Die Atlanta Hawks und die Cleveland Cavaliers haben den ersten signifikanten Deal der Saison eingefädelt. Doch was bedeutet der Trade von Kyle Korver für den Meister - und für das Team von Dennis Schröder? Wie wird der Rest der Liga reagieren? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Auch wenn die offizielle Bestätigung noch aussteht, hat sich Kyle Korver bereits von den Hawks verabschiedet und auch seine bisherigen Mitspieler wie Dennis Schröder und Paul Millsap haben sich mit der Situation bereits abgefunden: Der Shooter wurde zu den Cleveland Cavaliers getradet.
Die Details sollen wie folgt lauten: Korver geht im Gegenzug für einen 2019er First-Round-Pick und Mike Dunleavy nach Cleveland. Die Hawks haben aber wohl kein Interesse daran, Dunleavy zu halten - nach Informationen von The Vertical und anderen Medien wird noch nach einem dritten Team gesucht, das ihnen Dunleavy direkt wieder abnimmt.
Die Cavaliers mussten zudem noch einen weiteren Trade einfädeln, um den Korver-Deal gemäß des CBA zu ermöglichen: Ihr 2017er First-Round-Pick ging nach Portland, im Gegenzug für den eigenen 2018er First-Round-Pick, den die Blazers aufgrund eines früheren Trades bereits hatten. Es ist nicht erlaubt, First-Rounder in aufeinanderfolgenden Jahren abzugeben, daher war dieser Spagat nötig.
"Es fällt mir schwer, Atlanta zurückzulassen", sagte Korver nach dem Spiel in der Nacht gegen New Orleans, bei dem er schon nicht mehr eingesetzt wurde. "Aber für mich persönlich ist es natürlich eine große Chance, nach Cleveland zu gehen. Aus Basketball-Sicht passt das großartig für mich, und das ist mir bewusst."
Schröder, der gegen die Pelicans mit 23 Punkten zum Matchwinner avancierte, widmete den Sieg via Twitter Korver: "Dieses Spiel war für Kyle Korver. Ich bin dankbar für alles, was du für mich getan hast. Always love."
Korvers Vertrag (5,2 Millionen Dollar) läuft nach der Saison aus, Dunleavy dagegen steht auch in der kommenden Saison noch für 5,2 Millionen unter Vertrag, wobei das letzte Jahr nur teilweise garantiert ist.
Was bedeutet der Trade für die Hawks?
Der Umbau geht weiter. Von der Starting Five, die vor zwei Jahren noch 60 Spiele zusammen gewann und in die Conference Finals einzog, ist nur noch Millsap in Atlanta - und auch hier fragt sich: Wie lange noch? Die Hawks haben erkannt, dass sie mit ihrem alternden Kern nichts im Konzert der Großen zu suchen haben.
Obwohl es zuletzt sportlich gut lief, sind andere Teams im Osten einfach höher einzuschätzen, allen voran Cleveland. Also wird nun gewissermaßen die Gegenwart geopfert, um sich für die Zukunft besser aufzustellen. Der nächste Kandidat wäre Millsap, da er den größten Gegenwert bringen würde und nach der Saison Free Agent werden kann.
Bereits im Sommer gab es Trade-Gerüchte, jetzt könnte jedoch alles ganz schnell gehen - denn die Hawks wollen nicht erneut einen Star ohne Gegenwert verlieren, wie es mit Horford bereits der Fall war. Aber nicht nur Millsap steht zur Disposition - auch andere Veteranen wie Tiago Splitter, Thabo Sefolosha oder sogar Dwight Howard sollten bis zur Trade Deadline wohl kein Haus mehr kaufen.
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Millsap betonte zuletzt zwar mehrfach, dass er gerne in Atlanta bleiben würde, allzu sicher wirkte er dabei aber nicht. Nach dem Pelicans-Spiel kommentierte er: "Es geht heute nicht um mich, sondern um Kyle, der zu den Cavaliers geht. Ich bin nicht selbstsüchtig, deswegen beziehe ich das nicht auf mich. Es geht nicht darum, was als nächstes mit mir passiert, sondern darum, die Zeit mit Kyle wertzuschätzen und ihn als großartigen Teammate zu feiern. Wir werden sehen, was passiert."
