4. Januar 2016, Lawrence, Kansas. Die Jayhawks empfangen die Oklahoma Sooners. Es wird das wohl beste College-Spiel der letzten Jahre.
Über insgesamt 55 Minuten und drei Verlängerungen liefern sich zwei der besten Mannschaften des Landes einen epischen Schlagabtausch.
Die Jayhawks haben das glücklichere Ende und entscheiden die Partie für sich. Direkt danach gibt der Spieler des Spiels am Spielfeldrand ein Interview und wird vom Allen Fieldhouse mit warmem Applaus begleitet. Das Besondere daran? Es ist ein Spieler der Sooners, der Rede und Antwort steht.
Rekord in Kansas
Buddy Hield ist nach seiner überragenden Performance in ganz Amerika in aller Munde. Die Medien überschlagen sich. 46 Punkte mit nur 23 Würfen und acht getroffenen Dreiern schenkt er dem Gastgeber ein. In 60 Jahren machte kein einzelner Spieler gegen die Jayhawks in deren Halle mehr Punkte als eben jener Hield.
Auf einmal stieg der Hype ins Unermessliche. Nicht mehr Ben Simmons oder Brandon Ingram waren im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei war Hield das genaue Gegenstück zu den beiden Top-Prospects, die das College als Anhänger der One-and-Done-Generation eher als lästige Zwischenstation ansahen. Hield ging die vollen vier Jahren ans College und machte einen Abschluss in Human Relations.
Sein Coach Lon Kruger brachte es einst auf den Punkt: "Er ist offensichtlich ein großartiger Schütze, aber was die Leute so sehr an ihm lieben, ist die Leidenschaft und der Enthusiasmus, mit dem er spielt."
Tödlicher Jumper
Nach einer durchwachsenen Freshman-Saison und schwachen Wurfquoten (vor allem von draußen: 23,8 Prozent) etablierte sich Hield in den folgenden zwei Jahren und schaffte als Senior endgültig den Durchbruch. 25,0 Punkte im Schnitt, eine Dreierquote von 45,7 Prozent, die meisten Versuche von Downtown verwandelt.
Und auch der NBA-Dreier sitzt: In einem Workout bei den Celtics verwandelte der Guard bei 100 Dreierversuchen 85 Stück. Das weckte die ersten Stephen-Curry-Vergleiche, wenngleich diese beiden gegenüber nicht wirklich fair sind oder waren.
Hields Arsenal an offensiven Waffen ist dennoch beeindruckend. Sowohl aus dem Dribbling als auch per Step-Back kann Hield hochprozentig abschließen. Sein Jumper mit einem blitzartigen Release steht zwar in keinem Lehrbuch, dennoch ist er dank akribischer Arbeit tödlich.
Weniger effektiv ist der Shooting Guard in der Zone, auch wenn er in diesem Bereich schon große Fortschritte gemacht hat. Mit 1,93 Metern zählt er nicht zu den Größten und verliert von Zeit zu Zeit den Überblick.
March Madness
Auch defensiv muss er sich noch steigern. Er hat trotz seiner geringen Größe zwar gute Anlagen - laterale Geschwindigkeit, lange Arme (2,05 m Spannweite) und Kraft -, er nimmt sich allerdings noch etwas zu oft Auszeiten. Wobei das auch daran gelegen haben könnte, dass er bei den Sooners nicht selten ganz allein die Offensive schmeißen musste und dadurch zu viel Energie verbrauchte.
Damit wurde in Oklahoma allerdings bereitwillig kalkuliert, denn Hield war für die Universität ein absoluter Glücksfall. Fast im Alleingang transformierte er Oklahoma zu einem echten Contender im NCAA-Tournament, während andere hoch gehandelte Prospects reihenweise früh scheiterten oder sich wie Simmons nicht einmal qualifizierten.
27, 36, 17, 37: Hield scorte während der March Madness beinahe nach Belieben und führte Oklahoma zur ersten Final Four-Teilnahme seit 2002. Gegen die späteren Champions aus Villanova sahen die Sooners dann allerdings kein Land mehr, weil der Gegner teilweise drei Verteidiger gegen Hield stellte - und seine Mitspieler diese Freiräume nicht nutzen konnten.
Dementsprechend machte ihm nach dem Ausscheiden eigentlich auch niemand Vorwürfe. Außer Hield selbst natürlich: "Ich attackierte den Korb, sie zogen Offensivfouls und ich produzierte Turnover. Sie waren so aggressiv, dass ich meinen Rhythmus verlor."
