Die Indiana Pacers sahen vor einigen Wochen wie ein solides Playoff-Team aus. Paul George spielte in seiner Comeback-Saison unglaublichen Basketball, fast auf MVP-Niveau. Nach etwas mehr als der Hälfte der Saison zeigt Indys Pfeil nach unten - langsam, aber konstant. Der von PG-13 ebenfalls. Die Baustellen sind so unterschiedlich wie zahlreich.
Es ist keine neuneinhalb Wochen her, da ballerte Paul George die Liga kurz und klein. Etwas mehr als ein Jahr nach seiner Horror-Verletzung wirkte der Pacers-Forward auf dem Court beinahe unbezwingbar und führte sein Team zu einer 12:5-Bilanz. PG-13 war für Minderjährige erstmals wirklich nicht geeignet, galt sogar als legitimer Anwärter auf den zweiten Platz bei der Wahl zum MVP.
2016 brachte Indiana bisher kein Glück. Das Team von Frank Vogel fiel in der umkämpften Eastern Conference Platz um Platz. Dabei verloren die Pacers in den letzten Wochen unter anderem gegen die Milwaukee Bucks, die Washington Wizards, die Denver Nuggets und gleich zweimal gegen die Sacramento Kings.
Das Team steht und fällt mit seinem Starspieler - in diesem Falle eindeutig: fällt. Georges Leistungen brachen ein, vor allem seine Quoten sanken schneller als die Temperaturen in Indianapolis. Doch es stecken weitere Probleme hinter dem Abwärtstrend im Hoosier State.
Viel Lärm um Nichts
Vor der Saison schlug die Meinungsverschiedenheit zwischen George und General Manager Larry Bird hohe Wellen. Nach der Aussage des Stars, er würde lieber weiterhin auf der Drei statt auf der Vier spielen, konterte Bird: "Er trifft hier keine Entscheidungen. Ich werde mich mit Paul George nicht auf eine Diskussion einlassen." Doch das Experiment auf der Vier ist längst Geschichte. Lediglich am Anfang der Saison spielte PG-13 Minuten als Power Forward, zuletzt agierte er wieder in angestammter Position als Swingman.
"Ich bin auf die Drei zurückgekehrt, aber ich bin in der Zeit auf der Vier ein kompletterer Spieler geworden", sagte George in einem Conference Call mit internationalen Medienvertretern: "Ich verstehe das Spacing nun besser und auch, wie man besser mit Big Men zusammenspielt." Schön und gut. Gelitten hat aber sein eigenes Spiel.
Mut ade
George nimmt deutlich öfter gut verteidigte Würfe aus der Isolation und zieht auch spürbar weniger zum Korb. Seit Jahresbeginn trifft er nur noch 40 Prozent seiner Würfe. Das Shooting-Tief raubte ihm einen Teil des Selbstverständnisses, mit dem er zuvor Abend für Abend 30-Punkte-Spiel aufs Parkett gezaubert hatte.
"Zu Anfang der Saison hatte ich keine Zweifel, wenn ich auf dem Court stand. Ich wusste, was ich kann und habe mich wohl gefühlt. Dann ging es etwas bergab und ich dachte immer wieder: 'Du kannst das nicht oder das nicht. Es ist zu viel hiervon oder zu viel davon.' Also musste ich etwas verändern."
Grund für das gesteigerte Unwohlsein ist unter anderem die intensivierte Aufmerksamkeit, die ihm gegnerische Teams zukommen lassen. Klar, George war schon vergangene Saison ein Elite-Scorer, doch der bärenstarke erste Saisonmonat hat jeden anderen Coach den uneingeschränkten Fokus auf PG-13 legen lassen.
Dazu kommt die Erschöpfung. Georges Körper ist noch nicht wieder an die abendliche Belastung gewöhnt, wie er auch selbst sagt: "Ich habe über ein Jahr keinen richtigen Wettbewerb mehr gehabt und ich bin immer noch dabei, mich daran anzupassen", so der 25-Jährige: "Ich versuche, mich durchzukämpfen, aber ich bin etwas müde und die Beine sind schlapp. Aber ich arbeite daran, sie wieder aufzubauen und die Kondition wiederherzustellen."
Schluckauf XXL
Georges Müdigkeit hat Einfluss auf das gesamte Team. Ein offensichtliches Beispiel: weniger Drives, die die Defense kollabieren lassen, ergo weniger offene Wurfchancen für die Mitspieler. Aber Georges Probleme sind längst nicht die einzigen Schwierigkeiten, die Indy aktuell hat. Die Pacers haben mehr als nur Schluckauf.
Das Team von Vogel wirkt momentan nicht wie eine Einheit, angefangen bei den Laufwegen bis hin zum Ball Movement: In Sachen Assists liegt Indiana ligaweit auf dem fünfletzten Platz. Auch in der Crunchtime fehlte zuletzt zu oft die Abstimmung. So gingen enge Spiele wie gegen die Cavs und Hawks verloren - obwohl Indiana die favorisierten Gegner am Rand der Niederlage hatte.
"Wir müssen als Team mehr zusammenfinden. Es schadet uns sehr, dass wir nicht eins sind", sagt Donnie Walsh, ehemaliger President of Basketball Operations und aktueller Front-Office-Berater der Pacers, gegenüber SPOX: "Und wir müssen deutlich mehr körperlichen Einsatz zeigen. Den lassen wir derzeit vermissen."
