Keine Super-Teams mehr, bitte!

Thorben Rybarczik
15. Dezember 201615:08
Golden State Warriorsgetty
Werbung

Die NBA hat sich mit der Spielergewerkschaft NBPA vorläufig auf einen neuen Tarifvertrag (CBA) geeinigt. Doch was ist das CBA überhaupt? Was bedeutet die Einigung, was wird sich in Zukunft ändern? Außerdem: Wer sind die Gewinner und Verlierer des Deals? SPOX klärt auf.

Was ist das CBA?

Das Collective Bargaining Agreement (kurz: CBA) ist ein Tarifvertrag, der zwischen der NBA (vertreten durch den Commissioner sowie alle Team-Besitzer) und der Spielergewerkschaft NBPA (Präsident: Chris Paul) abgeschlossen wird. In diesem wird nahezu jede Regel definiert, die Auswirkungen auf die Spieler hat - ob finanziell oder sportlich.

Dazu gehört beispielsweise der Salary Cap, die Vorgehensweise, wie dieser errechnet wird, die Summen von Minimal- und Maximal-Verträgen, Trade-Regeln, Draft-Regeln oder Regeln für Rookies sowie verletzte und sogar für nicht mehr aktive Spieler.

Was bedeutet die vorläufige Einigung?

Im Laufe des Lockouts 2011 haben sich die beiden Parteien auf einen Tarifvertrag geeinigt, der theoretisch bis 2021 gültig gewesen wäre. Es wurde allerdings eine Klausel eingebaut, die es erlaubt hatte, bis zum 15. Dezember 2016 aus diesem Vertrag wieder auszusteigen.

Erlebe die NBA Live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

Unter anderem angesichts des monströsen neuen TV-Vertrags wurde relativ schnell klar, dass die Spielergewerkschaft von dieser Option Gebrauch machen würde, um neue Bedingungen zu verhandeln. Hätte sie dies getan, hätte das Papier nach der laufenden Saison seine Gültigkeit verloren, womit ein Lockout - man könnte auch sagen Streik - im Herbst 2017 ein durchaus realistisches Szenario gewesen wäre.

Dieses ist nun abgewendet worden. Zwar wurde noch kein neuer Vertrag unterschrieben, allerdings wurde die Frist, um aus dem alten auszusteigen, auf den 13. Januar 2017 verschoben. Bis dahin wird erwartet, dass Liga und Spielergewerkschaft alles ratifiziert haben - denn beide Parteien haben verkündet, dass sie mit den neu definierten Bedingungen einverstanden seien. Somit geht es nur noch um kleine Details und Formalitäten.

Der neue Vertrag wird zur Saison 2017/2018 in Kraft treten und soll von diesem Zeitpunkt an sechs Jahre - also bis zum Ende der Saison 2022/2023 - gültig sein. Darüber, dass es erneut eine verfrühte Ausstiegsklausel gibt, ist nichts bekannt.

Welche Dinge haben sich verändert?

Zunächst eine Sache, die sich nicht verändert hat: Die Aufteilung des sogenannten "Basketball-related income" (BRI) zwischen Besitzern und Spielern. Damit sind alle Einnahmen gemeint, die direkt durch den Basketball zustande kommen. In der laufenden Saison wird dieser auf 5,08 Milliarden Dollar geschätzt, die zur Hälfte unter den Parteien aufgeteilt werden. An dieser Gewichtung wird festgehalten. Zur Erinnerung: Vor dem Lockout 2011 gingen noch 57 Prozent an die Spieler.

Was sich im neuen CBA signifikant verändert, ist das jährliche Durchschnittsgehalt der Spieler. Dieses liegt derzeit bei 5 Millionen Euro und soll im Rahmen der neuen Regelung auf bis zu 9 Millionen ansteigen. Das kommt auch den Rookies zu Gute, deren Verträge um geschätzte 45 Prozent angehoben werden sollen. Derzeit verdient der erste Pick eines Drafts 4,9 Millionen Dollar im ersten Jahr, der 15. Pick 1,6 Millionen und der 30. Pick 976.000 Dollar. Auch die Summen eines Minimalvertrags sollen um 45 Prozent steigen. Derzeit bekommt ein Spieler mit einem solchen Kontrakt bei null Jahren Erfahrung 543.000 Dollar jährlich, ein Spieler mit zehn oder mehr Jahren Erfahrung 1,5 Millionen Dollar.

