Der Turm hinter dem Turm

Martin Klotz
02. Oktober 201519:20
Tibor Pleiß hofft, sich hinter dem eindrucksvollen Jazz-Frontcourt zu etablierengetty
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Am Sonntag starten die Utah Jazz gegen die Los Angeles Lakers in die Preseason. Welche Chance hat Tibor Pleiß im starken Frontcourt? Wer ersetzt den langzeitverletzten Dante Exum? Und wer muss sich nach dem Training Camp verabschieden? Der Kader der Jazz in der Analyse.

Point Guards

"Ich werde nicht mit der Einstellung in die neue Saison gehen, dass ich der Starting Pount Guard bin", so Trey Burke: "Ich weiß, dass es ein Kampf sein wird und es einen Wettbewerb geben wird. Aber ich bin ein Competitor, das ist meine Natur."

Burke tut gut daran, das Training Camp genau mit dieser Sichtweise anzugehen. Denn schließlich verlor er nach einem schwachen Jahr seinen Startplatz an Rookie Dante Exum. Der Australier war auch eigentlich für die neue Spielzeit auf der Eins gesetzt, doch bei einem Testspiel für die Nationalmannschaft riss er sich das Kreuzband und fällt voraussichtlich die gesamte Saison aus.

Ein herber Verlust für die Jazz, die nach einer starken zweiten Saisonhälfte in der vollgepackten Western Conference sogar an den Playoffs schnupperten. Grundstein für diese Entwicklung war vor allem die Defense - mit der hat Burke bekanntlich so seine Probleme.

Unter Quin Snyder steht theoretisch jeder Roster-Spot zur Diskussion, Burke muss sich also wirklich reinhängen. Es ist seine zweite - und vermutlich auch letzte - Chance, zu beweisen, dass er das Kaliber eines Starters hat. Vorrangig nicht den Jazz, sondern mehr sich selbst, da No.5-Pick Exum die kommenden Jahre gesetzt sein dürfte. Spielt Burke wieder so wie 14/15, ist ein Trade schon im Februar denkbar.

Tony Jones vom Salt Lake Tribune sagte im Gespräch mit SPOX: "Burke hat auch letztes Jahr nicht nur schlecht gespielt, sondern gezeigt, dass er die Chance, die Verantwortlichen zu überzeugen, verdient hat. Er muss aber seine Defense, seine Wurfquote und vor allem seine Wurfauswahl verbessern."

Seine Konkurrenten haben mit Bryce Cotton und Raul Neto nicht gerade die klangvollsten Namen, sind ihm aber in manchen Belangen überlegen. Während Burke grundsätzlich der beste Shooter des Trios ist, glänzte Neto in der abgelaufenen Saison in der spanischen ACB mit Spielübersicht und guter Verteidigung. Dafür hat er zuletzt seinen eigentlich guten Touch von draußen verloren.

Cotton definiert sich über seine Athletik und hat den anderen ebenfalls klein geratenen Spielmachern damit etwas voraus. Ohne Exums Verletzung wäre das Papier für Cottons Vertrag wohl für Notizen von GM Dennis Lindsey draufgegangen. So erhält der Rookie einen Platz im Kader und sogar eine legitime Chance auf die Rotation.

Point Guards

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Power Forwards

Center und Fazit

Shooting Guards

Er ist wieder da. Alec Burks wurde vergangene Saison schmerzlich vermisst, nachdem er mit einer Schulterverletzung langfristig ausfiel. Die Jobbeschreibung des letztjährigen Starters auf der Zwei ist aber ebenfalls nicht in Stein gemeißelt.

Sophomore Rodney Hood zeigte im Saisonendspurt überraschend gute Leistungen und hat zu Beginn des Camps die gleichen Chancen wie Burks. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Burks das Werfen komplett neu lernen musste.

Zum Glück ist das nicht Burks' einzige Waffe, da er auch beim Drive zum Korb eine gute Figur macht. Hood definiert sich eher über seinen Wurf, daher hängt die Rolle der beiden Zweier auch vom Starting Point Guard ab.

An der Seite von Burke wäre Hood vermutlich nicht so wirkungsvoll wie Burks. Als Catch-and-Shoot-Guy könnte er aber besser von den Pässen Netos profitieren, während sich Burks seinen Wurf auch gern selbst kreiert. Mit dieser Fähigkeit könnte er auch als sechster Mann wertvoll sein.

Eine echte Nummer drei haben die Jazz auf der zweiten Guard-Position nicht. Sollte Hood also wieder Probleme mit dem letzte Saison angeschlagenen Fuß bekommen oder die Schulter von Burks Pausen benötigen, müsste einer der größeren Flügelspieler wie zum Beispiel Millsap auf der Zwei aushelfen.

