NBA

Kampf der Maschinen

Russell Westbrook und LeBron James treffen in Cleveland aufeinander
© getty

Am Sonntagabend kommt es in Cleveland zum Top-Duell zwischen den Cavaliers und den Oklahoma City Thunder (ab 21.30 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE). Der Fokus liegt natürlich auf den beiden Triple-Double-Maschinen LeBron James und Russell Westbrook, doch die Situationen der Teams geben Anlass zur Sorge.

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Es war der 1. Dezember 2016. Russell Westbrook legte beim Overtime-Sieg gegen die Washington Wizards 35 Punkte, 14 Rebounds sowie 11 Assists auf und zog mit dem 45. Triple-Double seiner Karriere in der ewigen Bestenliste an LeBron James vorbei.

Ein Moment, der in der Basketball-Community ein wenig hochstilisiert wurde, schließlich ist Westbrook zurzeit auf einem Ein-Mann-Abrissbirnen-Trip, während LeBron bei seinem zweiten Engagement in Cleveland längst nicht mehr auf seine Stats schaut.

Zwar behauptet Russ das auch, doch wer sich in der Schlussphase eines bereits entschiedenen Spiels noch einmal einwechseln lässt, um Rebound Nummer zehn zu jagen, der wirkt dabei nicht gerade glaubwürdig.

Ein Schatten für Big O

Aktuell steht RW0 pro Spiel bei 31 Punkten, 10,6 Rebounds und 10,2 Assists - und das in nur 35 Minuten auf dem Parkett! Rückt man diese Zahlen in den Kontext, stellt er damit sogar die historische Saison von Oscar Robertson in den Schatten.

Wie oft wurde über seinen Ego-Trip hergezogen, sogar beim All-Star Game wurde Westbrook von den Fans abgestraft und nicht als Starter ausgewählt. Doch auch die Ergebnisse geben ihm recht: Bei seinen 23 Triple-Doubles in dieser Saison ging OKC 18 Mal als Sieger vom Parkett. Und auch der Trend stimmt. Zuletzt gab es drei Siege für die Thunder, das Team von Billy Donovan gewann sieben der letzten zehn Spiele.

Allerdings bleibt OKC weiterhin den Beweis schuldig, ein echter Contender zu sein. Gegen die Top 4 der Liga gab es bisher nur einen Sieg bei vier Pleiten. Mit den anstehenden Spielen gegen die Cavs können die Thunder das korrigieren, zwei Tage später warten zudem die San Antonio Spurs.

Dämlich, dämlicher, Kanter

Umso ärgerlicher ist der Ausfall von Enes Kanter. Die mit Abstand dämlichste Aktion der gesamten Saison bezahlt der türkische Big Man vermutlich mit sechs bis acht Wochen an der Seitenlinie. Aus Frust hatte er im Spiel gegen die Dallas Mavericks mit der Hand auf einen Stuhl geschlagen und sich dabei den rechten Unterarm gebrochen.

"Das ist natürlich eine traurige Sache, da ich mein Team in so einer Phase hängen lasse", suchte Kanter nach Worten, um sich für seinen Bärendienst zu entschuldigen: "Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und es ungeschehen machen."

Doch das wird den Thunder die 14,4 Punkte und 6,7 Rebounds, die der Kandidat für den Award des Sixth Man of the Year-Award in nur 21 Spielminuten auflegt, auch nicht wiederbringen. In einem Team, das jeden Abend händeringend nach Unterstützung für Westbrooks One-Man-Show sucht, ist das doppelt bitter.

Dominanz verflogen

Vor allem deshalb, da Cleveland aktuell schlagbarer ist denn je. Wie schon zu Beginn des vergangenen Jahres bröckelt die Unbezwingbarkeit der Champs. Aus den letzten neun Spielen holte das Team von Tyronn Lue lediglich drei Siege. Das Gefühl der absoluten Dominanz ist verflogen - und das spürt auch die Konkurrenz.

Klar, mit einer Bilanz von 31-14 stehen die Cavaliers noch immer an der Spitze der Eastern Conference. Doch wer gegen die Sacramento Kings (19-28), Portland Trail Blazers (21-27) und New Orleans Pelicans (19-28) ohne Anthony Davis verliert, kann kein Top-Team sein. Oder?

Im Hinterkopf steckt zwar noch immer die Gewissheit, dass LeBron, Kyrie Irving und Kevin Love in den Playoff-Modus schalten können, wenn es drauf ankommt. Doch die aktuelle Diskussion um den Kader belastet nicht nur die Leistungen, sondern auch die Beziehung zwischen Team und Front Office.

Gesucht: Point Guard

"Wir brauchen einen verdammten Spielmacher", so die Forderung von James, der den Weg über die Medien wählte, um seinem Anliegen Gehör zu verschaffen. Und es stimmt. Ohne James auf dem Feld schwächelt die Offense bedenklich.

Während die Cavs mit James 112,5 Punkte pro 100 Possessions erzielen, sind es ohne ihn lediglich 101,5 Punkte. Vor allem die Diskrepanz im Ball Movement spielt dabei eine große Rolle.

