NBA

Mehr als ein LeBron-Dilemma

Dennis Schröder (l.) verdiente sich den Respekt von Hawks-Killer LeBron James (r.)
© getty

Die Atlanta Hawks erleiden gegen Cleveland erneut ein Playoff-Aus, das viele Fragen unbeantwortet lässt. Auf das Front Office kommt im Sommer viel Arbeit zu, mehrere Leistungsträger werden Free Agents. Auch in puncto Dennis Schröder muss eine Entscheidung gefällt werden - falls Mike Budenholzer dies in Spiel 4 nicht bereits getan hat.

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Ein viel passenderes Ende hätte diese Hawks-Saison nicht finden können. 10 Sekunden vor Schluss hatte die Defense bei einem 1-Punkt-Rückstand den erhofften Stop bekommen - genauer gesagt hatte LeBron James einen Dreier verfehlt und ausnahmsweise mal kein Cavalier den Offensiv-Rebound geholt. Atlanta hatte noch eine Chance.

Der letzte Angriff lief dann nicht etwa über einen der (ehemaligen) All-Stars. Nicht über Paul Millsap, nicht über Al Horford. Jeff Teague stand nicht einmal auf dem Court. Stattdessen versuchte es sein 22-jähriger Stellvertreter Dennis Schröder, der den Hawks mit 13 Punkten im letzten Viertel (insgesamt 21) überhaupt erst eine Chance verschafft hatte.

Schröder wollte zum Korb, wie er es in den Minuten zuvor immer wieder geschafft hatte. Doch in der Zone formierte sich eine Mauer aus Cavs-Verteidigern, die ihn zum Pass zwangen. Als der Deutsche dies mit 2,8 Sekunden auf der Uhr versuchte, bekam LeBron seine Hand an die Kugel. Jump-Ball, Ballbesitz Cleveland. Viel Spaß im Urlaub, liebe Hawks.

Das gesamte Spiel 4 im Re-Live!

Es musste ja fast so kommen - LeBron könnte nunmehr bei Wikipedia als "Besitzer" der Hawks geführt werden. Seine Playoff-Bilanz gegen Atlanta steht bei 12-0, wie schon im Vorjahr fegte sein Team die Hawks aus der Postseason. Und nun muss man sich fragen, ob diese Inkarnation der Hawks am Sonntag ihre Abschiedsvorstellung gegeben hat.

"Wahrscheinlich fehlt ein wenig Länge"

"Wenn sie den Laden hier zusammenhalten, denke ich, dass wir weiterhin gemeinsam wachsen werden. Wir werden besser werden. Wir werden den nächsten Level erreichen", sagte der enttäuschende Millsap (nur 4 Punkte nach dem ersten Viertel) zwar. Doch der neuerliche Sweep ließ an beiden Aspekten dieser Antwort durchaus Zweifel aufkommen.

Denn wenn Cleveland im Osten der Gold-Standard bleibt, sind bei den Hawks in dieser Besetzung immer noch zu viele Fragen offen. "Wahrscheinlich fehlt uns ein wenig Länge, denke ich", sagte Teague, angesprochen auf die Bedarfspositionen für den Sommer. "Vielleicht auch ein wenig Scoring? Ich weiß es nicht."

Beide Punkte sind kaum von der Hand zu weisen. Die eigentlich so starke Defense war mit den brandheißen Cavs, die in vier Spielen unglaubliche 77 Dreier trafen, völlig überfordert und das lag vor allem an den Größennachteilen: Allein in den Spielen 3 und 4 unterlag der Hawks-Frontcourt im Rebound-Duell mit 32:74, die Offensiv-Rebounds waren wie schon im Vorjahr Gift.

Da ein echter Shotblocker fehlt, rissen James' und Kyrie Irvings Penetrationen immer wieder Lücken. Wenn Millsap, Horford und Co. dann zur Hilfe eilten, ergab sich regelmäßig Platz für die Cavs-Schützen, um weit offene Dreier zu versenken.

Kein Closer - außer Schröder

"Ein wenig Scoring" fehlte ebenfalls, insbesondere in der Crunchtime. Horford und Millsap sind sehr gute Spieler und zu Recht mehrfache All-Stars - Closer sind sie nicht, zumindest nicht regelmäßig. Abgesehen von Spiel 2 führten die Hawks in jedem Spiel der Serie irgendwann im vierten Viertel, für den Sieg reichte es dennoch nie.

