Kevin Durant lässt sich unter den Korb fallen, an ihm klebt Kawhi Leonard. Dann sprintet er Richtung Perimeter. Am Block von Serge Ibaka streift KD den besten Verteidiger der Liga ab, der Pass kommt von Russell Westbrook. Scharf. Genau in die Hände von Durant. Ein Dribbling zum Elbow, dann steigt er hoch. Sein Handgelenk knickt butterweich ab, der Spalding fliegt durch die Luft - nothing but net.
Es das erste Spiel, die erste Minute, der erste Wurf mit zwei gesunden Füßen. 516 Tage hatte Durant mit seinem rechten zu kämpfen gehabt. 516 Tage, in denen er drei Mal unters Messer musste. 516 Tage, in denen alle Comeback-Versuche scheiterten. Nun ist er wieder da.
Zu grün für den Titel
Flashback: Wir schreiben das Jahr 2012. Ein junger Westbrook, ein junger Durant und ein junger James Harden begeistern die Liga mit Tempo-Basketball und spektakulären Plays. Am Ende sind die Thunder zu grün - für den ganz großen Wurf reicht es nicht. In den Finals schicken die Miami Heat um LeBron James OKC mit 4-1 nach Hause.
In einer rückblickend folgenschweren Entscheidung tradet Oklahoma James Harden, den damaligen Sixth Man of the Year, zu den Rockets. Damals war sein Bart zwar noch ein wenig kürzer, doch Harden glaubte an seine Qualität, wollte zum Superstar aufsteigen. Das tat er auch, allerdings in Houston. Man stelle sich nur vor, was die drei MVP-Kandidaten gemeinsam in Oklahoma City hätten erreichen können - ok, genug. Nun kehre man wieder in die Realität zurück.
Die folgenden Saisons wurde Harden schmerzlich vermisst, doch dank des Superstar-Duos blieb OKC ein Contender. Einzig das Verletzungspech hatte etwas dagegen, dass die Thunder ernsthaft in den Titelkampf eingreifen konnten. 2013 war es das Knie von Westbrook, das ihn fast die gesamten Playoffs kostete, im Jahr darauf musste Serge Ibaka zwei wichtige Spiele in den Conference Finals gegen San Antonio pausieren.
Vergangenes Jahr traf es die Thunder gleich mehrfach: Russ fiel zu Beginn 14 Spiele aus, Air Congo flog ab März nicht mehr durch die Lüfte. Und Kevin Durant? Hatte bis dato lediglich 16 von 631 Spielen verpasst. Doch das sollte sich ändern.
Immer Ärger mit Jones
In der Preseason wurde bei KD eine Jones-Fraktur diagnostiziert, ein Bruch des fünften Mittelfußknochens. Keine alltägliche Verletzung, sondern meist eine Ermüdungserscheinung.
"Ich habe jeden Tag des Sommers draußen gespielt, über die letzten fünf oder sechs Jahre", so Durant: "Jetzt schaue ich darauf zurück und denke: 'Mmh, vielleicht ist das der Grund, warum ich nun verletzt bin.' Aber hätte ich es rückblickend anders gemacht? Auf keinen Fall! Ich bereue nichts."
Der Ex-MVP entschied sich für eine Operation und bekam eine Schraube eingesetzt, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Alles schien gut zu laufen. Sieben Wochen später stand Durant wieder auf dem Court - ein üblicher Ausfall-Zeitraum für eine Jones-Fraktur. Doch das war erst der Anfang der Probleme.
Aus dem Tritt
Immer wieder hatte Durantula mit den Folgen der Verletzung zu kämpfen. Neun Spielen in Serie folgten sechs Abende im Anzug an der Seitenlinie. In ungefähr diesem Rhythmus ging es weiter. Man sah KD das Unbehagen deutlich an - einmal wechselte er zweimal in einer Partie den Schuh. Doch nichts half.
Eine Woche nach der All-Star Break gab es dann Gewissheit: Durant musste noch einmal unters Messer. Ein Rückschlag nach dem anderen bewog die Ärzte schließlich dazu, eine neue Schraube in einen der wertvollsten Füße der Liga einzusetzen.
Bekanntes Phänomen
Durant ist aber nicht der erste NBA-Spieler, der sich nach einer Jones-Fraktur mit Komplikationen herumschlagen musste. Gleiches Schicksal erlitt beispielsweise Brook Lopez, der infolge der Verletzung die komplette Saison 2011/2012 verlor.
Er kam zurück, spielte anschließend das beste Jahr seiner Karriere und wurde sogar All Star. Die Verletzung war vergessen - doch dann holten ihn die Probleme wieder ein. Der Nets-Center musste erneut auf den OP-Tisch und verpasste abermals fast eine gesamte Saison. Vergangenes Jahr stand Lopez für 74 Spiele auf dem Parkett und war wieder beschwerdefrei.
"Nie wieder der Alte"
Nicht ganz so gut lief es bei Glen Davis. Auch er musste nach seiner Jones-Fraktur eine neue Schraube eingesetzt bekommen, bevor es aufwärts ging. Später sagte der Power Forward, dass sein Fuß dennoch "wohl nie wieder der Alte" werden würde. Big Baby hat bekanntlich deutlich mehr Speck auf den Hüften als KD, doch ganz ausschließen kann man eine solche Entwicklung auch bei Durant nicht. Zumal es nicht bei zwei Eingriffen bleiben sollte.
Auch mit Durants neuem Implantat wollte sich keine Besserung einstellen, stattdessen entdeckten die Ärzte einen zweiten Riss im Knochen. Die Zeit der Comeback-Versuche war vorbei. Saison-Aus, vier bis sechs Monate Pause - so lautete die Prognose nach dem dritten Besuch bei den Herren mit dem Skalpell Ende März diesen Jahres.
Als neue Therapiemethode wählte KD eine Knochentransplantation. Sie versprach den besten Erfolg, stellte Durant aber auf eine harte Probe. Der MVP bewies trotz der mehrfachen Rückschläge mentale Stärke.