NBA

Die inneren Werte zählen

Von Max Marbeiter
Nach 0:3 verkürzten die Bucks in den Playoffs gegen Chicago noch auf 2:3
© getty

Milwaukee galt lange als NBA-Diaspora. Free Agents ließen sich kaum einmal von Wisconsin überzeugen. Mittlerweile verfolgen die Bucks um Coach Jason Kidd jedoch einen Plan, der Greg Monroe Milwaukee sogar Los Angeles und New York vorziehen ließ.

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Oft ist die Optik entscheidend. Gefällt mir etwas? Spricht es mich an? Besteht etwas oder jemand den Eye-Test, ist die erste Hürde schon mal genommen. Auch in Beziehungsfragen. Natürlich spielt ein jeder auf die inneren Werte an, sinniert er über seinen Traumpartner. Passt die Optik nicht, kann das Innere allerdings noch so verlockend sein, am Ende kommt man unter Umständen dennoch ins Grübeln.

Alle Entscheidungen der Free Agency im Überblick

Ähnlich verhält es sich bei der Wahl des optimalen Teams. Diverse Faktoren spielen mit hinein. Auch die Attraktivität. Nicht umsonst werben die Lakers grundsätzlich mit der Attraktivität der Stadt der Engel. Nicht umsonst gelten die Knicks permanent als verlockendes Ziel eines jeden Free Agents - egal, wie schwach sich das Team präsentiert, wie wild das Front Office zuvor auch gehandelt haben mag.

New York und Los Angeles sind eben attraktiv. Die beiden Metropolen bestehen den Eye-Test. Womit sie einen nicht unwesentlichen Vorteil gegenüber, sagen wir, Milwaukee haben. Lange Jahre galt Brew City in etwa als Gegenentwurf zu Tinseltown und dem Big Apple. Klein. Provinziell. Im Winter eiskalt (gut, New Yorker Winter gelten ebenfalls nicht als gerade tropisch). Dazu ein Team, das in der jüngeren Vergangenheit in etwa den Glanz eines Asphaltcourts versprühte. Nach Milwaukee WOLLTE niemand. Es galt als Sibirien der NBA.

L.A.? New York? Milwaukee!

Und nun hat ausgerechnet dieses Milwaukee das große L.A. und den so verlockenden Empire State ausgestochen. Greg Monroe, Big Man mit verbrieften Postscorer-Qualitäten und Free Agent, entschied sich für Wisconsin und gegen die großen Märkte. Er einigte sich mit den Bucks auf einen Dreijahres-Maximalvertrag - und blickte damit unter die oft kalte Oberfläche Milwaukees.

Brew City mag nicht die verlockendste aller Städte sein - wenngleich auch nicht so desolat wie häufig dargestellt -, dafür wissen die Bucks mit inneren Werten zu glänzen. "Ich habe in Milwaukee einfach eine bessere Chance auf Erfolg als anderswo", begründete Monroe seine Entscheidung pro Wisconsin - und hat trotz klassischer Bauchpinselei des neuen Arbeitgebers damit sicherlich nicht ganz Unrecht.

Fünfpunkteplan für die Playoffs

Vor rund einem Jahr noch das schwächste Team der gesamten Association, befolgt man am Lake Michigan mittlerweile nämlich den Fünfpunkteplan einer attraktiv erfolgreichen Franchise. Die Bucks anno 2015 managen ihr Team klug, treffen beim Draft gute Entscheidungen. Sie entwickeln ihre Spieler, nennen einen smarten Coach und dazu intelligente Besitzer ihr eigen. Die Bucks haben zuletzt viel richtig gemacht.

Zugegeben, eine Playoffqualifikation im Osten war vergangene Saison nicht zwingend Ausdruck grenzenloser Qualität, die Art und Weise, mit der Milwaukee die Postseason erreichte, darf dem geneigten Beobachter dennoch guten Gewissens Respekt abnötigen. Weder von schweren Knieverletzungen (Jabari Parker, Kendall Marshall) noch von den Querelen rund um Larry Sanders ließen sich die Bucks aus der Ruhe bringen. Coach Jason Kidd verfolgte in seinem ersten Jahr in Wisconsin einen Plan. Einen erfolgreichen noch dazu.