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Small Forwads

Hier gibt es keine zwei Meinungen. Gordon Hayward ist der unangefochtene Leader des jungen Teams - und das trotz seiner erst 25 Jahre. In der vierten Saison in Serie steigerte er seinen Punkteschnitt um mehr als zwei Zähler und glänzte wie immer mit seiner Vielseitigkeit.

Hayward kam vergangene Saison als nur einer von zehn Spielern der Liga auf mindestens 19 Punkte, 5 Rebounds und 4 Assists. Alle anderen neun Spieler dieser Kategorie waren übrigens All-Stars.

Hinter Hayward fallen Minuten für das Duo Elijah Millsap und Joe Ingles ab. Der kleine Bruder von Paul Millsap machte im Frühjahr mit seinen defensiven Qualitäten auf sich aufmerksam, während Ingles als Schweizer Taschenmesser überall aushalf, wo er benötigt wurde.

Ingles hat Defizite in Sachen Schnelligkeit, Millsap muss dringend an seinem Wurf arbeiten. Eine Trefferquote von 34 Prozent ist für die NBA schlichtweg zu wenig. Und wer ein 3-and-D-Spieler sein will, der sollte auch von Downtown besser treffen (31,1 Prozent). Dennoch haben die beiden gute Chancen, es in den Kader zu schaffen. Für Treveon Graham, J.J. O'Brien und Chris Johnson wird es schwer.

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In Derrick Favors schlummert Talent. Viel Talent. Das erkannte Utah bereits früh und holte ihn als Teil des Deron-Williams-Trades von den Nets an den Großen Salzsee. Inzwischen ist Favors 24 Jahre alt und nach einigen durchwachsenen Saisons überträgt er seine theoretischen Fähigkeiten immer mehr aufs Parkett.

Als Starter auf der Vier ist er gesetzt, die Trade-Gerüchte des Sommers sollten nicht überbewertet werden. Schließlich scheint das Zusammenspiel mit Rudy Gobert, dem Center der Zukunft in Utah, gut zu funktionieren.

In der Offseason hat Favors an seiner Range gearbeitet - keine schlechte Sache bei einem offensiv so rohen Nebenmann wie dem Franzosen. Zudem gefällt er mit seiner Einstellung: "Wir verstehen den Hype, der um uns gemacht wird, aber wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, bevor wir uns als Playoff-Team bezeichnen können."

Um die Plätze auf der Bank streiten sich Rookie Trey Lyles, der in der Summer League einen außerordentlich guten Eindruck hinterließ und Veteran Trevor Booker. Im Prinzip ein Luxus-Problem. Einen Energizer wie Booker, der um jeden Ball kämpft, sich immer voll reinhängt und Überkopf-Tip-Ins mit ablaufender Shotclock verwandelt, kann jedes Team in der Second Unit gebrauchen.

Snyder wird Minuten für beide finden, was aber die Entwicklung von Lottery-Pick Lyles bremsen könnte. Vorteil von Lyles: Er hat für seine Größe ein überragendes Ballhandling und kann sogar als Ballführer im Pick-and-Roll mit einem anderen Big Man eingesetzt werden.

Für Sophomore Grant Jerrett, der im Kanter-Trade von den Thunder kam, und März-Akquisition Jack Cooley wird es angesichts dieser Konkurrenz wohl nicht fürs Team reichen.

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Center

Bei der WM 2014 ging sein Stern auf, die vergangene Saison und auch die EuroBasket 2015 haben seinen Status als Eckpfeiler der Jazz zementiert. Die Rede ist von Rudy Gobert. Der Stifle Tower wird von manchen Beobachtern bereits als All Star 2016 gehandelt. Und das ist keine Spinnerei.

Zahlen gefällig? Stand Gobert auf dem Feld, schloss das gegnerische Team nur 40,4 Prozent seiner Würfe am Ring erfolgreich ab - Bestwert in der Liga. Dazu blockte er mit seinen Krakenarmen in der Saison die zweitmeisten Würfe und griff sich im März durchschnittlich 15 Rebounds pro Spiel.

Bei einem solchen Center, der noch nicht einmal seinen Zenit erreicht hat, gibt es für die Reservisten nicht viel Spielzeit. Wie Favors und Hayward wird Gobert zwischen 32 und 36 Minuten fressen. Bleiben noch maximal 16. Für Tibor Pleiß?

Nicht so schnell. In Jeff Withey haben die Jazz noch vor der Verpflichtung von Pleiß einen Backup-Center für den schmalen Geldbeutel mit zwei Jahren NBA-Erfahrung geholt. Und der wird sicher nicht einfach zur Seite treten und dem deutschen Rookie das Feld überlassen.

Dennoch stehen die Chancen für Pleiß gut, aus dem Training Camp als erste Bankoption hervorzugehen. Die überzeugende EuroBasket, bei der Jazz-Assistant Alex Jensen als Co-Trainer des DBB ständig mit Tibor arbeitete, sollte ihm Auftrieb gegeben haben.

