Seit elf Jahren leitet Donnie Nelson als General Manager die Geschicke der Dallas Mavericks und überzeugte die Franchise einst, Dirk Nowitzki zu draften. Im Interview spricht der 53-Jährige über dessen neuen Vertrag, die Neuzugänge im Team und die Super-Warriors. Außerdem äußert er sich zu Mark Cuban als US-Präsident und zu den Free-Agency-Problemen in Dallas.
SPOX: Herr Nelson, Sie haben in dieser Offseason einen alternden 38-Jährigen, der kaum springen oder rennen kann, mit einem Zweijahresvertrag über 50-Millionen Dollar ausgestattet. Ist das nicht ein bisschen viel?
Donnie Nelson: (lacht) Dirk Nowitzki ist jeden Penny wert. Er hatte vergangene Saison trotz des hohen Alters eines seiner besten Jahre und er verkörpert unsere Organisation wie kein anderer. Dirk ist unsere DNA - und war das in allen 18 Jahren, die er hier in Dallas ist. Er ist nicht einfach nur ein Basketballer. Er ist die Seele dieses Teams.
SPOX: Nachdem er zuletzt zweimal einen geringer dotierten Vertrag unterschrieben hatte, um dem Team zu helfen, wird Nowitzki kommende Saison wieder in die Top 10 Verdiener der Liga aufsteigen. War das seine oder ihre Idee?
Nelson: Dirk ging es nie ums Geld. Es ist für ihn lediglich ein Nebenprodukt seines Erfolgs. Was Dirk in der ganzen Zeit verdient hat, wird er in seinem Leben nicht ausgeben können. Sein Vertrag hat mehr mit der Liebe zum Basketball zu tun. Und mit dem Gefühl, dass er hier noch etwas zu erledigen hat. Er will seine Karriere hier in Dallas beenden und wird einer der beiden einzigen Spieler sein, der 20 Jahre lang für ein Team gespielt hat.
SPOX: Und dafür wollten Sie ihn also entlohnen?
Nelson: Genau. Dirk und Mark Cuban haben seit vielen, vielen Jahren eine besondere Beziehung zueinander und sie sind die Hauptgründe für die erfolgreichste Zeit der Franchise-Geschichte. Dirk hat immer zu seinen Werten gestanden. Es überrascht mich kein bisschen, dass er diesen Weg gewählt hat, aber gerade in der heutigen Sportwelt ist es wieder einmal ein besonderes Beispiel, was für ein großartiger Kerl er ist. Es ist eine Ehre und ein Privileg, mit ihm jetzt schon so lange eine Kabine teilen zu dürfen.
SPOX: Gab es in dieser Offseason einen Moment, an dem Sie dachten, Nowitzki könnte die Mavericks verlassen? Es gab ja Spekulationen um einen Wechsel zu den Warriors.
Nelson: Ich kenne Dirk lange genug, um zu wissen, wie er tickt. Seine Entscheidungen waren immer ziemlich vorhersehbar. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte mir keine Sorgen gemacht. Denn jedes Mal, wenn ein Spieler seines Kalibers auf dem Markt ist, gerade nach so einer Saison, dann gibt es immer das Risiko, dass ihm eine Franchise genau sein Traum-Szenario bietet. Diesen Sommer war es eine besondere Situation, da es aufgrund des Salary Cap Anstiegs deutlich mehr Geld als Talent auf dem Markt gab. Lassen Sie es mich so sagen: Ich war erleichtert, als der Vertrag unterschrieben war.
spoxSPOX: Sie haben weder Hassan Whiteside noch Mike Conley verpflichten können und zudem Chandler Parsons verloren. Dann ging Kevin Durant zu den Warriors und die Lage der Mavs änderte sich schlagartig. Was haben Sie gedacht, als Sie davon erfahren haben?
Nelson: Als erstes habe ich natürlich über Kevins Entscheidung nachgedacht. Ich hatte schon so eine Ahnung, dass er die Oklahoma City Thunder verlassen würde, als er sagte 'das wird eine Basketball-Entscheidung'. Er hat nach neun starken Jahren in der Liga noch keinen Ring geholt und mit der Wahl der Warriors ist er jetzt in einer Position, um das zu schaffen. Ich finde das kein bisschen verwerflich. Wir leben in einem freien Land und jeder kann die Entscheidung treffen, die er für sich als richtig erachtet.
SPOX: Und was war Ihr zweiter Gedanke?
Nelson: Naja, mein Herz hat KD mit der Entscheidung nicht gebrochen. (lacht) Wir waren vorher schon in Gesprächen mit Harrison Barnes und wir wussten, dass es eine sehr gute Chance gab, ihn zu bekommen. Sonst hätten wir ihm, der ja Free Agent war, das Offer Sheet nicht vorgelegt. Mit dem KD-Wechsel war der Deal dann in trockenen Tüchern, da die Warriors nicht genug Geld hatten, um beide Spieler unter Vertrag zu nehmen.
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SPOX: Die Warriors haben auch ohne Durant schon die beste Saison in der NBA-Geschichte hingelegt. Ändert der KD-Wechsel überhaupt etwas an der Situation in der Western Conference?
Nelson: Auf jeden Fall. Ich kenne kein anderes Team im Westen beziehungsweise der gesamten NBA, das so talentiert ist wie die Warriors. So verrückt das klingen mag: Die Warriors können 74 Spiele gewinnen und den Rekord aus dem letzten Jahr brechen. Und natürlich sind sie der Favorit auf den Titel.
SPOX: Bei den Warriors war Harrison Barnes eher ein ruhiger Typ, im Rampenlicht standen andere Spieler wie Steph Curry. Sehen sie in ihm einen zukünftigen Leader der Mavs? Was für ein Typ ist er?
Nelson: Er kommt wie ich aus Iowa und bringt die besondere Arbeitseinstellung aus dem mittleren Westen mit. Ein Team zu führen, bedarf Erfahrung und man muss es sich auch verdienen. Das wird mit der Zeit kommen, er hat aber definitiv die Anlagen dafür. Er hat die richtige Einstellung und Rückgrat.
SPOX: Sie schlugen kurz nach seiner Verpflichtung ein weiteres Mal zu und holten Andrew Bogut, ebenfalls aus Oakland. Warum haben die Warriors Sie als Partner für den Trade ausgewählt? Viele Teams haben gehofft, dass die Warriors ihn und sein Gehalt dort abladen.
Nelson: Eigentlich müssten Sie dazu bei Golden State nachfragen, aber mein Vater und ich haben zehn Jahre bei den Warriors verbracht. Zu einer Zeit, als das Leben in der Western Conference noch deutlich schwieriger war. Er war Head Coach, ich war Assistant Coach. Wir haben eine lange und feste Beziehung, er und der damalige GM Larry Riley haben bei seinem zweiten Engagement zum Beispiel Steph Curry gedraftet. Die Beziehung zwischen uns allen, auch mit Bob Myers und Jerry West, ist wirklich gut. Aber auch Andrew war Teil der Entscheidung, wie ich gehört habe. Sie haben ihn gefragt und er wollte nach Dallas.
SPOX: Wie verlief die Kommunikation mit Chandler Parsons vor und während der Free Agency?
Nelson: Sie lief ziemlich gut. Chandler und Mark haben eine einzigartige Beziehung und wir hatten über die gesamte Zeit einen guten Kontakt zu Chandlers Agenten. Ich denke, dass sie verstanden haben, dass wir ihn halten wollten - aber nur bis zu einem bestimmten Preis. Sein Agent hat es geschafft, für ihn einen Max-Vertrag rauszuholen und ab dem Punkt mussten wir gratulieren, ihn ziehen lassen und ihm alles Gute wünschen.
SPOX: Nur wenige Leute hatten bisher von Nicolas Brussino gehört, er hatte bis vor zwei Wochen nicht einmal eine englische Seite bei Wikipedia. Wer hat Ihnen gesagt, dass dieser Junge einen Mehrjahresvertrag wert ist?
Nelson: Das war für uns gar keine Frage. Es gibt in Argentinien eine Menge guter Spieler. Ich weiß nicht, ob da irgendwas im Trinkwasser ist oder woran es liegt. (lacht) Aber dort herrscht eine gute Mentalität, die Spieler hängen sich rein und sind ehrgeizig. Nicolas hat die richtigen Werkzeuge. Er ist groß, besitzt Länge, kann gut mit dem Ball umgehen, exzellent passen und werfen. Nehmen Sie Manu Ginobili, Luis Scola, Andres Nocioni - sie alle spielen mit großer Leidenschaft. Und auch wenn Nicolas noch jung ist, sind wir überzeugt, dass es sich lohnen wird, auf ihn zu setzen und in ihn zu investieren.
SPOX: Bekommt Seth Curry in Dallas auch komplett grünes Licht zum Werfen wie Bruder Steph bei den Warriors?
Nelson: Nein, das grüne Licht gibt es bei uns nur für Jungs aus Deutschland. (lacht) Seth ist aber ohne Zweifel ein guter Schütze und hat eine Menge Potenzial. Auch im Playmaking ist er richtig gut geworden und bei uns wird er die Möglichkeit bekommen, das zu zeigen. Aber primär wird er davon profitieren, dass Spieler wie J.J. Barea und Devin Harris die gegnerische Defense zum Kollabieren bringen und er dann von außen abdrücken kann.
SPOX: A propos Deutschland: Sie hätten 2013 Dennis Schröder draften können, er wurde kurz nach dem Mavs-Pick von den Hawks gezogen. Dort ist er jetzt zum Starter aufgestiegen. Ärgern Sie sich manchmal über die verpasste Chance?
Nelson: Dennis hat sich richtig gemacht und er hat es sich verdient, das Vertrauen als Point Guard in Atlanta zu bekommen. Wir hatten ihn auf dem Zettel, aber wenn ich mich recht erinnere, hatten wir damals einen anderen Deal in der Mache. Daher haben wir uns anders entschieden. Aber nachher ist man bekanntlich immer schlauer.
SPOX: Auch dieses Jahr hätten Sie einen Deutschen draften können: Paul Zipser, der an Nummer 48 von den Chicago Bulls gezogen wurde. Sie haben sich an Position 46 für A.J. Hammons entschieden. Haben Sie über Zipser nachgedacht?
Nelson: Oh ja, wir mochten ihn sehr. Wir hatten ihn schon in Deutschland beobachtet und dann noch einmal in Treviso beim adidas Eurocamp. Ich war definitiv ein Fan von ihm. Aber am Drafttag hatten wir außer Salah Mejri keinen einzigen Center unter Vertrag. Daher haben wir uns für Hammons entschieden. Wir haben aber nicht nur auf unseren Kader geschaut, er war für uns auch der beste verfügbare Spieler.
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SPOX: Der Frontcourt war in den letzten Jahren eine Problemzone der Mavs. Bogut hat eine lange Verletzungshistorie, er und Dirk werden sicher nicht mehr so viele Minuten abreißen. Wer ist in der Lage, die Lücke zu füllen?
Nelson: Wir haben ein mehrköpfiges Monster im Frontcourt. Andrew ist sicherlich der Favorit auf den Starting Spot, aber im Training Camp gibt es für alle die Möglichkeit, sich zu beweisen. Mejri hat den nächsten Schritt gemacht und hilft uns als agiler Rebounder und Shot-Blocker. Auch Hammons hat den Körper, um uns schon jetzt zu helfen. Dwight Powell wird definitiv Minuten auf der Fünf spielen, er war vergangene Saison Teil eines unserer besten Lineups. Und auch Dirk wird im Small Ball Center spielen, Barnes geht dann auf die Vier.
SPOX: Momentan bewerten viele Beobachter die Offseasons der Teams. Welche Note würden Sie sich selbst geben?
Nelson: Das überlasse ich lieber Ihnen als Experte. Meine Note ist: Ich wurde nicht gefeuert. (lacht)
SPOX: Im fünften Jahr in Folge hat es Dallas nicht geschafft, einen großen Free Agent zu verpflichten. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Nelson: Jede Entscheidung, die ein Spieler in der Free Agency trifft, ist eine ganz persönliche. Wenn Deron Williams, den wir ja schon 2012 holen wollten, noch einmal eine zweite Chance bekommen würde, denke ich, dass er sich für uns entscheiden würde. Das Geld spielt dabei natürlich eine große Rolle. Als Franchise, die versucht, Free Agents anzulocken, kannst du nur Vierjahresverträge anbieten. Das letzte Team des Spielers kann fünf Jahre und damit deutlich mehr Geld bieten.
SPOX: Wo wir gerade bei zweiter Chance sind: Bereuen Sie Ihre Entscheidung von 2011, das Championship Team aufzulösen, oder würden Sie es noch einmal genau so machen?
Nelson: Darüber kann man sehr, sehr lange diskutieren. Wenn Du eine Championship gewinnst, dann denkt jeder Spieler automatisch, sein Wert sei höher als er es in Wirklichkeit ist. Wir hatten eine Menge Free Agents, die davon profitieren wollten, was der Markt ihnen geboten hat. Das ist völlig legitim. Die Realität ist: Wir haben ein Miami-Team geschlagen, von dem niemand auf der ganzen Welt - mit Ausnahme unserer 15 Jungs in der Kabine - geglaubt hat, dass wir sie besiegen können.
SPOX: Aber Sie haben gewonnen...
Nelson: Wir haben zwar gewonnen, aber wie hoch war die Chance, dass wir es mit derselben Mannschaft noch einmal schaffen? Wie sich herausgestellt hat, wären wir in den Finals 2012 wieder auf das gleiche Heat-Team getroffen, nur eingespielter und hungriger. Und sie haben den Titel geholt. Die Frage ist also: Setzt Du die Zukunft der Franchise aufs Spiel und bezahlst den eigenen, älter werdenden Spielern, die auch vielleicht nicht ganz so gut waren, wie sie in den Finals 2011 gespielt haben, zu viel Geld? Wenn du glaubst, dass du erneut gewinnen kannst, dann ist die Antwort ja. Wenn nicht, dann musst du versuchen, neue Stars zu akquirieren. Es hatte nichts damit zu tun, dass wir Geld sparen wollten. Mark lebt nach dem Prinzip: "Championship or Bust".
SPOX: Es war also keine Frage des Geldes?
Nelson: Nein. Dirk wurde ja auch nicht jünger und wir wollten ihm einen zweiten Top-Spieler an die Seite stellen. Es ging einzig allein darum, sich bestmöglich für die nächste Titelchance zu positionieren.
SPOX: Kann man die Finals 2011 mit den Finals der letzten Saison vergleichen? Die Warriors waren nach der historischen Saison ebenfalls hoch favorisiert und doch jubelten am Ende die Cleveland Cavaliers.
Nelson: Der Vergleich ist lustig, denn als wir den Titel gewonnen haben, hatten wir in Ohio mehr Fans als jemals zuvor. Wir wurden die Cavs-Mavs genannt. (lacht) Nach "The Decision" stand LeBron James in Miami unter besonderer Beobachtung und wir erfuhren viel Unterstützung aus dem ganzen Land. Nun ist LeBron nach Hause zurückgekehrt und hat Cleveland zum ersten Titel der Franchise-Geschichte geführt, wie Dirk bei uns damals. Und dazu war es der erste für die Stadt seit 50 Jahren. Dirk ist zu 100 Prozent Dallas, aber er wurde nicht hier geboren. Es wäre in etwa so, als wären wir Würzburg und er würde hier die Meisterschaft gewinnen und zusätzlich noch mit Deutschland Weltmeister werden. Aber auch vom Verlauf her gibt es eine Menge Ähnlichkeiten zwischen den beiden Titeln, ja.
SPOX: Sind Sie froh, dass Hillary Clinton Mark Cuban nicht als Vizepräsidenten nominiert hat? Schließlich könnte er dann nicht mehr bei jedem Spiel an der Seitenlinie sitzen.
Nelson: (lacht) Ich sage Ihnen etwas: Wenn Mark jetzt ins Rennen um die Präsidentschaft einsteigen würde, hätte er eine gute Chance zu gewinnen. Ich denke nicht, dass Mark jemals Vize von irgendetwas sein wird. Wenn man sich die Optionen bei dieser Wahl anschaut, würde er eine Menge Stimmen bekommen. Und ich bin mir sicher: Er würde seine Sache gut machen.