Am Ende des Regenbogens

Oliver Mehring
13. November 201517:12
Bringt Bryant seine Franchise auf den richtigen Weg?getty
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Nach wie vor wirft Kobe Bryant seinen gewaltigen Schatten über das Lakers-Team. Dabei hatte er vor Saisonbeginn noch ganz andere Pläne. Besonders fehlt es in Los Angeles an Geduld mit den neuen Aktien. Immerhin versprechen Russel, Randle & Co. eine große Zukunft und warten nur auf die richtige Führung.

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"Ich bin ein Laker for Life!" Mit dieser Aussage nahm Kobe Bryant vor wenigen Tagen allen Gerüchten den Wind aus den Segeln, wonach der fünfmalige NBA-Champion in diesem Leben noch in einer anderen Bettwäsche schlafen würde als 'Purple and Gold'.

Was im ersten Moment wie eine ehrenhafte Aussage eines verdienten Veteranen klang, könnte auch so manchem Lakers-Fan wie eine traurige Drohung vorgekommen sein, verbunden mit der Frage: Wie lange will Kobe denn überhaupt noch spielen?

"Grey Mamba"

Der Saisonstart des einstigen MVP verdeutlicht den Eindruck, dass man in Sachen Spitzname inzwischen wohl viel eher von einer "Grey Mamba" sprechen muss. Klar, die Würfe werden immer noch selbstbewusst erzwungen, aber neuerdings in trauriger Regelmäßigkeit an den Ring gesetzt, dazu traut sich Kobe kaum noch, Richtung Korb zu ziehen und scheint schon fast Angst vor einer direkten Konfrontation zu haben.

Im Grunde alles kein Problem. Auch vormalige Überflieger werden irgendwann wieder zu Menschen und können im Umkehrschluss mit ihrer Zen-Aura eine neue Generation hungriger Parkett-Krieger auf den harten NBA-Alltag vorbereiten - siehe Kevin Garnett. Oder auch Paul Pierce in Washington, bevor er sich für eine weitere Titel-Jagd bei den Clippers entschied. Bei Mr. 81 stellt sich jedoch ein ernsthaftes Problem, das den Shooting Guard begleitet, seit er in die Liga kam: das große Ego.

Zu schön, um wahr zu sein

So wird man das Gefühl nicht los, als ob es Bryant recht schwer fällt, von seiner alten Rolle abzurücken. Auch wenn Kobe seinen Schnitt weiter zurückgeschraubt hat, nimmt er mit 16,2 Versuchen pro Spiel immer noch die meisten Würfe aller Lakers-Spieler, hat aber gleichzeitig die zweitschlechteste Trefferquote vorzuweisen (32 Prozent). Vielleicht auch, weil er jeden zweiten Wurf von hinter der Dreierlinie abfeuert.

Dabei wird der Großverdiener aber nicht etwa mit einem klugen Pass freigespielt, sondern jeder vierte Spielzug läuft bei ihm über ein typisches Isolation-Play, das durch seine entstandene Zurückhaltung beim Drive leicht auszurechnen ist.

So ist die Punkteausbeute von Kobe unter dem Korb im Vergleich zur Saison 2013/2014 um 50 Prozent gefallen. Außerdem sind die Assistquoten von Vino massiv eingebrochen (16 Prozent Assist Percentage - der schlechteste Wert seit 1998). Dabei sollte diese Spielzeit unter einem ganz anderen Stern stehen.

Russell braucht den Ball

Als Rookie D'Angelo Russell im diesjährigen Draft von den Lakers an Nummer zwei gezogen wurde, war man sich an der Westküste sicher, den kommenden Superstar des Traditionsteams gefunden zu haben. Man überging im Draft sogar Jahlil Okafor, um den Guard, in dem die Lakers-Verantwortlichen einen neuen Magic Johnson sahen, für die Franchise zu gewinnen.

Durch das umfangreiche Scouting war dem Team um General Manager Mitch Kupchak sicherlich klar, dass der balldominante Spielmacher so oft wie möglich den Spalding selbst führen muss. Nur so kann er sein starkes Passspiel aufziehen, regelmäßig Gefahr von außen demonstrieren und lernen, wie man auf dem Court ein Profi-Team führt.

Damit schien Altmeister Bryant im Vorfeld kein Problem zu haben: "Wer auch immer diese Herausforderung annehmen und der Anführer werden will - der Weg ist frei", erklärte er noch vor der Saison.

Kein Jugend forscht in LA

Mittlerweile macht der 37-Jährige Bryant aber wenige Anstalten, sein Spiel tatsächlich anzupassen. Er kommt einfach nicht gänzlich los von der Spielweise, die den zweimaligen Olympiasieger groß gemacht hat.

Womöglich fällt die Umstellung auch deshalb so schwer, weil Bryant mit Spielern wie Nick Young oder Lou Williams die orangefarbene Kugel teilen muss. Die etablierten Guards gelten nicht gerade als Freunde der Ballzirkulation und suchen nur allzu gern selbst den Abschluss. Andererseits muss Kobe gerade dann als Leader vorangehen und die richtige Marschroute vorgeben. Das Ego muss ruhen.

Scott hält sich bedeckt

Für Bryants heißgeliebte Franchise ist es umso wichtiger, dass die zukünftigen Säulen des Teams das richtige Fundament erhalten - selbst wenn KB24 wieder seinen Wurf finden sollte, muss er langsam die Zügel freiwillig aus der Hand geben.