Stand jetzt wäre es eine riesige Überraschung, wenn bis zur Trade Deadline am 23. Februar nichts mehr passiert. Wenn die Hawks sich neu erfinden wollen, hat Millsap trotz all seiner spielerischen Klasse mehr Wert für die Hawks, wenn sie ihn als Tradechip benutzen. Unter anderem sollen sich die Pelicans, Kings und Raptors bereits nach ihm erkundigt haben - aber sie werden wohl nicht die letzten sein.
Was bedeutet der Trade für Dennis Schröder?
Gewissermaßen hat Schröder seinen Shooting Coach verloren: Über die letzten Jahre trainierte der Deutsche regelmäßig mit Edelschütze Korver seinen Wurf und seine Verbesserung von der Dreierlinie (von 23,8 Prozent auf 35,4 Prozent 3FG) hat nicht zuletzt auch damit zu tun. Als einer der wahren "Musterprofis" der Liga war der 35-Jährige zudem auch eine Art Mentor für Schröder, was die Professionalität angeht.
Er war aber auch ein wichtiger Faktor auf dem Court. Zwar hat Korver über die letzten beiden Jahre doch merklich abgebaut, dennoch zog sein gefürchteter Wurf (Karriere: 42,9 Prozent 3FG) die gegnerische Defense auch in dieser Saison noch auseinander, um Schröder Platz für Drives und Pick'n'Rolls mit Millsap oder Howard zu verschaffen.
40,9 Prozent von Downtown erzielte Korver in dieser Saison bisher, nach Schröder-Vorlage waren es sogar 42,1 Prozent - Hawks-intern war nur Mike Muscala (44,4 Prozent) ein dankbarerer Abnehmer, allerdings bei deutlich niedrigerer Frequenz. Nun wird Dennis einen neuen Backcourt-Partner bekommen.
Wahnsinnig viele Optionen gibt es im Hawks-Kader derweil nicht, wenn Dunleavy wirklich direkt weiterverschifft wird; eigentlich kämen nur Sefolosha und Tim Hardaway in Frage. Und wenn man wirklich auf die Jugend setzen will, wäre sogar nur Letzterer wirklich sinnvoll, denn auch Sefolosha ist bereits 32 Jahre alt.
Der 24-jährige Hardaway hat in seiner vierjährigen NBA-Karriere bisher gezeigt, dass er scoren kann, sonst allerdings nicht viel beiträgt. Defense, Rebounding und vor allem Passspiel sind bei ihm riesige Baustellen und auch der Dreier ist nur mäßig (Karriere: 34,8 Prozent 3FG) - vom Skillset her wirkte er bisher eher wie ein solider Sixth Man denn wie eine echter NBA-Starter.
Angesichts der neuen Ausgangslage wäre es jedoch sinnvoll, ihn nun als Starter zu testen, da er nach der Saison auf einen neuen Vertrag hofft. Man kann sich jedoch sicher sein, dass er Schröders Job vorerst nicht unbedingt leichter machen wird. In Sachen Shooting und Spielverständnis trennen ihn Welten von seinem Vorgänger, sollte er den Zuschlag bekommen. Das wäre bei Sefolosha ebenfalls der Fall.
Immerhin: Wenn man Schröders Fortschritt in dieser Saison bisher betrachtet, kann man sich ziemlich sicher sein, dass er als vielleicht einziger Hawks-Spieler momentan nicht zu haben ist. Seine Leistungen zuletzt waren mehr als vielversprechend. Es kann jedoch gut sein, dass er sich demnächst an mehr als einen neuen Nebenmann gewöhnen muss.
Was bedeutet der Trade für die Cavaliers?
Mit J.R. Smith fehlt dem Champ seit dem 23. Dezember der etatmäßige Shooting Guard und das wohl noch bis Ende März oder sogar Anfang April - seine Daumenverletzung war Berichten zufolge etwas komplizierter als der gewöhnliche Bruch. Korver bringt ihnen nun eine Absicherung, sollte Smith zu den Playoffs nicht wieder bei 100 Prozent sein. Zudem ist ein klares Upgrade gegenüber Dunleavy, der erst im Sommer verpflichtet wurde.
