Mal wieder baggerten die Los Angeles Lakers in der Offseason an allem, was Rang und Namen hat. Mal wieder erhielten sie nur Absagen. Stattdessen holte man einen Center nach L.A., dessen persönliche Geschichte erstaunliche Parallelen zum Leid der Lakers aufweist.
"Absolut!"
Als Kobe Bryant darauf angesprochen wurde, ob für seine Los Angeles Lakers in der kommenden Saison die Playoffs möglich wären, folgte prompt die selbstbewusste Antwort, für die der 36-Jährige einige müde Lächler erhielt. Playoffs im Staples Center? Die werden wohl nur die Anhänger des einst so kleinen Rivalen miterleben. So die einhellige Überzeugung der Kritiker.
Dass die Lakers in der kommenden Spielzeit schon eine extra große Portion Glück brauchen, mit einem deutlichen Entwicklungssprung einiger Spieler einhergehend, und einem fitten Kobe Bryant, ist kein großes Geheimnis. Sonst landet man wieder am unteren Ende der bärenstarken Western Conference.
Doch was soll Bryant auch schon sagen? "Wir sind ein Lottery-Team, keine Frage" oder "Die Lakers sind so weit von einem Titel entfernt wie selten in der Franchise-Geschichte" wären vielleicht ehrlichere Antworten. Doch es sind Antworten, die niemand in Los Angeles hören will, die dem Stolz der purpur-goldenen Franchise widersprechen, die dem Anspruch ihres Franchise-Players zuwider sind.
"Einfach nichts Besonderes"
Die Realität ist eine andere. Mit der Empfehlung der schlechtesten Saison der traditionsreichen Franchise-Geschichte, welche ihren Ausdruck in kümmerlichen 21 Siegen fand, sowie einem unausgeglichenen Kader um einen 36-jährigen Star, der verletzungsbedingt in den letzten beiden Saisons gerade einmal ein Viertel aller Spiele bestritten hatte, ging es in die Offseason.
Ein jahrelanger Rebuild ist in L.A. nicht denkbar, schon gar nicht, wenn die Nummer 24 noch auf dem Court steht. Für den 16-fachen Champion gilt das Konzept Win now eigentlich immer. Deshalb lag die oberste Priorität auch mal wieder auf der Verpflichtung eines großen Fisches in der Free Agency.
Doch richtige Begeisterung entfachten die Präsentationen der Lakers bei keinem Spieler. Wie ein verzweifelter Junggeselle baggerte man zunächst ohne Erfolg an den besonders hübschen Frauen (Aldridge, Cousins, Butler), um sich dann doch mit dem vermeintlichen Mittelmaß (Hibbert, Bass, Williams) zufrieden geben zu müssen.
Die harte Realität holte die Lakers ein. LaMarcus Aldridge, der durchaus an einem Engagement in Los Angeles interessiert war, meinte zu seinen zwei Meetings mit Kobe und Co. nur: "Alle denken, dass alles schief gelaufen wäre beim ersten Meeting. Dabei war es relativ simpel. Es war einfach nichts Besonderes. Das erste Treffen lief nicht so wie ich mir das vorgestellt hatte, also bat ich um ein zweites, entschied mich danach aber für eine andere Option."
Ungewohnter Genuss
Nichts Besonderes. Hat Purpur-Gold seine spezielle Aura etwa verloren? Sind die Clippers in Los Angeles mittlerweile erste Wahl? Bei den Lakers weinte man den vergebenen Chancen jedenfalls nicht lange nach, verpflichtete stattdessen mit dem Trio Roy Hibbert, Lou Williams und Brandon Bass Ersatz, mit dem man glaubt, in dieser Saison angreifen zu können.
Gleichzeitig behielten sich die Lakers aber selbstverständlich durch die Deals die Flexibilität, um auch 2016 wieder kräftig in der Free Agency mitmischen zu können. Also zumindest theoretisch. Hibberts großer Vertrag läuft aus, Bass und Williams unterschrieben zu moderaten Bezügen. Außerdem wurde mit Ed Davis, Jordan Hill, Jeremy Lin und Wayne Ellington ordentlich Ballast abgeworfen.
Zusätzlich kam die stolze Franchise in den ungewohnten Genuss, an zweiter Stelle des NBA Drafts einen Spieler auswählen zu können. Als die Lakers das letzte Mal in ähnlichen Sphären an der Reihe waren, zogen sie 1982 an Position eins einen gewissen James Worthy. Als amtierender NBA-Champ.
Legendenserie: James Worthy - ein Draft und seine Folgen
33 Jahre und acht Meisterschaften später sieht die Lage etwas schlechter aus. Mit Point Guard D'Angelo Russell wählte man aber das Versprechen eines neuen Franchise-Players für die Post-Kobe-Ära.