Roy wer?
Eine Ausnahme ist in dieser Hinsicht Ian Mahinmi, der nach dem Abschied von Roy Hibbert zu den Lakers langsam aber sicher in die Starter-Rolle hineingewachsen ist. Der Franzose ist zwar kein Stats-Riese (8,4 Punkte, 7 Rebounds in 24 Minuten), doch er gibt Indiana eine wichtige Präsenz in der Zone - sowohl offensiv als auch defensiv. In manchen Belangen wie Pick-and-Roll-Verteidigung, Mobilität und Athletik ist er Hibbert bereits überlegen. Und das, ohne sich herumschubsen zu lassen.
"Er ist kräftig genug, um DeMarcus Cousins oder andere Elite-Big-Men vom Korb wegzuhalten" schwärmt Walsh: "Ian ist wirklich gut, vor allem offensiv hat er einen Sprung gemacht. Er ist bald ein Double Double Guy und vor ihm liegt eine vielversprechende Zukunft."
Heilsbringer Turner?
Endlich ist er da. Eine Daumenfraktur hielt Myles Turner lange vom Court fern - nun konnte der 19-Jährige sein Talent unter Beweis stellen und zeigt verheißungsvolle Ansätze. Seit seiner Rückkehr legt der 11. Pick des Drafts in 19 Minuten 11,2 Punkte, 5,4 Rebounds sowie 1,7 Blocks auf.
Gegen Cleveland verhinderte er einen Dunkversuch von LeBron James spektakulär und traf in der Verlängerung zwei wichtige Jumper. Doch er ist eben noch ein Rookie mit allem, was dazu gehört: Bei der Chance auf den Gamewinner vergaß er das von Vogel vorgegebene Play und nahm den Pacers so die Möglichkeit zum Sieg. Den Fauxpas haben ihm die Teamkollegen längst verziehen, doch er ist ein weiterer Beleg für Indianas fehlenden Clutchness.
Das Mojo verlegt
Monta Ellis ist noch immer kein Musterbeispiel an Effizienz, doch mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Im Januar liegen die Quoten der Mississippi Missile sogar knapp über den Statistiken aus der Zeit bei den Dallas Mavericks. Er bewegt sich aber an seiner absoluten Leistungsgrenze.
C.J. Miles hatte nicht unerheblich Anteil am guten Saisonstart, nagelte er doch im November und Dezember reihenweise Dreier rein. Leider verlor der gute Calvin Andre bald darauf sein Mojo - und wenig später den Starting Job. Aus Mangel an Alternativen und aufgrund Georges Flügel-Rückkehr durfte Lavoy Allen schon 21 Mal in dieser Saison beginnen. Sagt das nicht schon alles?
Indianas weitere Reservisten sind entweder verletzt (Rodney Stuckey, Chase Budinger), jenseits von Produktivität (Solomon Hill, Joseph Young) oder tragen lediglich große Namen (Glenn Robinson III, Jordan Hill). Die Second Unit hat große Probleme, den Spalding durch die gegnerische Reuse zu bekommen: 34,2 Bankpunkte reichen ligaweit nur für Platz 20. Dass das Team im Sommer auf mehreren Positionen verändert wurde, hilft dabei nicht wirklich.
Kalender-Konfusion
"Unsere Unerfahrenheit ist sicher ein Faktor", sagt George: "Wir sind schließlich in unserem ersten gemeinsamen Jahr. Wir haben ein paar Kinderkrankheiten, die wir ausmerzen müssen. Und wir lernen noch." Falls PG-13 noch nicht auf den Kalender geschaut haben sollte: Es ist mittlerweile Februar.
Die Systemveränderung hin zur schnelleren Pace offenbart immer noch Abstimmungsprobleme, auch wenn die Defense die viertbeste der Liga ist. Walsh kennt das Problem noch von seiner Arbeit mit Mike D'Antoni und Doug Moe: "Ein Running Team zu sein, ist schwieriger, als es aussieht. Ich habe mich schon im Sommer um die erste Hälfte der Saison gesorgt. Denn bevor die Umsetzung funktioniert, muss man vieles neu erarbeiten. Und das kann eine ganze Weile dauern."
52 von 82 Partien haben die Pacers absolviert, also schon knapp zwei Drittel der Saison. Inoffiziell gelten allerdings erst All-Star Break bzw. Trade-Deadline als Mitte der Spielzeit. Danach werden die Karten neu gemischt.
Mehr als ein Star
Dass George 16 Monate nach seinem schweren Sturz wieder so gut spielt, dass er als Starter in Toronto dabei sein wird, ist bemerkenswert. Doch wenn Indiana im Playoff-Rennen nicht frühzeitig an Boden verlieren will, muss der Star noch mehr leisten. Chemie, Abstimmung, Struktur - das alles hängt zu großen Teilen vom Anführer ab. Als solcher wird George in Indiana mehr denn je gebraucht.
Walsh hat keine Zweifel daran, dass PG-13 diese Anforderungen erfüllen kann: "Mit erst 25 Jahren kommt er zum ersten Mal in eine Situation, wo wirklich viel von ihm abhängt. Und ich denke, dass er bisher gut damit umgeht. Ich erwarte, dass er daran wächst. Am Ende des Jahres wird er kein großartiger Spieler mehr sein. Er wird ein Superstar sein."