Bei den Free-Agency-Regeln gibt es ebenfalls eine Neuerung. Fortan sollen Teams die Möglichkeit bekommen, mit Free Agent Exceptions ihren eigenen Free Agents Sechs-Jahres-Verträge anzubieten. Bislang lag die Grenze bei fünf Jahren. Da der Spieler bei einem Wechsel diese Möglichkeit nicht hätte, soll ein Reiz gesetzt werden, seiner Franchise gegenüber loyal zu bleiben. Diese Regelung soll besonders Teams in einem eher kleineren Markt helfen.

Was dagegen gestrichen wurde, ist die sogenannte Amnesty-Klausel. Diese bot den Klubs die Möglichkeit, einen Spieler, dessen Vertrag vor Abschluss des neuen Tarifvertrags 2011 abgeschlossen wurde, zu entlassen. Das Gehalt musste weiter gezahlt werden, zählte aber nicht mehr für den Salary Cap. Alle Teams, die Platz unter ihrem Salary Cap hatten, konnten dem entlassenen Spieler nun in einer Art "Versteigerung" ein Angebot machen. Das Team mit dem höchsten Gebot erhielt den Spieler. Das Geld, das ein Spieler bei seinem alten Klub verdient hätte, bekam er aber trotzdem.

Die maximale Kader-Größe wurde von 15 auf 17 Spieler angehoben. Dazu wurde ein sogenannter "Two-Way-Vertrag" eingeführt. Mit diesem sollen Spieler ausgestattet werden, die beispielsweise zwischen der NBA und der D-League hin- und herwechseln. Die neuen Verträge kommen den Spielern zu Gute, denn das D-League-Gehalt soll ab der kommenden Saison mehr als verdoppelt werden.

Ein weiterer Punkt ist die Reduzierung der Back-to-Back-Spiele. An den 82 Spielen der Regular Season wird zwar festgehalten, jedoch soll die Preseason verkürzt und der Saisonstart um bis zu 15 Tage nach vorne verlegt werden, um den Spielplan zu entzerren.

Weitere, eher kleinere Veränderungen: Bekommt ein Restricted Free Agent eine Offer Sheet eines anderen Teams, hat die Franchise, bei der der Spieler zuvor unter Vertrag stand, nur noch zwei statt drei Tage Zeit, um dieses zu matchen. Und: Bislang galt die Regel, dass ein Spieler über 36 Jahre keinen Fünfjahresvertrag mehr abschließen kann. Diese Grenze wurde auf 38 Jahre hochgesetzt.

Wer sind die Gewinner des neuen CBA?

Zunächst einmal gehen all diejenigen als Gewinner hervor, die einen erneuten Lockout um jeden Preis vermeiden wollten. Das gilt sowohl für die Liga, die Spieler und natürlich auch für die Fans, denen ein Streik kollektiven Schaden zugefügt hätte.

Teams, die einen Superstar in ihren Reihen haben, der abtrünnig zu werden droht, dürften sich ebenfalls freuen. Denn durch die neue Free Agent Exception (oder auch "Designated Veteran Exception"), die es Franchises erlaubt, einem Spieler aus dem Roster eine Vertragsverlängerung über sechs Jahre anzubieten, haben solche Teams einen Vorteil gegenüber der "Konkurrenz". Denn "fremde" Teams haben nicht die Möglichkeit, solche Verträge anzubieten.

Diese Regel kommt dann zum Tragen, wenn ein Spieler bestimmte Kriterien erfüllt. Dazu gehört eine bestimme Anzahl an Jahren, die er schon in der Liga spielen muss oder auch die Voraussetzung, schon einmal in einem All-NBA Team gestanden zu haben. DeMarcus Cousins oder Paul George sind Spieler, bei denen die neue Regelung zur Anwendung kommen könnte - sie würden 2018 bzw. 2019 Free Agent werden, könnten aber vorher diese Veteran-Exception über sechs Jahre unterschreiben.

Restricted Free Agents kommen durch die kleine, aber feine Veränderung bezüglich der Frist, die ein Team hat, um eine Offer Sheet zu matchen, ebenfalls in eine bessere Lage. Denn vermutlich wird die Anzahl der unterbreiteten Offer Sheets in die Höhe schnellen, da solche nicht mehr für drei Tage, sondern eben nur für zwei Tage dazu führen, dass die weiteren Planungen des Cap Spaces mehr als eingeschränkt sind.

Durch die Erhöhung der Rookie- und Minimal-Verträge sowie die Erhöhung des Durchschnittsgehalts werden Spieler unterstützt, die nicht den Status eines Stars oder eines Veteranen haben. Besonders durch den plötzlichen Anstieg des Salary Caps im vergangenen Sommer kamen Verträge zustande, die in manchen Kadern die Schere zwischen überbezahlten und unterbezahlten Athleten arg auseinanderdriften ließ. Auch die Spieler, die ihren Weg über die D-League nehmen müssen, sind finanziell künftig deutlich besser aufgestellt.

Wer sind die Verlierer?

Während die Teams mit Stars in ihren Reihen nun eine höhere Chance haben, um diese zu halten, gucken solche mit der Absicht, ein Super-Team aufzubauen, in die Röhre: Die neue Veteran-Exception wird langfristig dazu führen, dass es weniger Superstars gibt, die tatsächlich vertragslos in die Free Agency starten. Ihnen wird durch das sechste Vertragsjahr der Reiz geboten, ordentlich abzukassieren und vorzeitig zu verlängern.

Dasselbe gilt für Teams, die durch Trades versuchen, ein Super-Team zu formen. Denn bei Spielern, die getradet werden, verfällt das Recht auf die Veteran-Exception, wie die Washington Post berichtet. Dies hätte zur Folge, dass Spieler einen Reiz weniger haben, um einen Trade zu erzwingen.

Kritiker der sogenannten "One-and-Done"-Regel dürften ebenfalls enttäuscht sein. Denn: Etwas überraschend wurde das Mindestalter, um in der NBA spielen zu dürfen, nicht zum Thema des neuen Deals gemacht. Zuvor wurde diskutiert, dieses von 19 auf 20 anzuheben. Auch die Regel, dass man bereits seit einem Jahr die High School verlassen haben muss, um in die NBA zu wechseln, hätte durchaus erweitert werden können.

Somit wird es in Mode bleiben, dass sich viele Talente nach nur einem Jahr College zum Draft anmelden. Beim Auswahlverfahren 2016 waren es 14 der ersten 41 Spieler, die diesen Weg gewählt haben. Kritiker bemängeln, dass dies die Qualität der NBA sinken werde, da solche Spieler noch nicht genug ausgebildet seien, um in der besten Liga der Welt Fuß zu fassen. Die größtenteils eher schwachen Leistungen des jüngsten Rookie-Jahrgangs bekräftigen diese Theorie.

Fraschilla-Interview: "One-and-Done muss mit Schuld sein"

Zuletzt dürfte auch der europäische Basketball etwas besorgt sein. Denn durch die deutlich höheren Gehälter in der D-League und die insgesamt 60 zusätzlichen Kader-Plätze wird es eine Herausforderung sein, talentierte Europäer auf dem Kontinent zu halten und sie nicht noch früher an die NBA zu "verlieren". Auch US-Spieler, die es in der NBA nicht im ersten Anlauf schaffen, haben von nun an weniger Anreize, über den großen Teich zu wechseln.

Der Spielplan im Überblick