Wahnsinnig lange müssen wir nicht zurückdenken. Es ist fast genau drei Jahre her, dass Dennis Schröder für einige Tage in die D-League beordert wurde. Der No.17-Pick war bis dahin nicht allzu viel zum Einsatz gekommen und hatte sich bei seinen Einsätzen viele Fehler geleistet, also hielten es die Hawks für richtig, ihm anderswo Spielzeit zu verschaffen.
Das ist ein völlig normaler Vorgang - zunehmend auch für Erstrundenpicks, da sich das Niveau in der "Entwicklungsliga" über die letzten Jahre enorm gesteigert hat. 30 Prozent der Spieler in allen NBA-Kadern hatten zu Anfang dieser Saison D-League-Erfahrung. 30! Darunter auch etablierte Starter wie Rudy Gobert, Hassan Whiteside, Avery Bradley und C.J. McCollum.
Ob diese Spieler ebenfalls über sich lesen mussten, dass ihr "Traum geplatzt" wäre? Schröder musste dies - weil das System mit den "Farmteams" in seiner Heimat Deutschland relativ unbekannt war und eher rudimentär verstanden wurde. Daran scheint sich auch heute noch nicht viel geändert zu haben, wenn man auf die ersten Reaktionen am späten Mittwochabend blickt.
Nichts ist verloren
Um das klarzustellen: Hier soll nicht behauptet werden, dass Paul Zipser sich genauso entwickeln wird wie Schröder. Es ist eine andere Situation: Schröder kam als Erstrundenpick mit 19 Jahren in die NBA, Zipser mit 22 in der zweiten Runde. Das bedeutet andere Erwartungen und womöglich auch weniger Geduld beim Team, da es sich natürlich um ein geringeres "Investment" handelt.
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Verloren ist deswegen aber noch lange nichts, geplatzt schon gar nicht. Dass ein Zweitrundenpick in seiner ersten Saison mal in die D-League geschickt wird, auch für deutlich mehr als drei Stunden, ist sogar zu erwarten. Im Grunde genommen ist es eine größere Überraschung, dass Zipser direkt zurückgeholt wurde.
Die Bulls haben zuletzt zwar geschwächelt, zuvor lief es allerdings besser als erwartet (insgesamt 11-10), und das liegt primär an den Flügel-Stars Jimmy Butler und Dwyane Wade. Dahinter steht eine Gruppe von Backups, von denen bisher keiner konstant überzeugt hat - an den Punkten gemessen hat Chicago derzeit die viertschlechteste Bank der Liga - und zu der neben Erstrundenpick Denzel Valentine auch Zipser gehört. Verständlicherweise hat das "größere Investment" Valentine bisher deutlich mehr Möglichkeiten bekommen.
Zipser hingegen stand Anfang der Saison in vier von sieben Spielen kurz auf dem Court, in den letzten zehn Spielen kam er aber nur einmal zum Einsatz. Natürlich muss man dann überlegen, ob man ihm anderweitig Spielpraxis verschafft.
Keine Überraschung
Genau für solche Situationen investieren Teams viel Geld in ihre D-League-Teams. Momentan hat Zipser wenige Möglichkeiten, sich zu zeigen, wobei die schnelle Rückholaktion sogar andeutet, dass die Bulls gerade selbst hin- und hergerissen sind. Vielleicht werden er und der ebenfalls "degradierte" R.J. Hunter in Kürze doch wieder Minuten bekommen, vielleicht müssen sie auch den Weg über die D-League gehen.
Der Punkt ist aber: Das alles ist keine Überraschung. Wer erwartet hat, dass Zipser schon in seinen ersten NBA-Wochen zum Leistungsträger reift, war von Anfang an schief gewickelt. Nicht jeder Rookie kann sofort einschlagen, vor allem nicht bei einem überdurchschnittlichen Team - gleichzeitig hat aber auch nicht jeder, der mal in die D-League geschickt wird, das gleiche Schicksal vor sich wie Tibor Pleiß oder Tim Ohlbrecht.
Zipser weiß all dies und wird sich von einer zugegebenermaßen nicht leichten Situation auch nicht aus der Ruhe bringen lassen. Es gibt auch schlichtweg keinen Grund dafür. Das sollten wir uns alle ebenfalls klar machen.
Paul Zipser im Steckbrief