Bryant als Forward?
Genau jenes Versprechen gilt es in der kommenden Saison neben den anderen verheißungsvollen Draft-Picks Larry Nance Jr. und Anthony Brown, sowie den ebenfalls mit einer Menge Potenzial ausgestatteten Sophomores Jordan Clarkson und Julius Randle weiterzuentwickeln.
Da auch 2016 keinesfalls sicher ist, ob sich ein großer Free Agent für purple and gold entscheidet, wird der Fokus von Coach Byron Scott eben darauf liegen, möglichst viel aus dem Potenzial seiner jungen Spieler zu machen. Der Hauch eines Gedankens an die Playoffs kann sowieso nur dann verschwendet werden, wenn sich eben diese Jungspieler enorm weiterentwickeln.
Scott verfügt nun plötzlich mit Williams, Clarkson, Russell und Bryant über einen dicht gefüllten Backcourt, in dem jeder Spieler viel Spielzeit beansprucht. Im Falle von Clarkson und Russell auch benötigt: So offenbarte der Trainer bereits Gedankenspiele, in welchen die langsamer werdende Black Mamba auf den beiden Forward-Positionen auflaufen soll.
Also ließ der Übungsleiter seine Talente Russell und Clarkson schon während der Summer League häufig Seite an Seite auflaufen. Eine Situation, die Rookie Russell gefiel. "Jordan wirkt wie einer, mit dem man sehr gut zusammenspielen kann. Er ist sehr schnell und drückt aufs Tempo. Das passt gut", betonte der Nummer-zwei-Pick, der selbst noch einige Probleme in der Summer League offenbarte.
Keine Angstattacken bei der Konkurrenz
Scott wies zudem mehrfach darauf hin, dass eines der Hauptziele der Offseason gewesen sei, die Vielseitigkeit im Kader zu stärken. Zumindest das ist gelungen. Im Backcourt tummeln sich sehr unterschiedliche Spielertypen, mit Hibbert besitzt man wieder defensive Präsenz, Bass ist der Prototyp eines vielseitigen Power Forwards.
Dank der Neuzugänge kann Scott auch variieren zwischen einer großen Formation mit Kobe als Shooting Guard und einem extrem kleinen Lineup mit Bryant als Power Forward. Am wahrscheinlichsten ist aber eine Starting Five mit Russell und Clarkson im Backcourt, Bryant als Small Forward sowie Bass und Hibbert auf den großen Positionen.
Zweifellos erregt keine der Formationen große Angstattacken in San Antonio, Oakland, Oklahoma City oder beim Stadtrivalen - konkurrenzfähiger als letztes Jahr sind die Lakers aber definitiv.
General Manager Mitch Kupchack fasst die Lage treffend zusammen: "Die Spieler, die wir geholt haben, sind Veteranen, die hoffentlich direkt abliefern. Vor allen Dingen haben sie aber einen tollen Charakter und können so als Mentoren für unsere jungen Spieler dienen. Wir versuchen so viele Spiele wie möglich zu gewinnen, aber das wird sehr sehr schwer."
spoxDie Hibbert-Parallele
Vom tollen Charakter müssen gerade die Neuzugänge erst einmal etwas zeigen. Lou Williams beispielsweise gilt trotz aller offensiver Brillanz als Spieler, der den Ball nur ungerne abgibt und dafür umso lieber den eigenen Wurf nimmt. Die Mitspieler dürften also schon erzittern vor einem Lineup mit Williams, Nick Young und Kobe Bryant.
Auch Roy Hibbert eilt der Ruf eines nicht ganz leichten Charakters voraus. So ist der Riese zwar ein netter Kerl, grübelt aber zu viel in sich hinein. Gerade vom Center erhofft man sich dennoch einiges. Zur Erinnerung: Vor nicht einmal zwei Jahren war Hibbert auf dem Weg über Jahre hinweg Defensive Player of the Year zu werden, eine der Säulen eines vielversprechenden Pacers-Teams sowie der mit Abstand beste Rim-Protector der Liga. Heute gilt er als Synonym für die alte, langsame NBA.
Es ist ein Schicksal, das sich Hibbert mit seiner neuen Franchise teilt. Vor nicht allzu langer Zeit an der Spitze der NBA, nun als beinahe schon antik wahrgenommen. Sowohl der Center wie auch die Lakers haben die Schnelllebigkeit der Association zu spüren bekommen.
Vor ihnen erstreckt sich wieder ein steiniger Weg nach oben. Die Meinung, dass es nach dieser Offseason wieder für die Playoffs reichen kann, hat Kobe Bryant wohl exklusiv. Dass es neue Hoffnung gibt in LaLa-Land, kann aber kaum bestritten werden.