Der Traum vom Titel war geplatzt. Dabei ist Hield eigentlich jemand, der Träume wahr macht, auch wenn die Voraussetzungen nicht die besten sind.
Leben auf den Bahamas
Hield flog nie etwas zu. Schon in jungen Jahren träumte er davon, seinem großen Idol Kobe Bryant nachzueifern, die Realität sah in seinem armen Heimatdorf an der Westküste der Bahamas jedoch anders aus. Hield wuchs in einem winzigen Haus auf, in dem er mit Oma, Mutter und sechs Geschwistern lebte, und sah Basketball schon früh als Weg in ein besseres Leben an.
Doch dafür musste er erstmal in die USA - denn auf den Bahamas fristet Basketball ein Schattendasein. Er konnte zwar spielen, es gab dort jedoch niemanden, der ihm die taktischen Feinheiten des Spiels hätte beibringen können. Ergo setzte er Jahr für Jahr alles daran, sich bei den größeren Karibik-Turnieren Scouts und Coaches aus den USA zu empfehlen, bis es eines Tages endlich klappte.
Kyle Lindsted, damals Coach einer Prep School in Wichita, entdeckte Hield und wollte die Insel nicht mehr ohne dessen Zusage verlassen.
Wirklich überzeugen musste Lindsted dafür allerdings nur Hields Mutter, denn der Junge war sofort Feuer und Flamme. Nach einigen Diskussionen bekam er seinen Wunsch: Er durfte umziehen. Mit 16 Jahren war Hield auf sich allein gestellt.
Startschwierigkeiten in der Provinz
Die Umstellung auf die christliche Schule fiel dabei zunächst schwer: "Ich kannte niemanden. Eigentlich pendelte ich nur zwischen Schule und Halle." Er brauchte ein wenig Zeit, um sich im sozialen Umfeld zurechtzufinden, allerdings sollte sich die harte Arbeit auszahlen, für die er dadurch noch mehr Zeit hatte.
Trotz anderer Angebote entschied sich Hield für Oklahoma und reifte dort innerhalb von vier Jahren immer mehr zu einem tödlichen Scorer.
Es war genau die richtige Entscheidung, sich ein Programm auszusuchen, bei dem er die Chance hatte, viel zu spielen und aus Fehlern zu lernen. Seine Draft-Position (Nr. 6) war der vorläufige Höhepunkt eines rasanten Aufstiegs - und die Erfüllung eines Traums.
Neues Kapitel Pelicans
New Orleans ist für Hield ein völlig neues Kapitel, eine neue Situation - und eine neue Chance! Er wird nicht mehr die komplette Offense schultern müssen, sondern kann sich auf sein Shooting konzentrieren, das die Pelicans dringend benötigen. Im System von Coach Alvin Gentry, das in der Theorie auf schneller Transition und Ballbewegung fußt, sollte sich Hield wohlfühlen.
Gentry stellte ihm im Gespräch mit ESPN kürzlich sogar einen Starting Spot in Aussicht. Hield zeigte sich schon am Draft-Abend sehr zufrieden: "Ich liebe es, zu werfen. Ich kann dadurch für Anthony Davis mehr Platz schaffen und auch die anderen können durch mich besser penetrieren."
Leben für den Erfolg
Es ist das Selbstbewusstsein eines gereiften jungen Mannes. Anders als viele seiner gedrafteten Kollegen wird Hield sofort bereit für die NBA sein. Im Dezember wird der OU-Absolvent 23 Jahre alt und hat für Oklahoma in insgesamt 132 Spielen mehr als genug Erfahrung gesammelt.
Ausruhen wird sich Hield auf seinen gesammelten Lorbeeren natürlich nicht. Das würde schon sein Charakter nicht zulassen: "Ich tue alles um zu gewinnen. Ich hasse es zu verlieren. Ich werde alles tun, um hier Erfolg zu haben."
Für die Fans der Pelicans sind diese Worte Musik in ihren Ohren, nachdem es in New Orleans in den vergangenen Jahren außer einer Playoff-Teilnahme nicht viel zu bejubeln gab.
Mit Buddy Hield kommt wahrscheinlich kein Star, aber ein harter Arbeiter. Seine Art wird ankommen und er wird die Fans erneut auf seine Seite ziehen. Wie an diesem Januar-Tag in Lawrence, Kansas.