So ganz schien der Spielzug der Warriors nicht aufgegangen zu sein. Ausnahmsweise konnte durch die vielen Screens abseits des Balles kein Angreifer der Gastgeber frei gespielt werden. Keiner wusste so recht, was zu tun war. Auch Draymond Green schien für eine Sekunde ratlos. Dennoch bekam der Big Man der Dubs den Spalding am Perimeter zugespielt. Da stand er nun also...
Nur Bruchteile von Sekunden später rastete die Oracle Arena komplett aus. Steve Kerr schüttelte den Kopf, Steph Curry lag heulend auf der Warriors-Bank - damit hatte nun wirklich niemand gerechnet. Was war passiert? In allerbester Curry-Manier nahm Green ein Dribbling nach links und feuerte ohne zu zögern einen Pull-up-Dreier aus der Westentasche. Der Wurf fiel, Golden State lag kurz vor Ende des dritten Viertels auf einmal mit 17 Zählern in Front.
"Das war ein furchtbarer Wurf", musste selbst Green nach der Partie lachend zugeben. "Das war wirklich armselig. Der Ball hat sich nicht mehr bewegt, die Spieler haben sich nicht mehr bewegt. Also dachte ich: 'Na gut, dann werfe ich halt einfach.' Irgendwie ging der Ball dann rein." Es war nicht das einzige Mal, dass Green in dieser Partie aus der Distanz erfolgreich war. Der 26-Jährige versenkte 5 seiner 8 Versuche von Downtown und erzielte insgesamt 28 Punkte.
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Splash Brothers noch nicht in Topform
Damit war Green Topscorer seines Teams - noch vor Curry und Klay Thompson. Die Splash Brothers erlebten zwar einen insgesamt erfolgreicheren Abend als noch in Spiel 1 der Finals, doch die hohen Erwartungen erfüllten sie bisher immer noch nicht. Das war allerdings auch nicht nötig. Die vielen Cuts und Laufwege des Backcourt-Duos schufen Räume nicht nur für sich selbst, sondern vor allem auch für die Mitspieler.
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In Spiel 1 waren es Shaun Livingston und Leandro Barbosa, die das gnadenlos ausnutzten, an diesem Abend war es eben Green. "Wir sind eine richtige Arbeitsgemeinschaft und jeder füllt seine Rolle aus", lobt Curry das Kollektiv. "Das verrückte dabei ist: Wir können noch besser spielen." Was für die Cavaliers mehr als furchterregend klingt, entspricht der Wahrheit.
Nicht alles Gold, was glänzt
Vor allem die Turnover waren über weite Strecken der Partie ein großes Problem für Golden State. Am Ende standen 21 Ballverluste auf Seiten der Gastgeber, viele davon unnötig und selbstverschuldet. Dadurch hielt der amtierende Champion den Herausforderer aus Ohio lange Zeit sogar im Spiel.
"Unsere Offensive war heute nicht besonders gut", bestätigte auch Head Coach Steve Kerr. "Unsere Defense war der Schlüssel." Für diese These sprechen allein schon die nackten Statistiken: Cleveland kam gegen die starke Verteidigung der Dubs nur auf eine Wurfquote von schwachen 35,4 Prozent. Dazu kamen 18 Turnover der Cavaliers, die wiederum zu 26 Punkten auf der Gegenseite führten.
Zu guter Letzt gelang den Warriors etwas, das sonst nur den wenigsten Teams vergönnt ist: LeBron James gut in Schach zu halten. Die Statline von LBJ ist mit 19 Zählern (7/17 FG), 9 Assists, 8 Rebounds und 7 Ballverlusten(!) eines Königs nur teilweise würdig. Besonders Andre Iguodala hat den LeBron-Code offenbar geknackt. In 17 Spielzügen stand der Defensiv-Spezialist der Warriors dem viermaligen MVP gegenüber. James' Ausbeute in diesen Duellen: 2 Zähler, 3 Assists und 3 Turnover.