Zwar mussten die Bucks in den Playoffs zunächst Lehrgeld zahlen, am Ende kamen sie dem Unmöglichen aber so nahe, wie es einem derart unerfahrenen Team wohl möglich ist. 0:3 lagen sie gegen die Bulls zurück, nur um Chicago dank überfallartiger Defense, unglaublichem Druck auf den Ballhandler und unbändigem Einsatz ordentlich aus dem Konzept zu bringen.

Gut, Spiel 6 geriet zum Debakel, doch die Bucks hatten eines relativ deutlich gemacht: Die Playoff-Qualifikation war weder Produkt unglaublichen Glücks noch dem Zufall geschuldet. Milwaukee hat einen Weg beschritten, der vielversprechend anmutet, geradlinig wirkt - und den Greg Monroe nun deutlich vereinfachen dürfte.

Monroe: Kein Heilsbringer, aber...

Um etwaigen Missverständnissen direkt vorzubeugen: Monroe ist keinesfalls ein Heilsbringer, der Milwaukee ohne Umwege vom Erstrundenaus in Richtung Finals katapultiert. Der ehemalige Piston ist lediglich ein Puzzlestück. Dafür eines, das optimal ins ehemalige Sibirien zu passen scheint. Denn Monroes Stärken liegen exakt dort, wo vergangene Saison der Bucks größte Schwäche zu finden war.

Defensive war Milwaukee über jeden Zweifel erhaben, ließ während der Regular Season pro 100 Possessions lediglich 99,3 Punkte zu und reihte sich Association-weit damit direkt hinter Champion Golden State auf Rang zwei ein. In den Playoffs stieg das Defensive Rating zwar auf 101 Punkte, was allerdings immer noch für Rang sechs gut war und verdeutlichte, dass die Bucks gut beraten waren, offensiv anzusetzen.

Auftritt: Greg Monroe. Der Big Man gibt den Bucks endlich etwas, das ihnen allerspätestens nach Parkers Kreuzbandriss abgegangen war. Einen verlässlichen Scorer. Zu oft endeten Angriffe der Bucks in gut verteidigten Würfen, zu oft musste erst getestet werden, welche der diversen Waffen gerade am heißesten war, zu selten gab es diese eine, klare Option, die beständig Punkte garantierte.

Und genau eine solche vermag Monroe zu liefern. Des Big Mans Hoheitsgebiet ist die Zone. Dort, maximal drei Meter vom Korb entfernt, nimmt "Moose" 92,5 Prozent seiner Würfe, von denen er knapp 51 Prozent trifft. Dort ist er angesichts seiner Masse und Kraft, dank seiner Explosivität mit dem Rücken zum Korb mitunter kaum zu verteidigen. Auf 15,9 Punkte kam Monroe so vergangene Saison.

Exitstrategie und Rebounding

Der Neuzugang beschert den Bucks also eine Art Exitstrategie. Läuft es nicht, gibt man den Ball in den Post und lässt Monroe an die Arbeit gehen. Zumal er als fähiger Passer aus dem Post heraus oder vom Ellbow gilt und Double-Teams somit durchaus zu bestrafen weiß.

Doch damit nicht genug. Statistisch gesehen zählte Monroe vergangene Saison zu den zehn besten Power Forwards der Liga, wenn es um den defensiven Rebound ging (25,1 Defensive Rebound Rate), die Bucks wiederum zu den sieben schwächsten Teams (73,3 Defensive Rebound Rate).

Es bleibt also dabei: Die Stärke des einen ist die Schwäche des anderen. Auch umgekehrt. Denn wo die Bucks das Verteidigen mitunter zur viel- und vor allem langgliedrigen Kunstform erheben, zeichnete sich Monroes Defense in der Vergangenheit eher durch schlecht getimte Reaches in Passwege, durch langsame Recoveries und an Taumeln erinnernde Fußarbeit aus.

Seite 1: Kein Heilsbringer, aber Exitstrategie

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