Atlanta vor wenigen Monaten.

Beim Sieg in Spiel 4 machte er 35 Punkte, traf 7 seiner 11 Dreier und verteilte 7 Assists - eine Vintage-Performance der feinsten Sorte. In den Spielen 2, 3 und 5? Kombiniert 10 Punkte und 4 von 23 aus dem Feld, ein potenzieller Game-Winner als Airball. Das ist Deron bei den Nets, auf vier Spiele heruntergebrochen.

Kein Nachtreten von Hollins

Es ist dementsprechend kein Wunder, dass die Nets ihn loswerden wollten, wenngleich Williams sie in den nächsten fünf Jahren wohl noch um die 27 Millionen kosten wird, ohne dafür irgendeine Leistung zu erbringen. Einen Trade-Partner hätten sie nie gefunden, so kann immerhin ein Neustart erfolgen - für Team und Spieler. "Die Beziehung hat ihren Lauf genommen", sagte Nets-Coach Lionel Hollins am Wochenende, ohne Williams irgendwelche Vorwürfe zu machen.

Während Brooklyn einen seiner zwei vermeintlichen Star-Guards (der andere ist Joe Johnson) losgeworden ist und in naher Zukunft mal wieder ohne Luxussteuer auskommen kann, hofft D-Will in seiner Heimat nun auf ein Revival seiner Karriere. Schon nach der kommenden Saison könnte er aus seinem Zweijahresvertrag über 10 Millionen Dollar wieder aussteigen, sollte er sich für mehr empfehlen können.

Darauf hoffen freilich auch die Mavs. Natürlich ist er nicht der Heilsbringer, als der DeAndre Jordan (fälschlicherweise) gesehen wurde - er ist vielmehr ein Trostpreis. Allerdings einer, in den trotz allem recht große Erwartungen gesetzt werden. "Ihr solltet Euch über die Verpflichtung freuen", schrieb Cuban an die Mavs-Fans gerichtet bei Cyber Dust.

Deja-Vu?

Man kann verstehen, dass viele dieser Fans trotzdem nicht so recht sicher sind, was sie von Williams halten sollen. Zumal sie eine Eskapade mit einem als schwierig geltenden Point Guard, der sich in Dallas für einen neuen Vertrag empfehlen wollte, gerade erst hinter sich haben. Williams passt zwar besser in die Mavs-Offense als Rajon Rondo, auch er geriet aber schon mit all seinen Coaches aneinander (Hollins, Sloan, Jason Kidd).

Rick Carlisle versuchte eventuellen Problemen direkt entgegenzuwirken und sagte, es sei "fast zu schön, um wahr zu sein", dass die Mavs D-Will überhaupt bekommen konnten. Das ist fraglos eine Übertreibung; allerdings befinden sich die Mavs in einer Position, bei der die Verpflichtung tatsächlich einer Art Coup gleichkommt.

Zu diesem Zeitpunkt des Sommers bekommt man üblicherweise einfach keine Free Agents mehr, die wirklich einen Unterschied machen können - was die Mavs bei ihrer zunehmend verzweifelten Big-Man-Suche (Ryan Hollins?) derzeit auch merken. Williams könnte jedoch ein solcher Spieler sein, wenn er fit bleibt und seine Effizienz zumindest wieder etwas steigert.

Ein Upgrade auf der Eins

Selbst ohne großen Leistungssprung dürfte er auf der Eins ein Upgrade zu J.J. Barea und Devin Harris darstellen, sein Gehalt ist mit 5 Millionen pro Jahr moderat und könnte von den Mavs in der nächsten Saison zur Not auch als Trade-Chip genutzt werden, wenn er seine Option ziehen sollte.

Den Bock umstoßen wird er für Dallas aber kaum - der Sommer ist unterm Strich immer noch eine Enttäuschung, die Playoffs sind alles andere als wahrscheinlich, sollte Williams nicht auf einmal wieder auf Jazz-Niveau spielen.

Da in Dallas aber niemand tanken will, ist Williams dennoch eine absolut sinnvolle Verpflichtung. Er macht die Mavs wahrscheinlich nicht richtig gut, aber besser. Und wer weiß: Vielleicht hilft "Spieler B" ja bei der geplanten Revanche gegen "Spieler A" und die Clippers.

Deron Williams im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema