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Vergesst mich nicht!

Von Thorben Rybarczik
Harrison Barnes hilft seinem Team auch als vierte Option
© getty

Nach einem vielversprechenden Karriere-Start scheint die Entwicklung von Harrison Barnes zu stagnieren. Seine Zukunft bei den Golden State Warriors ist ungewiss - dabei zeigt der Forward immer wieder, dass er auch als vierte Option extrem wichtig ist. Am Dienstag kann er mit den Dubs den Repeat unter Dach und Fach bringen (3 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE).

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Es gab mal eine Zeit bei den Golden State Warriors, in der sie noch als eines von mehreren jungen, aufstrebenden Teams galten. Von einem möglichen Repeat, der in der Nacht auf Dienstag eingetütet werden könnte, wagte sich in der Bay Area jedoch niemand zu träumen. Aber: Die Zeiten als belächelte graue Maus waren vorbei.

Es begann in den Playoffs 2013, als die jungen Dubs um Stephen Curry erst die favorisierten Nuggets ausschalteten und in den West Semis gegen die Spurs immerhin zwei Siege holten. Die Warriors machten Spaß, die Warriors, so sagte man, haben eine rosige Zukunft vor sich: Schließlich gibt es neben Curry ja diesen Rookie namens Harrison Barnes.

16,1 Punkte (44,4 Prozent FG) sowie 6,4 Rebounds legte der damals 20-Jährige in der besagten Postseason auf. Die Liga staunte nicht schlecht über den siebten Pick der Draft 2012: Der Small Forward spielte wie ein alter Hase, machte kaum Fehler, bestach durch eine Mischung aus Slashing und Shooting und verteidigte nebenbei auch ganz ordentlich.

Die prognostizierte rosige Zukunft der Franchise traf dann bekanntlich ein - allerdings war Barnes nicht unbedingt der Hauptgrund dafür. Stattdessen wurden die Splash Brothers geboren, Andre Iguodala kam als entscheidendes Puzzleteil nach Kalifornien und Draymond Green entwickelte sich aus dem Nichts zu einem der besten Two-Way-Spieler der Liga. Und Barnes? Dessen Entwicklung kam irgendwie nicht in Fahrt.

Ach ja, der ist ja auch noch da

Klar, er ist nach wie vor ein Teil der Starting Five des wahrscheinlichen Back-to-Back-Champions, trotzdem ist Iguodala von der Bank der wichtigere Spieler auf seiner Position. Defensiv verteidigen Iggy, Green oder Klay Thompson die besten Spieler und auch offensiv speilt Barnes nur die vierte Geige. Dennoch: Er ist für den Erfolg seines Teams sehr wichtig.

Wenn er seine Momente hat, heißt es nicht selten: "Ach ja, der ist ja auch noch da." Genauso scheinen hin und wieder auch die Verteidiger der Gegner zu denken, wenn sie den einstigen Tar Heel aus den Augen verlieren. Barnes kann das mit seinem starken Distanzwurf bestrafen und die Big Three der Warriors entscheidend entlasten.

Dies gelang ihm auch beim wichtigen 108:97-Erfolg in Cleveland zur 3-1-Führung in den Finals. Barnes riss 40 Minuten ab und war in wichtigen Momenten zur Stelle. So erzielte er beispielsweise die ersten Punkte des Spiels per Dreier aus der Ecke und legte kurze Zeit später vom selben Spot nach - für ein Shooting-Team ein nicht zu unterschätzendes Erfolgserlebnis zu einem so frühen Zeitpunkt des Spiels.

Keine Egos bei den Dubs

Oder wie wäre es mit einer Sequenz 10 Minuten vor Schluss? Die Cavs waren gerade in Führung gegangen, das Spiel war in der entscheidenden Phase. Dann kam der Ball oben an der Dreierlinie zu Barnes, der von LeBron James verteidigt wurde. In einem "normalen" Play der Dubs hätte er den Ball wohl direkt weiter gepasst - womit auch James rechnete, denn es war ja "nur" Barnes. Sekundenbruchteile später erinnerte er sich dann, dass dieser Barnes ja auch ganz gut werfen kann - doch der Schritt zum Schützen kam viel zu spät. Die Strafe: Ein Dreier ins Gesicht des Königs, der erneute Rückstand im Spiel. Es war der letzte und entscheidende Führugswechsel.

Man könnte teilweise meinen, Harrison Barnes würde mit der Rolle als vierte Option spielen. Als würde er absichtlich minutenlang abtauchen, nur um dann einen seiner wichtigen Nadelstiche zu setzen. Dabei profitiert er von seiner Fähigkeit, die gegnerische Defensiv-Rotation sehr gut lesen zu können und sich in den Räumen zu bewegen, in denen ihm freie Abschlüsse garantiert sind.

40 Prozent davon kommen in den Playoffs aus dem Catch-and-Shoot, 56 Prozent gehen kein eigenes Dribbling voraus. Er beschränkt sich streng auf seine Stärken, womit er perfekt ins Konzept von Steve Kerr passt: "In unserem Team muss sich niemand Sorgen um die Egos einzelner Spieler machen", so der Head Coach vor Spiel 4.

Die Wolke namens Durant

Es stellt sich allerdings die Frage, ob Barnes mit dieser Rolle noch zufrieden ist. Oder ob er meint, dass seine individuelle Entwicklung weiterhin stagnieren wird, wenn er nicht mehr Verantwortung übernimmt. Letzteres dürfte im Warriors-Roster schwierig werden: Er genießt einfach nicht die Narrenfreiheit eines Steph Currys oder die Lizenz zum Dauer-Schießen eines Thompsons. Auch die Playmaking-Skills eines Greens kann er nicht sein Eigen nennen - bleibt also die Rolle als vierte Option.

Im September 2015 lehnte er eine 64 Millionen Dollar schwere Vertragsverlängerung über vier Jahre ab, womit er im Sommer Restricted Free Agent wird. Die Zukunft scheint ungewiss - was nicht zuletzt daran liegt, dass sich die Gerüchte um das Bemühen der Franchise um Kevin Durant nicht zerschlagen wollen.

Dubs-GM Bob Myers und Besitzer Joe Lacob sind zwar grundsätzlich der Meinung, dass man ein so hervorragendes Team nicht auseinanderreißen sollte. Wenn der begehrteste Free Agent des Jahres aber einem Wechsel tatsächlich nicht abgeneigt scheint, wäre es grob fahrlässig, diese Option auszuschließen. In diesem Fall wäre für Barnes kein Platz mehr, der noch vor ein paar Tagen betonte, dass er es in Golden State liebt und dass Geld bei seiner Entscheidungsfindung keine Rolle spielen würde.

Mögliche Green-Sperre als Chance?

Dass er das Angebot der Franchise im vergangenen Herbst abgelehnt hatte, scheint also sportliche Gründe zu haben. Die Optionen eines Wechsels zu einem Team, bei dem er mehr Verantwortung bekommen würde, wird er also ziemlich sicher abwägen. Zwar haben die Warriors das Recht, jedes Angebot für Barnes zu matchen - würden diesem, wenn er gerne für eine größere Rolle wechseln möchte, wohl aber keine Steine in den Weg legen. Auch ein Sign-and-Trade gilt als mögliches Szenario.

Vielleicht hat er schon in Spiel 5 der Finals die Chance, zu beweisen, dass er für Höheres berufen ist. Sollte Green tatsächlich gesperrt werden, fiele für Barnes zumindest offensiv eine größere Rolle ab. Dass er in der Lage ist, auch selber zu kreieren, hat er schon häufiger bewiesen. Nutzt er die Chance und trägt seinen Teil zum Repeat bei, heißt es künftig vielleicht nicht mehr nur "ach ja, der ist ja auch noch da."

Stattdessen würde er die Entscheidung der Warriors, ob er wirklich verzichtbar ist, noch viel schwerer machen.

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