David Locke, Radio-Analyst der Jazz, sagte in seinem Podcast: "Tibor Pleiß ist für mich der wirklich interessante Spieler, den es zu beobachten gilt. Ich glaube, dass er die Skills und das Talent hat, um wertvolle NBA-Minuten zu spielen."

Dennoch merkte Locke an, "die Jazz müssten Tibors Einstellung verändern." Was er damit meint? In den letzten Jahren in Barcelona war Pleiß gezwungen, aufgrund des Spielstils vermehrt unter dem Korb zu agieren. Nun soll er wieder Selbstvertrauen in seinen Wurf aufbauen und nicht nachdenken, sondern einfach abdrücken.

Gelingt das, hat das unbequeme System bei Barca vielleicht im Nachhinein sogar sein Gutes. Denn das vorher äußerst schmale Post-Move-Repertoire von Pleiß umfasst nun immerhin einen soliden Jumphook. Bei seiner Größe und Spannweite ein probates Mittel, zu scoren.

Gegenüber SPOX sagte Jazz-Reporter Tony Jones: "Die Verantwortlichen in Utah sind sehr zufrieden mit dem ersten Eindruck von Pleiß und auch mit seinen Leistungen bei der EuroBasket. Er wird sicherlich die Möglichkeit bekommen, sich als Backup-Center zu beweisen und hat meiner Meinung nach eine gute Chance, sich gegen Withey und Cooley, der auch auf der Fünf agieren kann, durchzusetzen. 15 Minuten auf dem Parkett halte ich für realistisch."

In der Defense hat Pleiß im Vergleich zu Gobert deutliche Defizite, so ist sowohl seine Vor- und Rückwärtsbewegung als auch seine Seitwärts-Mobilität ausbaufähig. Die langen Arme helfen ihm aber, das zu kompensieren, und sollten den einen oder anderen senkrechten Strich in der Block-Kategorie zur Folge haben. Pluspunkt für Pleiß gegenüber Withey ist auch die überragende Freiwurfquote (ACB: 88 Prozent, EuroBasket: 92 Prozent).

Wenn Pleiß zudem seine offenen Dreier versenkt wie beim Workout in Utah (66/90 Treffer), dann gibt es keine Zweifel, wem die Backup-Minuten auf der Fünf gehören. Zumindest, solange Pleiß nicht in Foul Trouble gerät - eines seiner Probleme.

In seinem Interview am Media Day sagte Tibor: "Ich muss mich natürlich noch an dem amerikanischen Basketball anpassen. Beim Trainingsspiel habe ich den Ball gleich zweimal vom Ring geschlagen und alle haben darüber gelacht. Aber ich denke, in ein paar Tagen werde ich das schon verinnerlicht haben."

Wie auch Gobert leidet Pleiß unter der Verletzung von Exum. Beide können ihre Stärken am besten im Pick-and-Roll ausspielen und sind daher auf einen Spielmacher mit Übersicht angewiesen. Pleiß, der vermutlich mit Neto gemeinsam auf dem Court stehen wird, könnte mit dem Brasilianer mehr Freude haben als Gobert mit Burke.

Laut Jones wird aber nicht nur das Pick-and-Roll für Pleiß wichtig: "Er ist ein besserer Shooter als er die letzten Jahre zeigen konnte und bei den Jazz wird er auch im Pick-and-Pop agieren. So wie er den Dreier wirft, kann ich mir gut vorstellen, dass er von draußen für Gefahr sorgen wird. Generell ist es für ihn gut, in Utah gelandet zu sein. Dort wird richtiger Team-Basketball gespielt und auch Tibor wird schon jetzt darin bestärkt, den Wurf zu nehmen, wenn er offen ist."

Fazit

Der Frontcourt ist das Prunkstück der aufstrebenden Utah Jazz, die in der aktuell schwächsten Division der Western Conference erstmals seit vier Jahren wieder die Postseason anpeilen dürfen. Defensiv-Liebhaber Quin Snyder hat bewiesen, dass er die Franchise weiterbringt und um Gobert eine starke Team Defense installiert, in der auch Pleiß wachsen wird.

Der Deutsche 2,16-Meter-Turm muss hinter dem Stifle Tower um jede Minute kämpfen, doch bei der Konkurrenz und seinem Talent sollte er sich den Job als Backup-Center sichern können. Vorausgesetzt, sein Kopf spielt mit.

Die größte Herausforderung erwartet Trey Burke, der nach der Exum-Verletzung die nominell beste Option auf der Eins darstellt. Können die Jazz diese Lücke füllen, sollten sich die anderen Playoff-Anwärter warm anziehen.

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Center und Fazit

Der Kader der Jazz im Überblick