Denn Coach Byron Scott schreckt generell davor zurück, mit der langjährigen Gallionsfigur auf Konfrontationskurs zu gehen. Er lässt Bryant einfach gewähren. Dafür knüpft sich Scott lieber seine neuen Schützlinge vor und übt früh in der Saison öffentlich Kritik: "Ich habe den jungen Spielern schon gesagt, dass ich Geduld haben werde, aber nicht lange."

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Defense als Schlüsselproblem

Besonders die lasche Defense ist dem Lakers-Coach ein Dorn im Auge (im Defensiv-Rating liegt man auf Platz 28). Dazu lässt Scott etwa D'Angelo Russell auch gerne auf der Bank Platz nehmen, sieht aber einen nachhaltigen Effekt in der Maßnahme: "Es geht nicht darum, ihn für ganze Spiele rauszunehmen, aber die Jungs müssen sich einfach schneller verbessern. Spielzeit ist in dieser Liga ein kostbares Gut, das darf man in diesem Alter nicht vergessen."

Dieser Schritt mag sogar seine Berechtigung haben, allerdings hapert es in diesem Fall an der Kommunikation. Im vergangenen Spiel gegen Miami saß der 19-Jährige erneut im vierten Viertel auf der Bank und konnte sich die Ausbootung nicht wirklich erklären: "Ich hab keine Ahnung, warum ich draußen saß", so Russell: "Ich muss herausfinden, was ich falsch gemacht habe, damit ich an mir arbeiten kann." Eine Erklärung von Seiten des Coaches soll es demnach nicht gegeben haben.

Clarkson immer wichtiger

Zumindest einem anderen Guard wird immer mehr Vertrauen geschenkt. Jordan Clarkson darf mittlerweile etwas häufiger den Ball in den eigenen Händen halten und bekommt zusätzlich Minuten auf der Zwei. Der Sophomore wird immer mehr zum Combo-Guard der Zukunft in Hollywood - dementsprechend soll er auch in Sachen Scoring Akzente setzen.

Nur kann er das momentan nicht in der Deutlichkeit, in der es wohl nötig wäre - so ist seine Usage Rat sogar leicht zurückgegangen, obwohl seine Zahlen auf einem guten Weg sind. Schließlich muss sich der Second-Round-Pick von 2014 die Bonus-Minuten mit drei Shooting Guards teilen, die wenig vom Teilen verstehen.

Randle hat freie Bahn

Einzig Quasi-Rookie Julius Randle kann sich unter den heranwachsenden Schlüsselspielern ohne große Einschränkungen austoben. Vielleicht auch, weil ihm Bryant im Froncourt nicht in die Quere kommt - wenn er nicht gerade aufpostet.

Seit der schwerwiegenden Verletzung kommt der gebürtige Texaner Randle auf einen beachtlichen Spielanteil, da er sich häufig durch Offensiv-Rebounds eigene Wurfmöglichkeiten schafft und viel unter dem Korb agiert.

Außerdem ist der No.7-Pick bei den Lakers die gefährlichste Offensiv-Waffe unter den Big Men. Gut, das ist bei Konkurrenz von Roy Hibbert und Brandon Bass auch nicht gerade schwer. Dennoch ist es erstaunlich, wie agil Randle durch die Zone tänzelt. Seine Fußarbeit ermöglicht es ihm, gegnerische Big Men aus dem Dribbling zu attackieren. Eine ziemlich wertvolle Fähigkeit.

Anspruch und Realität

Alles in allem muss sich die Lakers-Nation damit abfinden, dass es im starken Westen dieses Jahr wohl kaum etwas mit den Playoffs zu tun haben wird. Der Start mit einem Sieg aus acht Spielen spiegelt leider die harte Realität wider. Die Entwicklung erfolgsversprechender Personalien sollte ohnehin im Vordergrund stehen. Nur so lässt sich in eine rosige Zukunft blicken.

Zeigt D'Angelo Russell weiterhin ansprechende Leistungen wie gegen Orlando oder Brooklyn, kommt Byron Scott ohnehin nicht um ihn herum. Will er auch gar nicht. Und sollte er auch nicht. Die Lakers müssen sich nur einfach mit ihrer auch diese Saison kleinen Rolle anfreunden. Was darüber hinaus geht, ist Kür. Die Hauptaufgabe aber ist es, das Potenzial der Youngster in die richtigen Bahnen zu lenken.

Rosig ist die Zukunft

Passt die Abstimmung zwischen Russell und Clarkson, dann verfügt L.A. über ein unglaublich talentiertes Backcourt-Duo, das mit Julius Randle von einem Spieler flankiert wird, der alleine aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen bald für ligaweites Zähneklappern sorgen wird. Auch Larry Nance jr. zeigt tolle Ansätze. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die Puzzlestücke endlich zusammenfügen. Und bis auch Hollywood wieder zum Free-Agent-Ziel vergangener Tage wird.

Deshalb will sich Russell von der derzeitigen Situation und dem schwachen Start auch gar nicht erst entmutigen lassen. Der designierte Lakers-Star weiß um den goldenen Pfad, auf dem er und seine Jungs gerade wandern.

Bei der Frage nach sein aktuellen Seelenzustand schoss es wie aus der Pistole aus ihm heraus: "Das Selbstbewusstsein? Das geht durch die Decke - irgendwo Richtung Weltall!" Ganz nach dem Mantra der Grey Mamba, des noch regierenden Königs in der Stadt der Engel.

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