Der 36-Jährige kam in Cleveland nur 23 Mal zum Einsatz (4,6 Punkte) und konnte auch nach Smith' Ausfall keine größere Rolle einnehmen - im Gegenteil. Teamintern hatten ihm die Youngster DeAndre Liggins und Jordan McRae klar den Rang abgelaufen. Das sollte mit Korver nicht so einfach gehen.
LeBron James: Der Auserwählte ist angekommen
Korver wird in Cleveland womöglich nicht starten, aber auch als Bankspieler dürfte ihm Tyronn Lue viele Minuten mit LeBron James verschaffen - und das ist eine traurige Aussicht für den Rest der Liga. Es gibt vielleicht keinen Spieler in der Liga, der besser darin ist, Shooter an der Dreierlinie freizuspielen als LeBron; das ist der wesentliche Grund, warum die Bench-Units der Cavs oft so gut funktionieren.
Ob nun Channing Frye, Kevin Love, J.R. Smith, Iman Shumpert oder Kyrie Irving - sie alle kriegen pro Spiel mehr als einen Dreier von LeBron aufgelegt. Nun kommt mit Korver noch einer der tödlichsten Catch-and-Shoot-Spezialisten der Liga-Historie hinzu.
Die Cavs erzielen mit 12,9 Dreiern schon jetzt die zweitmeisten der Liga, Korver jedoch dürfte diesen Schnitt noch anheben und sich vielleicht bald mit Frye (46,5 Prozent 3FG) um die beste Quote des Teams kloppen.
Die Cavs haben einmal mehr untermauert, dass sie im absoluten "Win now"-Modus sind und dass sie die letzten LeBron-Jahre maximieren wollen. GM David Griffin hat erneut einen Weg gefunden, das Team clever und ohne großen Gegenwert zu verstärken, wie im vergangenen Jahr mit Frye. Gelingt ihm das auch noch mit einem erfahrenen Backup-Point Guard, hätte er die Cavs perfekt für einen weiteren Titel-Run positioniert.
Was bedeutet der Trade für den Rest der Liga?
Dieser Deal könnte mittelfristig einen Domino-Effekt auslösen. Es ist an der Zeit, sich zu positionieren: All-In für die Championship oder Fokus auf die Zukunft? Die Hawks haben entschieden, dass sie auch an ihrem Limit keine Chance hätten, eine Serie gegen Cleveland zu gewinnen, anders wäre ein Trade zu einem "direkten Konkurrenten" nicht zu erklären.
Sie haben sich gewissermaßen aus dem Rennen zurückgezogen, und das könnte Auswirkungen auf andere potenzielle Contender haben. Im Osten verbleiben derzeit nur Boston und Toronto, die eine Serie gegen die Cavs zumindest eng gestalten könnten - aber durch diesen Trade ist der ohnehin schon beträchtliche Abstand noch einmal größer geworden.
Wie reagieren die Raptors und Celtics? Beide Teams gelten schon länger als interessiert an einem Trade - die Personalie Millsap etwa war in Toronto schon im Sommer Thema, ein Trade scheiterte aber an Atlantas Forderungen. Nun: Wenn die Raptors in den Playoffs wirklich etwas reißen wollen, wäre es jetzt an der Zeit, das Angebot zu erneuern beziehungsweise zu erhöhen, auch wenn sie damit noch immer kein Favorit gegen die Cavs wären.
Ähnlich verhält es sich in Boston. Das Team ist gut, klar, Isaiah Thomas derzeit sogar ein Superstar. Dass aber noch mindestens ein Star fehlt, um LeBron potenziell zu gefährden, ist allen Beteiligten klar - allen voran Danny Ainge. Mehr denn je wird der Celtics-Präsident nun versuchen, seine Finger an einen Star zu bekommen. DeMarcus Cousins? Jimmy Butler? Oder auch Millsap?
Derzeit scheint nichts unmöglich. Im Osten und Westen werden die ambitionierten Teams versuchen, "abschenkenden" Teams die Spieler abzunehmen und sich einen Vorteil im Rennen zu verschaffen beziehungsweise tatsächlich ins Rennen mit den Clevelands und Golden States dieser Welt einzusteigen.
Dieses "Abgrasen" gibt es nahezu jedes Jahr. Ungewöhnlich ist nur, dass der erste Domino-Stein vom amtierenden Champion umgestoßen wurde.