Mit LBJ beträgt der Anteil an Field Goals nach Assist gute 59 Prozent, ohne den King sind es nur 48 Prozent - der schwächste Wert eines LeBron-Teams seit Ermittlung der On/Offcourt-Daten (2006/07).

Problematisch ist aber auch, dass Uncle Drew ohne seinen Chef auf dem Feld weniger Assists spielt (5,6) als an seiner Seite (5,8). Und das, obwohl seine Usage-Rate in dieser Zeit von 26 auf mehr als 40 Prozent (!) steigt. Irving kreiert als Fixpunkt der Offensive schlichtweg nicht genug für seine Mitspieler.

Dauerbrenner wider Willen

Wie Dominosteine ergeben sich daraus die nächsten Probleme. Coach Lue kann es sich kaum leisten, LeBron vom Feld zu nehmen. Selbst die Nets erzielten ohne LBJ auf dem Parkett mehr Punkte als Clevelands Supporting Cast. Die Konsequenz: Mit 37,6 Minuten reißt er die meiste Spielzeit der gesamten Liga ab - für einen Spieler in der 14. NBA-Saison ein absolutes Novum. Dass er dabei oft das Playmaking übernimmt, macht es für ihn nicht einfacher.

"Ja, wir sind alle besorgt wegen fünf Minuten", so James dazu: "Aber was passiert, wenn ich zwei Wochen zuschauen muss? Wir versuchen, hier etwas Besonders aufzubauen."

Das Schreckens-Szenario, das LBJ in seinem aufrüttelnden Statement gezeichnet hat, ist bei LeBrons Körper aus Stahl zwar nicht übermäßig wahrscheinlich, doch er hat natürlich Recht. "Für den Großteil der Saison braucht ein Team, das um die Championship kämpft, Spieler, die bereit sind, einzuspringen", so James weiter: "Wir wollen es nicht hoffen, aber was wäre, wenn Kyrie zwei Wochen ausfiele? Oder gar drei?"

Kay wer?

Momentan hieße die Antwort der Cavs in so einem Fall Kay Felder. Kay wer? Genau. Der Rookie steht in dieser Saison rund 10 Minuten auf dem Parkett und kommt dabei auf 4,9 Punkte (41 Prozent FG), 1,2 Rebounds und 1,5 Assists.

Shabazz Napier und Tristan Thompson durften bereits erfahren, was passiert, wenn der King sich etwas wünscht. Auch die Cavs werden um einen Trade zur Deadline kaum herumkommen. Der Verlust von Matthew Dellavedova (2015/16: 6,5 Assists pro 36 Minuten) wiegt schwerer als erwartet. Diesen Satz zu schreiben, hätte ich übrigens niemals für möglich gehalten.

Ein paar Namen wurden schon mit den Cavs in Verbindung gebracht, darunter (natürlich) Mario Chalmers, Jameer Nelson und Shelvin Mack. Alles keine Verstärkungen, die auf den ersten Blick den Unterschied machen könnten. Zudem hat Cleveland wenig Tauschmaterial.

Korver in der Findungsphase

Der erste Trade von General Manager David Griffin hat sich bislang allerdings auch noch nicht wirklich ausgezahlt. Um den Verlust von J.R. Smith (gebrochener Daumen) aufzufangen, holte Cleveland Scharfschütze Kyle Korver von den Atlanta Hawks im Tausch gegen den ineffektiven Mike Dunleavy und einen 2019er Erstrundenpick.

Zwar stabilisierten sich Korvers Leistungen nach anfänglichen Umstellungsproblemen, doch Lue hat noch nicht das optimale Setting gefunden, um ihn in die Offensive einzubauen. Viel zu oft kurvt er auf der Suche nach einem freien Wurf noch um Screens, während seine Mitspieler Löcher in die Luft starren.

Fixpunkt Love?

Für James und die Cavs zählt nur die Championship. Doch gerade deshalb wäre es sinnvoll, sich jetzt einen soliden Backup-Point-Guard zu suchen, der Spielidee und Systeme zu den Playoffs verinnerlicht hat.

Einzige Alternative wäre es, die Offensive in LeBrons Abwesenheit auf dem Court stärker auf Love auszurichten - so wie es Cleveland in den Anfangsminuten eines jeden Spiels tut.

Der ehemalige Teamkollege von Westbrook - in ihrer College-Zeit an der UCLA waren die beiden sogar Zimmerkollegen auf Auswärtsfahrten - erlebt derzeit seine beste Saison in Ohio.

Love ist einer von nur fünf Spielern, die auf Kurs für eine 20/10-Saison liegen (20,3 Punkte, 11,1 Rebounds). Zu Recht wurde er nach zwei Jahren Abstinenz wieder ins All-Star Team gewählt. Doch bisher scheut sich Lue noch, ihm im späteren Spielverlauf mehr Verantwortung zu übertragen. Diese Rolle ist James und Irving vorbehalten.

Spektakel garantiert

Das letzte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften ist knapp ein Jahr her. Im Februar 2016 siegte Cleveland, wie auch im ersten Matchup der vergangenen Saison.

Völlig unabhängig von den Schwierigkeiten, die beide Teams im Moment haben: Das Duell zwischen den beiden Cyborgs James und Westbrook wird auf jeden Fall ein absoluter Leckerbissen. Möge die bessere Maschine gewinnen.

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