Small Ball ist der Schlüssel
Doch das ist nicht allein Iguodalas Verdienst. Das komplette Defensiv-Konzept von Coach Kerr hat einfach Hand und Fuß. Mit den ständigen Switches bei Pick-and-Rolls der Cavs stellte Golden State Kyrie Irving, Kevin Love oder auch Channing Frye vor enorme Probleme.
Gegen LeBron entschied sich Kerr teilweise für eine leicht abgeänderte Variante seines Systems. Anstatt zu switchen, ließ der jeweilige Verteidiger James in Pick-and-Roll-Situationen etwas mehr Platz und ging unter dem Blocksteller durch. Golden State nahm damit eventuelle Distanzwürfe von LBJ in Kauf - in dem Wissen, dass es sich dabei nicht unbedingt um die große Stärke des 31-Jährigen handelt (1/5 Dreier in Spiel 2).
Wenn es den Cavs dennoch gelang, die Warriors zum Switchen zu zwingen, standen Thompson und Co. ihren Mann gegen James. Drang er zu tief in die Zone vor, kam die Hilfe von allen Seiten und behinderte ihn beim Abschluss. Und falls LeBron dann doch noch einen Passweg zu einem offenen Mitspieler fand - die Warriors-Helfer waren fast immer wieder rechtzeitig zurück in Position.
Das Konzept war ein voller Erfolg, ebenso wie das berühmt berüchtigte Small-Ball-Lineup. Mit Draymond Green als Center erzielten die Warriors in Spiel 1 26 Punkte mehr als der Eastern Conference Champion. Ähnliches Spiel im zweiten Aufeinandertreffen: Dieses Mal waren es 23 Zähler Unterschied.
Die Cavs haben der kleinen Aufstellung der Dubs aktuell schlicht und einfach nichts entgegenzusetzen. Head Coach Tyronn Lue schickte zeitweise sogar LeBron als Center aufs Parkett - ohne Erfolg. Auch dieses Lineup nutzte GSW gnadenlos aus und kam als Team auf einen Plus/Minus-Wert von +11.
LeBron bereitet Sorgen
Nichtsdestotrotz ist es immer noch James, der den Warriors die größten Sorgen bereitet. "Um ehrlich zu sein, wir fühlen uns nicht wohl, wenn wir gegen LeBron spielen müssen", so Steve Kerr. "Er ist einer der besten Spieler in der Geschichte der NBA. Wir hatten zwar in den ersten beiden Spielen Erfolg gegen ihn, aber das heißt noch nichts."
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Von einer frühzeitigen Vorentscheidung wollen die Dubs also noch nichts wissen. Und das, obwohl durch den überzeugenden Sieg in Spiel 2 der ein oder andere Rekord purzelte. Noch nie endete eine Partie der Finals deutlicher als der 33-Punkte-Erfolg der Warriors. Die ersten beiden Spiele hat Golden State nun mit insgesamt 48 Zählern Unterschied gewonnen. Das gelang noch keinem Team in der langen Geschichte der Liga.
Was kommt als nächstes?
Trotz der historischen Zahlen: Es wäre unklug von den Warriors, jetzt schon die zweite Meisterschaft in Folge zu feiern. Das wissen die Mannen um Curry allerdings auch selbst nur zu gut. "Es ist eine Falle, wenn wir jetzt denken, dass wir die perfekte Formel gefunden haben, um Cleveland zu schlagen", erklärt der MVP.
"Uns fehlen nur noch zwei Siege, um die Finals zu gewinnen. Aber wir müssen immer noch raus gehen und unseren Job machen. Es ist nicht so, dass sie keine Chance mehr haben, die Serie zu gewinnen. Sowas dürfen wir nicht denken", so Curry weiter. Golden State ist weit davon entfernt, die Cavaliers zu unterschätzen und die kommenden Partien zu lässig anzugehen.
Gleichzeitig haben die Warriors immer noch Luft nach oben und können sich steigern. Die Cavs stehen vor Spiel 3 in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in der heimischen Quicken Loans Arena mit dem Rücken zur Wand und müssen sich in Acht nehmen. Nach Livingston, Iguodala, Barbosa und nun auch Green sind eigentlich die Splash Brothers an der Reihe, für Furore zu sorgen. Das ist kein gutes Zeichen für Cleveland.