Es sprach Bände, dass in diesen Phasen regelmäßig ausgerechnet Schröder die Kohlen aus dem Feuer holen sollte. Im Gegensatz zu seinen hochdekorierten Nebenmännern strahlte er zumindest das nötige Selbstvertrauen aus, auch wenn ihm logischerweise nicht jede Aktion gelingen wollte. Er lieferte immerhin Argumente, warum die Hawks ihn als Teil der langfristigen Zukunft ansehen sollten.

Aufbau-Entscheidung schon getroffen?

Das lässt sich nicht auf jeden seiner Mitspieler übertragen. Teague etwa spielte gegen Cleveland weit unter seinen Möglichkeiten (11,5 Punkte, 34,1 Prozent FG, 26,7 Prozent 3FG) und musste seinem "Vertreter" Schröder in der Crunchtime regelmäßig den Vortritt lassen. Dass ihn Budenholzer auch in Spiel 4 schmoren ließ, als die Saison der Hawks auf dem Spiel stand, dürfte dem 2015er All-Star wohl kaum gepasst haben.

Möglich, dass Coach Bud die Frage, welcher seiner beiden Point Guards die Zukunft Atlantas gestalten soll, für sich bereits geklärt hat. Teague geht in sein letztes Vertragsjahr, für sein moderates Gehalt (8 Millionen Dollar) dürfte sich ohne Probleme ein Abnehmer finden lassen, sollte dies der Plan der Hawks sein. Auch Schröder wird 2017 ja (Restricted) Free Agent, es könnte also der Punkt gekommen sein, an dem man seine Starter-Tauglichkeit auf Herz und Nieren prüfen muss.

Noch etwas dringlicher gestalten sich die Situationen zweier Mitglieder der Starting Five, die bereits in diesem Sommer Unrestricted Free Agents werden und für die es jeweils eine Menge Interessenten geben wird: Kent Bazemore und Horford.

Welcher Preis wird aufgerufen?

Beide würde man - richtigerweise - gerne halten, bei beiden stellt sich aber auch eine Geldfrage. Bazemore wird nie ein Star werden, er hat sich aber zu einem soliden Three-and-D-Spieler gemausert, und diese werden immer wichtiger und beliebter.

"Baze" hat zwar betont, dass ihm Atlanta gut gefällt, er wird im Zweifel aber dem Ruf des Geldes folgen, nachdem er zuletzt mit 2 Millionen Dollar Gehalt krass unterbezahlt war.

Horford dagegen ist ein Star - allerdings kein Superstar, wie diese Postseason erneut gezeigt hat. Zudem wird er im Sommer 30. Insofern wäre die Entscheidung, den Center mit einem Fünf-Jahre-Maximalvertrag über sage und schreibe 146 Millionen Dollar auszustatten, durchaus mit Risiken behaftet. Zumal Horford auch selbst entscheiden könnte, dass er anderswo bessere Chancen auf einen Titel-Run haben könnte.

"Ich will da jetzt nicht drüber nachdenken", sagte er unmittelbar nach der vierten Pleite gegen Cleveland. "Wir haben gerade eine harte Pleite kassiert. Mir geht es jetzt nur darum, mich morgen mit meinem Team und den Coaches zusammenzusetzen und zu überlegen, wie es weiter geht."

Ist das Maximum erreicht?

Es dürften interessante Gespräche werden. Holen die Hawks die beiden Free Agents zu "marktgerechten" Kursen zurück, wird nicht viel Cap-Space für Verstärkungen übrig bleiben - diese sind jedoch bitter nötig, das hat diese Serie gezeigt. Die Hawks bezeichneten sich im Vorfeld selbst als "besseres" Team im Vergleich zum Vorjahr, das Resultat war jedoch exakt das gleiche. Zum zweiten Mal in Folge war Atlanta nicht mehr als eine Fliege, die es auf dem Weg in die Finals wegzuwischen galt.

Budenholzer und Co. müssen sich nun fragen, ob dieser Kern sein Maximum bereits erreicht hat. Das Alter der meisten Leistungsträger, gerade Horford, Millsap (31) und Kyle Korver (35), deutet darauf hin - und in dieser Form wird man LeBron, aber auch anderen aufstrebenden Teams im Osten, auf Dauer kaum gefährlich werden können.

Niemand will in der NBA im Mittelmaß landen. Aktuell sind die Hawks etwas besser als das Mittelmaß, aber geht es auch darüber hinaus - oder müssen grundlegende Änderungen her? Manchmal muss man erst einen Schritt zurück machen, bevor es so richtig nach vorne gehen kann ...

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